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Heilende Architektur: Farbkonzepte

Inspiration
Heilende Architektur: Farbkonzepte

Dank des durchdachten Farbkonzepts „Heilende Architektur“ in Krankenhäusern, Arztpraxen und Therapiezentren profitieren Patienten, Ärzte und Pflegepersonal.

Uwe Herzog

Langsam ziehen Schönwetterwolken über den strahlend blauen Himmel. Ein leuchtend grüner Blätterwald sorgt für Wohlbefinden. Nachts funkeln die Sterne. Nein, dies sind keine Bilder aus einem Reiseprospekt, sondern farblich gestaltete Abstraktionen, die schwerstkranken Patienten in der Berliner Charité als „Kraftquellen“ dienen. Dargestellt werden die Motive auf großen LED-Bildschirmen, die über den Betten montiert sind.

Licht- und Farbkonzept

Das Licht- und Farbkonzept ist Teil dieser „Intensivstation der Zukunft“. Dadurch sollen der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus unterstützt, Delirien reduziert und der Genesungsprozess beschleunigt werden. Ein Forschungsteam unter Leitung von Claudia Spies begleitet das Projekt bereits seit drei Jahren. Erste Ergebnisse zeigen, dass die „in Farbe gehüllten“ Patienten weniger Schmerzmittel benötigen als Vergleichspersonen. Farben als Mittel zur Heilung? „Patienten, die sich im Krankenhaus mithilfe von Farben besser orientieren können und zudem eine farbliche Wohlfühlatmosphäre vorfinden, werden oft schneller gesund und können somit auch früher entlassen werden“, ist Petra Gunst, leitende Innenarchitektin beim Ludwigshafener Architekturbüro „a|sh sander hofrichter architekten“, überzeugt.

Welche Farben eignen sich im Krankenhaus am besten? Petra Gunst: „Seit langem wird der Farbe Grün eine besondere heilende Wirkung zugeschrieben.“ Gunst griff dieses Wissen beim Neubau des Krankenhauses Siloah in Hannover auf: „Zunächst wurden hier sieben individuell gestaltete Innenhöfe mit verschiedenen Leit- und Themenpflanzen begrünt“, berichtet die Innenarchitektin, „diese Pflanzenwelten haben wir schließlich im Innenbereich konsequent farblich fortgesetzt“. Auch „Hascher Jehle Architektur“ und „Monnerjan Kast Walter Architekten“ nutzen Grün bei ihren Projekten: „Beim Farbkonzept für die Rems-Murr-Kliniken in Winnenden haben wir uns an den Farben der Natur orientiert, einer Landschaft aus sanften Weinbergen, in die das Krankenhaus eingebettet ist. Die prägende Farbe ist Grün, das in unterschiedlichen Tönen eingesetzt und mit gelben bis orangen Elementen spannungsreich durchsetzt wird“, erläutert Jens-Peter Riepen von „Hascher Jehle Architektur“.

Von der Natur inspiriert

Beim Bau des Krankenhauses im hessischen Schotten ging das Frankfurter Architektenbüro „wörner traxler richter“ noch einen Schritt weiter, indem es auch die jahreszeitlichen Veränderungen der landschaftlichen Umgebung berücksichtigte: „Der Neubau nimmt die Ordnungsprinzipien und die Farbgebung der waldreichen Umgebung über seine Fassadenstruktur und Fassadenfarben auf, intensiviert so das natürliche Grün und die großartigen Farben der Landschaft und trägt sie bis ins Innere des Hauses“, berichtet die Sprecherin des Büros, Iphigenie Traxler. Von der Natur inspiriert ist auch das Krankenhaus in Viersen, bei dem das Wahrzeichen aus dem Wappen der Stadt, die Mispel, nicht nur bei der Begrünung der Anlage, sondern auch im Farbkonzept genutzt wurde: „Wir haben uns am Jahreszyklus der Mispel orientiert – vom ersten zarten Grün im Frühling über die weiße Blüte bis zum herbstlichen Gelb der Blätter und Früchte wird das Gebäude vom Erdgeschoss bis in die oberen Stationen von der Mispel sozusagen durchwachsen“, erklärt Petra Gunst. Auch bei dem derzeit im Bau befindlichen Diagnostik-, Therapie- und Forschungszentrum (DTFZ) am LVR-Klinikum Düsseldorf „spiegeln sich die Grüntöne der Natur in der Fassade wider“, beschreibt der Hattinger Architekt Peter M. H. Damm von „RDS Partner“.

Schmerzlindernde Wirkung

Raumtemperaturen von in Blau oder Rot gehaltenen Räumen werden unterschiedlich wahrgenommen. Beispiel: Zentrum für Schwerstbrandverletzte in Ludwigshafen. Seitdem hier die Wände gezielt blaugrün gestrichen wurden, berichten Brandopfer von einer „schmerzlindernden Wirkung“ der neu gestalteten Patientenzimmer. Längst hat sich eine Blaugrüntönung auch im OP-Saal durchgesetzt, da diese Komplementärfarbe zu „Blutrot“ nicht so rasch ermüdet, wie grelles Weiß oder mattes Grau

Die Bamberger Architektin Birgit Dietz gilt als Spezialistin gründlich durchdachter, farbbasierter Orientierungshilfen: „Im Alter lässt die Fähigkeit nach, zwischen den Farbtönen zu unterscheiden. Mit einer Anhebung des Leuchtdichtekontrastes lassen sich diese natürlichen Sehschwächen ausgleichen. Auch können ältere Menschen Grün-Blau-Töne schlechter unterscheiden als Gelb-Rot-Töne. Diese und weitere Erkenntnisse über unsere Sehkraft und die Wirkung von Farben können die Orientierung in einer fremden Umgebung erheblich erleichtern.“

Mit umfangreichen Checklisten durchforstet Birgit Dietz Stationen, Behandlungs- und Aufenthaltsräume sowie sanitäre Einrichtungen, um herauszufinden, wie sich Patienten – und auch das Personal – mithilfe von Farben künftig besser zurechtfinden können: „Wir haben dabei eigentlich alles im Blick – von der Markierung häufig genutzter Wege, oder den Abgrenzungen zu bestimmten Bereichen“.

Carolin Kimmer von GSP Gerlach Schneider Partner Architekten in Bremen: „Gerade für Mitarbeiter ist die Farbgestaltung ein emotionales Thema. Darum legen wir als Planer großen Wert auf eine gewissenhafte und sensible Planung der Oberflächen. Allerdings ist ein Farbkonzept keine Geschmackssache, sondern erfüllt wichtige Funktionen. Es soll dazu beitragen, Mitarbeiter zu motivieren und dadurch auch für Patienten ein Umfeld zu schaffen, in dem sie besser geheilt werden können.“ Dabei müssen DIN-Normen wie 32975, 32984 und 18040, in der die „Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung“ festgelegt sind, ebenso berücksichtigt werden wie Nassabrieb, Beständigkeit gegen Desinfektionsmittel und eine einfache Instandhaltung. Der sorgfältigen Materialauswahl kommt folglich eine große Bedeutung zu.

Farbe als Ausgleich

Bei der Sanierung von Altbauten stellt sich häufig das Problem unausgewogener Raummaße. Für den Berliner Architekten Jason Danziger ist Farbe „ein kostensparendes Mittel“, um solche ungünstigen Proportionen auszugleichen: „Im historischen Gebäude der Charité haben wir Räume vorgefunden, die teils sehr schmal, teils sehr hoch waren. Anstatt die Decken kostspielig abzuhängen, entschieden wir uns für eine Deckenkrone, die, ebenso wie die meisten Böden und Wände, zunächst in Grau gehalten ist. An ausgesuchten Wänden, Fensterrahmen und Flurbögen haben wir dann bewusst stark gesättigte Farbtöne eingesetzt: Grün, Gelb und Violett. Durch das Gesamtbild ergeben sich neue Perspektiven, die den jeweiligen Raum ausgewogener erscheinen lassen. Zudem verändern die Reflektionen der kräftigen Farbakzente im Tagesverlauf das Raumbild“. Das Konzept, das in enger Absprache mit den behandelnden Ärzten entwickelt wurde, hat eine sowohl beruhigende als auch anregende Wirkung auf Patienten und Mitarbeiter zum Ziel. Das preisgekrönte Projekt gilt seither als richtungsweisend bei der Neugestaltung von Altbauten im psychiatrischen Klinikbereich.

Fazit

Die grauen Zeiten „steril gestalteter“ Krankenhäuser scheinen der Vergangenheit anzugehören. Dabei sind die neuen Farben kein Selbstzweck, sondern folgen den Bedürfnissen der Nutzer.

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