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Pigment- Geschichte(n)

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Pigment- Geschichte(n)

Die Farbtöne Blau und Grün spielen in der Kunst und Gestaltung seit jeher eine wichtige Rolle. Eine Vielzahl von Pigmenten ermöglichen unterschiedliche Farbwirkungen. Teil 5: Die Pigmente der Farbbereiche Blau und Grün.

Prof. Matthias Gröne, HS Esslingen

Ultramarin und Azurit waren lange Zeit die wichtigsten und bekanntesten Blaupigmente in der Malerei. Im 18. Jahrhundert wurde durch Zufall das Preußisch- oder auch Berlinerblau entdeckt, später um 1870 kommt das Coelinblau auf den Markt. Erst im Jahr 1927 wird der Pigmentfarbstoff Phtalocyanin – auch als Echtblau bezeichnet – künstlich hergestellt, aus welchem später, das für das Druckwesen so wichtige Cyanblau weiterentwickelt wurde.
Blau
Das älteste, uns heute bekannte Blau ist wohl das „Ägyptisch Blau“. Es wurde über Tausende von Jahren eingesetzt bei der Tempel- und Grabgestaltung der Pharaonen, das Rezept kam später nach Griechenland und hier wurde das Blau höchstwahrscheinlich zur Bemalung des Tempelfrieses auf der Akropolis verwendet. Lange Zeit war die Herstellung in Vergessenheit geraten, neuere Forschungen zeigen uns heute den Herstellungsprozess wieder auf. Silicium, Calcium und Kupfer sind die Grundelemente, Kalium, Natrium und Pflanzenasche werden beim Brenn-prozess zugegeben, so entsteht die farbbildende Substanz, das kristalline Schichtsilicat Cuprorivait.
Ultramarin ist das schönste und edelste Blaupigment, welches der Künstler seinerzeit zur Verfügung hatte. Es wurde hergestellt aus dem Halbedelstein Lapislazuli. Auch heute ist dieses Pigment noch so wertvoll, dass es mit Gold aufgewogen werden kann. Seit dem Altertum wurde es auf dem Landweg aus Afghanistan über Vorderasien nach Venedig transportiert. Das seltene Vorkommen und die besonders aufwendige Herstellung machten das Pigment für viele Künstler unerschwinglich. Neben dem Mahlprozess ist auch die Beseitigung von Verun- reinigungen sehr zeitintensiv. Das zermahlene Pulver wird dazu mit Wachsen und Ölen gebunden, wobei die Verunreinigungen im Wachs haften bleiben. Dieser Prozess wird mehrfach wiederholt, bis schließlich nur noch die sog. Ultramarinasche zurückbleibt. Das natürliche Ultramarin wurde im 14. und 15. Jahrhundert hauptsächlich von italienischen Künstlern verwendet. Es war in der Malerei vorbehalten für die Darstellung Christi und der Gottesmutter und deren blaue Gewänder. Auch hing die Verwendung ab von der Finanzkräftigkeit des Auftraggebers bzw. den finanziellen Mitteln des Künstlers. Häufig untermalte man Flächen in der sogenannten Tafelmalerei mit einem billigeren Blaupigment und legte zum Schluss eine feine Schicht Ultramarin als Deckschicht auf.
Nördlich der Alpen wurde hierfür meistens das Pigment Azurit verwendet. Der holländische Maler Jan Vermeer benutzte, wenn der Auftraggeber es finanzierte, das wertvollere Ultramarin, aber auch bei seinen Gemälden zeigen die Analysen, dass auch er Mischtechniken mit Azurit anwendete. Mit öligen Bindemitteln versetzt, hat der Farbton eine ganz besondere Tiefe, mit Tempera gebunden einen strahlenden, leuchtenden Glanz. Um die Farbwirkung zu steigern, wurde manchmal auf weißem oder hellblauem Grund gemalt. Außer mit Bleiweiß wurde Ultramarin nie gestreckt, dazu war es zu kostbar. Es gibt nur eine Ausnahme, nämlich die Mischung mit rotem Farblack, um purpurne Farbtöne herzustellen. Um das teure Pigment aber nicht zu mischen, wurden die Schichten der beiden Farbtöne meistens lasierend übereinander gelegt.
Das echte Ultramarin ist als Pigment nicht ganz unproblematisch, manchmal verfärbten sich im Laufe der Zeit mit diesem Pigment gemalte Flächen. Man spricht von der „Ultramarin- Krankheit“, einem noch weitgehend unerforschten Problem, der Farbton verliert sein leuchtendes Blau und wird weißgrau.
Azurit ist ein basisches Kupfercarbonat. Es ist bekannt seit der Antike und wurde im 18. Jahrhundert vom sogenannten Preußischblau verdrängt. Azurit wurde zunächst in Silber- und Kupferminen als Nebenprodukt abgebaut. Im Spätmittelalter gab es reiche Vorkommen im heutigen Saarland, hier war es kein Nebenprodukt beim Silberabbau, sondern es wurde in eigenen Gruben abgebaut. Azurit gilt als „Pigment der Deutschen“ oder auch als Blau aus Deutschland, weswegen man in der deutschen mittelalterlichen Malerei hauptsächlich dieses Pigment vorfindet. So verwendete beispielsweise Albrecht Dürer überwiegend dieses Blaupigment in seiner Malerei.
Azurit als Pigment verträgt sich nicht mit trocknenden Ölen, die Künstler bedienten sich deswegen bei der Verwendung eines Tricks. Das Pigment wurde zunächst mit Glutinleim angerieben, hierbei bildet das im Azurit enthaltene Kupfer mit den Proteinen des Leimes beständige Komplexe, die sogenannten blauen Proteine, die das Pigment „maskieren“. Diese Maske sorgt dafür, dass das Pigment keine schädigende Wirkung auf die später eingesetzten trocknenden Öle mehr ausübt. Damit besteht auch keine Gefahr der Vergilbung der blauen Malschicht mehr.
Smalte besteht aus fein gemahlenem blauen Glas, dessen färbender Bestandteil das Kobalt ist. Die Farbtiefe des Pigments ist von seiner Korngröße abhängig. Wird es zu fein gerieben, verblasst es zusehends. Kobalt wurde bereits in der Antike zur Blaufärbung von Gläsern genommen. Dieses Glas im gemahlenen Zustand als Blaupigment zu verwenden, war eine Entdeckung des böhmischen Glasbläsers Christoph Schürer im 16. Jahrhundert. Smalte wurde später vom Preußischblau langsam verdrängt. Die Deckkraft von Smalte war nicht besonders gut. Die dicken Pigmentteilchen, mit trocknendem Öl angerieben, waren sehr schwer aufzutragen und bildeten zudem einen zu dicken Ölfilm über der Pigmentschicht. Wurde die Farbe zu dünn aufgetragen, floss sie von der Leinwand herunter. Auch hier bediente man sich wieder verschiedener Tricks: So wurden beispielsweise Malflächen wegen der Saugfähigkeit leicht angeraut. Blaupigmente waren immer sehr teuer, im Vergleich war Smalte noch eines der preiswerteren Blaupigmente. Kosteten 490 g Smalte 1 Livre, so lag der Preis von gleicher Menge Azurit bei 9 Livres, Indigo bei 12 Livres und Ultramarin im Vergleich dazu sogar bei 1.470 Livres.
Indigo – ein blauer Pflanzenfarbstoff – wurde bereits im 16. Jahrhundert aus Ostindien nach Europa importiert und ist in vielen Epochen der europäischen Malerei nachgewiesen. Gegenüber anderen Pflanzenfarbstoffen ist Indigo weder wasser- noch öllöslich und kann somit direkt nach Zugabe des Bindemittels vermalt werden.
Preußischblau – oder Berlinerblau – ist eine komplexe Verbindung aus Eisen, Stickstoff und Kohlenstoff und wurde durch Zufall von dem Berliner Farbenhersteller Diesbach im Jahr 1704 entdeckt. Seit seiner Entdeckung zählt es zu den meist verwendeten Blaupigmenten. Im Jahr 1802 entwickelte der Franzose Thenard ein Verfahren zur fabrikmäßigen Herstellung von Kobaltblau, einem grobkörnigen Pigment, das sich sehr für die Ölmalerei eignet, aber auch sehr teuer ist. Einige Jahre später kommt noch das etwas grünstichige Coelinblau auf den Markt.
Grün
Ein Problem für die alten Meister war lange Zeit der Farbton Grün. Bis zur Entdeckung der Chromoxidfarben gab es keine reinen, leuchtenden und gleichzeitig deckenden Grünpigmente. Chromoxidgrün gibt es erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Es ist beständig in der Freskomalerei und damit gut kalkverträglich. Heute wird es zum Einfärben von Kalkspachtelprodukten verwendet. Grüntöne, die auf Bildern des 13. bis 16. Jahrhunderts zu sehen sind, entstanden in der Regel aus Mischungen von Azurit und Bleizinngelb oder Grünspan (Kupferacetat) und Bleizinngelb. Neben Grünspan und Grüner Erde benutzten die Künstler auch Malachit und Kupferresinat.
Kupferspäne wurden in Essig aufgelöst, die Lösung schließlich eingedickt, so entstand Grünspan. Dieser hat die Eigenschaft, die Trocknung der Öle zu beschleunigen, ist aber ein sehr unbeständiger Farbstoff und neigt dazu, im Laufe der Zeit seinen Farbton von Blaugrün zum Braun hin zu verändern. Deswegen ist es manchmal schwierig, sich die Originalfarbigkeit eines Gemäldes mit Grüntönen vorstellen zu können. Die alten Meister wussten um dieses Problem und so firnisste beispielsweise Leonardo da Vinci seine mit Grün gemalten Flächen sofort nach der Trocknung, um die Farbwirkung der Gemälde zu erhalten.
Grüne Erde ist ein Verwitterungsprodukt von Eisensilicaten und auch seit der Antike bekannt. Je nach Fundort hat es einen unterschiedlichen Farbstich. Veroneser Grün hat beispielsweise einen wärmeren Charakter als die Böhmische Grüne Erde. Auch hier ist das Deck- und Färbevermögen nur gering. Der Farbton dieser grünen Erden diente als „Verdaccio“ zur Untermalung des Inkarnats, der Haut- und Gesichtsfarbe des Menschen.
Das grüne Pigment Malachit ist bereits seit der Antike bekannt. Es handelt sich hierbei um ein basisches Kupfercarbonat. Als Mineral kommt es sehr häufig mit dem Azurit zusammen vor. Nachgewiesen wurde es bei der Analyse einiger flämischer Meister. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten Chemiker in Schweden und Frankreich neue Grünpigmente, die mit der Entdeckung des Chroms zu tun haben. Das Pigment mit der höchsten Deckkraft und lange Zeit das teuerste Grünpigment, weil seine Rezeptur so lange gehütet wurde, war das Chromoxidhydratgrün. Es wurde 1838 von dem Farbenhersteller Pannetier in Paris entwickelt.

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Das Blaue Haus
In Wertheim am Main befindet sich eine Rarität in Deutschland. In der Rathausgasse, Ecke Pfarrgasse steht das sogenannte „Blaue Haus“, ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1593, dessen Sichtfachwerk nachweislich in „Smalteblau“ gestrichen wurde. Da Blau immer ein sehr teures Pigment war, ist diese seltene Farbfassung sicher ein Beleg für den Reichtum des damaligen Bauherrn. Smaltefassungen von Fachwerken sind nur noch aus St. Gallen in der Schweiz bekannt.
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