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Zeitgemäßer Lehmbau: Innendämmung und Lehmbaustoffe

Wohlfühlen beim Wassermann
Innendämmung und Lehmbaustoffe

Die Innendämmung ist bei der energetischen Sanierung in der Denkmalpflege und im Fachwerkbau seit vielen Jahrzehnten erprobte Praxis. Seit einigen Jahren stellt sie insbesondere in Verbindung mit Lehmbaustoffen eine attraktive Alternative in allen Bereichen dar, in denen man Fassaden nicht durch eine Außendämmung verändern will. Ein Waldorf-Kindergarten in Viersen ist ein interessantes Beispiel dafür.

Autor: Dieter Mai | Fotos: Martin Breidenbach, Dieter Mai, Stephan Schulze

Ein interessantes Beispiel für eine Innendämmung in Verbindung mit Lehmbaustoffen ist ein Kindergarten in Viersen. Hier hat das Architekturbüro Martin Breidenbach Alt und Neu vereint, historische Details herausgearbeitet, Innendämmung mit Wandtemperierung und Lehmputzen kombiniert und alles auf das Wohl der Kinder ausgerichtet. Mit dem Neu- bzw. Umbau des Waldorf-Kindergartens realisierte Architekt Breidenbach ein besonderes Lehmbau-Referenzprojekt. Zeitgemäßer Lehmbau, Denkmalpflege, kindgerechte Wohngesundheit, außergewöhnliche Ästhetik und planerischer Einfallsreichtum sowie vorbildliche energetische Planung – hier kommt zusammen, was zusammengehört.

Neu und Alt im Einklang

Architektonische Basis seines Entwurfs war ein ehemals halb verfallenes niederrheinisches Wohn-Stall-Haus, dessen Bausubstanz aus dem frühen 15. Jahrhundert stammt. Das Hallenhaus mit doppelseitiger Kaminanlage, Gewölbekeller und Opkammer (die Opkammer war wegen ihrer Nähe zur Küche früher der wärmste Raum eines Hauses) wurde als neues Domizil für den Kindergarten unter Verwendung historischer und ökologischer Baustoffe (Eichenfachwerk, Lehmsteine und -putz, Schilfrohr, Parkett, Linoleum, Hanf- und Cellulosedämmung, sowie Holzweichfaserplatten, Lehmkleber, Holz) restauriert.

Der Erweiterungsbau entstand aus denselben Baustoffen als modernes Pendant. Geschwungen schwebt ein Steg über dem Foyer unter einem Glasdach zur Empore im Neubau. Die begehbare Camera Obscura verlockt zum Experimentieren und dient als Kuschelecke. Ein Backsteinschuppen wurde zum „Haus im Haus“ mit Kinderküche umfunktioniert. Ein Lehmgewölbeofen ist in Planung. „Die historische Dimension des Gebäudes war für einen Laien nicht zu erahnen als wir das Objekt zum ersten Mal besichtigten“, so Architekt Martin Breidenbach. Im Zuge der eingehenden Inspektion der teilweise seit Jahren leer stehenden Haupt- und Nebengebäude traten mehr und mehr spannende baugeschichtliche Details zutage. Die Restaurierung dieser historischen Baumerkmale, wie etwa der Kaminanlage und des Dachstuhls im Altbau sowie deren Integration in die Gestaltung des zukünftigen Waldorf-Kindergartens, geben dem Gebäude seinen besonderen Charme. Entstanden ist ein stimmiges Ensemble aus restauriertem Original-Bestand und harmonisch integriertem Anbau. Dieser wurde, inspiriert vom historischen Vorbild, als modernes Eichenfachwerk-Gebäude umgesetzt.

Innendämmung

Um historische Teile von Gebäuden zu erhalten und gleichzeitig auf den neuesten technischen Stand zu bringen, ist die Innendämmung eine optimale Möglichkeit. Innendämmungen erfordern, wie alle Systemaufbauten, eine sorgfältige Planung, Bemessung und Ausführung sowie besonderes Fachwissen, wie das 2015 erschienene „Praxis-Handbuch Innendämmung“ umfassend erläutert (siehe Hinweis am Ende des Beitrags). Bauphysikalisch gibt es bei sachgerechter Ausführung keinerlei Einschränkungen in der Anwendung, auch in Dämmstärken von zehn Zentimetern und mehr. Bestens geeignet für „lebende“ Bauten, wie sie Fachwerkhäuser Zeit ihres Bestehens bleiben, sind Holzweichfaserplatten, die auch bei diesem Bauvorhaben eingesetzt wurden. Holzweichfaserplatten sind elastisch und sie fangen manche Verformung auf, ohne Schaden zu nehmen.

Das Kapitel „Innendämmung mit Lehmbaustoffen“ des Standardwerks „Lehmbau-Praxis. Planung und Ausführung“ von Dipl.-Ing. Ulrich Röhlen und Prof. Dr. Christof Ziegert bringt die wichtigsten Aspekte der Innendämmung auf den Punkt. Innenwände in Steinhäusern wurden schon vor Jahrhunderten mit Holz verkleidet, die Vorläufer unserer Tapeten waren Wandbehänge, die vor die Wand gespannt wurden, um den Bewohner gegen das kalte Mauerwerk abzuschirmen. Seit Jahrzehnten ist es gängige Praxis nicht nur im Fachwerkbau, Innenräume mit dämmenden Leichtlehmschüttungen und mit lehmverputzten Schilfrohrmatten zu dämmen. Zunehmend werden Holzweichfaserplatten und Mineralschaumplatten verarbeitet. Worauf besonderes Augenmerk bei Innendämmungen zu richten ist, hat Dr. Anatol Worch, Leiter der WTA-Arbeitsgruppe Innendämmung, in einem vielfach publizierten Vortrag mit dem Titel „Innen dämmen? Außen gucken“ treffend formuliert. Praktisch alle im Zusammenhang mit Innendämmung auftretenden Schäden haben ihre Ursachen in undichten Außenwänden, in die durch Ritzen und Anschlüsse bei Schlagregen Wasser in die Wand eintritt. Ein weiteres Problem kann aufsteigende Feuchtigkeit sein, die nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Viele wohldurchdachte Details tragen den speziellen Bedürfnissen von Kindern Rechnung. Dazu gehört die üppige Versorgung mit Tageslicht durch zahlreiche großflächige Fenster, die mit sehr niedrigen Brüstungen versehen sind und damit auch den Kleinsten freie Sicht nach draußen bieten. In Sachen Wohngesundheit finden Kinder und Erzieherinnen hier bestmögliche Bedingungen vor.

Wandtemperierung

Die durch Erdwärme gespeiste Temperierung der Außenwände führt zu einem spürbar angenehmen Raumklima: Die von den temperierten Lehmwänden abgegebene Strahlungswärme wird bereits bei relativ niedrigen Raumtemperaturen als behaglich empfunden, die dadurch ermöglichte Reduzierung der Grundtemperatur beugt einer übermäßigen Austrocknung der Raumluft vor und auch die verwendeten Lehmbaustoffe tragen durch ihre feuchteregulierenden Eigenschaften ihren Teil zum Wohlfühlklima bei.

Alle Flächen der Außenwände wurden mit Verbundrohr belegt, auch Nebenräume wie die Abstellkammern. Zusätzlich wurde in den Aufenthaltsbereichen der Kindergruppen der Fußboden temperiert. Die Temperierung arbeitet mit einer extrem geringen Vorlauftemperatur von etwa 22 Grad Celsius. Durch die großflächige Auslegung entsteht eine angenehme und vollkommen gleichmäßige Wärme im Raum ohne Luftbewegung, wie sie etwa durch konventionelle Konvektoren erzeugt wird. Besonders wirkungsvoll wird das System Innendämmung und Wandtemperierung durch den Lehmputz, der dafür sorgt, dass sich die Wärme gleichmäßig auf der Wand verteilt. Die Strahlungswärme trägt nicht nur zu einem behaglichen Raumklima bei, sondern stellt auch eine hochwertige bauliche Lösung dar und erhöht zusätzlich die Toleranz hinsichtlich möglicher Feuchteeinträge.

Ausgeführt wurden die Arbeiten vom Handwerksbetrieb Stefan Brenkers aus Viersen, der sich auf die Sanierung mit ökologischen Baustoffen und auf die Verarbeitung von Innendämmung spezialisiert hat. In den Innenräumen wurden die Wände mit einem Lehm-Designputz in einem Grauton und einige ausgesuchte Wände mit farbigen Lehmputzen gestaltet. Abstellräume zeigen klassischen Lehmputz in Braun.

Gemäß seinem neuen Namen „Der kleine Wassermann“ residiert der Kindergarten in einer naturnahen Umgebung in direkter Nachbarschaft zum Mühlenweiher und zur Bongartzmühle. In den neuen Räumen ist viel Platz, auch für die zweite zusätzliche Kindergruppe.

Das Praxis-Handbuch Innendämmung ist bestellbar unter:
www.malerblatt-medienservice.de


PraxisPlus

Neu- bzw. Umbau des Waldorf-Kindergartens „Der kleine Wassermann“ in Viersen www.waldorfkiga-viersen.de www.architekt-breidenbach.de www.brenkers.de www.schnaebler.de www.claytec.de

  • Architekt: Martin Breidenbach,
    Viersen
  • Ausführung Lehmputzarbeiten,
    Innendämmung und Wandtemperierung: Stefan Brenkers, Viersen
  • Lieferant Lehmbaustoffe: Baustoffe Schnäbler, Viersen-Süchteln
  • Hersteller der eingesetzten
    Lehmbaustoffe: Claytec, Viersen

Martin Breidenbach, Architekt

Die historische Dimension des Gebäudes war für einen Laien nicht einmal zu erahnen, als wir das Objekt zum ersten Mal besichtigten.



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