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Aus Neu mach’ Alt

Zu seinem 100-jährigen Jubiläum, 2008, wurde das Phyletische Museum in Jena aufwändig saniert. Dabei versetzte der Bauherr das alte Jugendstil-Gebäude wieder in seinen ursprünglichen Zustand aus dem Jahr 1908.

Vor 100 Jahren begründete der Zoologe Ernst Haeckel mit dem Phyletische Museum in Jena eine weltweit einzigartige Institution. Hauptthemen des Museums waren und sind bis heute die Darstellung der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Organismen und der Evolutionstheorie in der Begegnung von Kunst und Natur.

Heute ist das Museum Teil des Instituts für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Universität Jena. Zum 100-jährigen Jubiläum wurde das Jugendstil-Gebäude aufwändig saniert und in den ursprünglichen Zustand von 1908 versetzt.
„Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche zu verehren.“ Dieses Zitat stammt von Johann Wolfgang von Goethe, dessen romantische Naturforschung, die gern von der Beseelung der Natur sprach, von grundlegender Bedeutung für Ernst Haeckels Welt- und Naturauffassung war. Als Zeichen seiner Verehrung fand die Grundsteinlegung für das Phyletische Museum an Goethes Geburtstag, dem 28. August 1907 statt. Ein Jahr später, nach nur einem Jahr Bauzeit, übergab er das Gebäude der Universität Jena anlässlich deren 350-jährigen Bestehens.
Für den Museumsgründer war der Bau viel mehr als nur ein Museum für Abstammungslehre, er sollte zum zentralen Ort seiner Weltanschauung, des Monismus, werden. In Haeckels Weltbild wurde die Wissenschaft zu einer Glaubenslehre. Gemeinsam mit Goethe war er der festen Überzeugung, dass „die Materie nie ohne Geist, der Geist nie ohne Materie existiert und wirksam sein kann“. Haeckel sah Gott identisch mit den allgemeinen Naturgesetzen und sich offenbarend in der Schönheit –beispielsweise in der kausalen Schönheit der Symmetrie.
Planung
Ernst Haeckel nahm maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung des Museumsbaus und lehnte die ersten Entwürfe des beauftragten Architekten Carl Dittmar ab. „Ich, der ich mein Leben lang auf Grund der Forschungen nur der Symmetrie in der Formenbildung gehuldigt habe, kann von diesem Prinzip nicht abgehen“, erklärte Haeckel und verlangte eine symmetrische Gestaltung des Baukörpers und sämtlichen Bauschmucks. Erst als Dittmar schließlich einlenkte und sich zu einem symmetrischen Entwurf durchrang, gab Haeckel sein Einverständnis. Es entstand ein dreigeschossiges Gebäude mit Mansarddach, das über eine doppelläufige Treppenanlage und einen von Arkadenbögen geschützten Eingang erschlossen wird. Die Fassaden der Seitentrakte sind über dem Sockelgeschoss durch eine vorgelegte kolossale Arkadenordnung gegliedert.
Gestaltung
Der Fassadenschmuck verweist auf die Bestimmung des Gebäudes. Am spielerisch geschwungenen Giebel prangen die Abbildung eines Lebensbaumes und die von Haeckel geprägten Schlüsselbegriffe der Biologie: „Ontogenie“ (Entwicklung des Individuums) und „Phylogenie” (Entwicklung der betreffenden Art oder Artengruppe).
Die Ornamente der Brüstungsfelder sind inspiriert von Darstellungen aus Haeckels Bildband „Kunstformen der Natur“. Diese Illustrationen von Medusen, Stachelhäutern und Radiolarien sind keineswegs nüchtern-wissenschaftliche Wiedergaben, sondern künstlerisch teilweise stark überhöhte Darstellungen in freier Farbigkeit und von beeindruckender Schönheit.
Es war Carl Dittmars Einfall, die Abbildungen als Motive für Deckengemälde, Wandfriese und für die Füllungen in den Fensterbrüstungen an der Fassade zu verwenden. „Ich hatte mir nicht träumen lassen, dass diese Idee solch freudigen Widerhall beim Bauherrn finden würde“ bekennt Dittmar später. Haeckels langjähriger Freund, der Lithograf Adolf Giltsch, wurde mit der Aufgabe betraut, Haeckels Zeichnungen umzusetzen. „Giltsch zeichnete meinen Wünschen entsprechend einige Bilder für Deckenornamente und Fensterbrüstungen in natürlicher Größe. Diese wurden dann farbig oder in Putz ausgeführt“, erläuterte der damalige Architekt.
Folgejahre
Das Museum überstand beide Weltkriege weitgehend ungeschädigt. Zu Beginn der 60er Jahre wurden dann allerdings fast alle Ornamente und Deckenbilder im Rahmen eines grundlegenden Umbaus zerstört. „Der Neugestaltung des Museums fielen die unmodernen Deckenbilder – Medusen, Stachelhäuter und Radolarien nach Vorlagen von Haeckel – zum Opfer, ebenso wie die im Jugendstil ausgeführten Erinnerungstafeln an die Förderer des Museums,“ notiert Ulrich Bake, damaliger Assistent am Phyletischen Museum in Jena.
Im Innern des Gebäudes sorgte die „Entschmuckung“ für kahle Wände. Es verschwanden sämtliche Stuckornamente und Rundbogenfenster im Treppenhaus sowie Sinnsprüche und Ornamente in der Eingangshalle. Die Wände und Decken der Ausstellungssäle wurden teilweise leuchtend rot oder schwarzgrau beschichtet, wobei man die Deckengemälde der Medusen und Anthozoten überdeckte. Die Fassade wurde mit einer einheitlichen Farbe gestrichen, wobei alle Ornamente in den Brüstungsfeldern und die Begriffe „Ontogenie“ und „Phylogenie“ im Giebel übermalt wurden.
Wiederherstellung
In den Jahren 1985/86 bemühten sich Mitarbeiter des Phyletischen Museums, diese radikalen Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Man ließ die Fassade streichen, die Ornamente rekonstruieren und die Darstellung des Lebensbaums im Giebel durch die Begriffe „Ontogenie“ und „Phylogenie“ ergänzen. Farblich orientierten sich die Verantwortlichen an einem kolorierten Entwurf von Carl Dittmar. Leider wurden große Teile der Maßnahmen nicht fachgerecht ausgeführt, was zum einen auf schwach auflösende Bildvorlagen, zum anderen auf die mangelhafte Qualität der verwendeten Materialien zurückzuführen ist.
Seit Anfang der 1990er Jahre wurde unter dem Direktorat von Professor Dr. Martin S. Fischer das Museumsgebäude nach und nach vollständig saniert und rückgebaut. Ziel war die Erhaltung der vorhandenen historischen Bausubstanz und eine möglichst authentische Wiederherstellung der verloren gegangenen Ornamente und Deckengemälde. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten im Innern erfolgte die Fassadensanierung, die rechtzeitig zum Jubiläumsjahr 2007/2008 abgeschlossen werden konnte.
Ausführung
Die Fassade des Museums sollte so wiederhergestellt werden, wie sie sich im ursprünglichen Zustand nach Fertigstellung des Baues im Sommer 1908 zeigte. Hierfür standen den Restauratoren historische Aufnahmen in hervorragender Bildqualität zur Verfügung. Der restauratorische Befund ergab zahlreiche Abweichungen zu den 1986 ausgeführten Maßnahmen: Die Fassade war ursprünglich monochrom gehalten und Ton in Ton differenziert gefasst und die wiederhergestellten Ornamente hatten teilweise erhebliche Abweichungen zu den Originalformen. Die original flache Reliefstrukturierung wurde durch stark vorstehende, glatt geputzte Blöcke ersetzt. In der Folge entstanden auf den Oberkanten störende dunkle Schmutzablagerungen. Außerdem wurde festgestellt, dass die in den 80er Jahren verwendete Polyacrylat-Farbe kaum Diffusionsoffenheit hatte, was zu partiellen bauphysikalischen Schäden geführt hat.
Um den noch vorhandenen, qualitativ hochwertigen Originalputz zu erhalten, gab es zur weitgehenden Abnahme dieser thermoplastischen Beschichtung keine Alternative. Die originalen Putzteile erhielten eine Konservierung, Hohlstellen wurden nach Notwendigkeit hinterfüllt und zwischenzeitliche Putzerneuerungen sowie zerstörte Putzbereiche wurden strukturgerecht mit Reinkalkputz erneuert. Die Ornamentformen der Supraportenfelder zur Ostseite konnten rechnergestützt 1:1 nach historischen Fotovorlagen zeichnerisch rekonstruiert werden. Auf Grundlage dieser Zeichnungen wurden Kunststoffschablonen geschnitten und nach dem Vorbild original erhaltener Supraportenfelder an der Nordseite strukturgerecht neu geputzt.
Die differenzierte Farbgebung erfolgte mit Sondermischungen nach Befunden am Objekt. Als Material wurde Keim Soldalit verwendet. Die Sol-Silikatfarbe ist aufgrund ihrer innovativen Bindemittelkombination aus Kieselsol und Wasserglas auf praktisch allen Untergründen problemlos zu verarbeiten. Dabei bietet Soldalit alle Vorteile klassischer Silikatfarben – ideale bauphysikalische Eigenschaften, ausgesprochene Langlebigkeit und die für historische Bauten typische, mineralisch matte Oberflächenoptik.
Seit Sommer 2008 sieht das Phyletische Museum wieder aus wie vor hundert Jahren. Auch wenn Haeckels ästhetische Theorie längst Geschichte ist – die Manifestation seiner Thesen in den Sammlungen, den Bildwerken und in der architektonischen Gestaltung seines Museums fasziniert den Betrachter heute noch ebenso wie vor hundert Jahren und vermittelt das, was Haeckel ein Herzensanliegen war: Das Prinzip der Schönheit, die in der Natur begründet liegt.
Bautafel
Bauherr:
Friedrich-Schiller-Universität, Jena
Phyletisches Museum
Direktor:
Prof. Dr. Martin Fischer
Architekt:
Wagner + Günther Architekten, Jena;
Heinz Wagner, Martin Rhiel
Restaurator:
Wolfgang Bruhm,
Dipl. Maler/Restaurator, Jena
Ausführende Malerarbeiten sowie Putz- und Steinmetzarbeiten:
Firma Bennert, Hopfgarten
Keim-Produkte:
Außen: Keim Universalputz, Keim Soldalit
Innen: Keim Biosil
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