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Saubere Fassaden

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Saubere Fassaden

Ende Oktober veranstaltete die Technische Akademie Esslingen (TAE) ein Seminar zum Thema „Saubere Fassaden”.

Mit Schlagwörtern wie „Lotus-Effekt“, Fotokatalyse“, „easy to clean“ und „Nanotechnologie“ ist in den letzten Jahren vieles zu diesem Thema gesagt worden. Doch was können die einzelnen Technologien wirklich leisten, wo sind ihre Grenzen? Und wird es in naher Zukunft eine Lösung für das Problem der schnell verschmutzenden und veralgenden Fassaden geben? Diese Fragen galt es zu diskutieren.

Dr. Klaus Breuer vom Institut für Bauphysik in Holzkirchen nannte als Ursachen für die zunehmende Veralgung die verminderte SO2-Belastung der Atmosphäre, den zunehmenden Nährstoffeintrag in dieselbe und den vermehrten Einsatz von Wärmedämmverbund-systemen. Durch die Dämmung liege die Oberflächentemperatur längere Zeit unter dem Taupunkt, und die Fassade sei daher länger durch Feuchtigkeit belastet.
Dr. Constanze Messal, MICOR Gesellschaft für mikrobielle Prozesse und Materialkunde, Rostock, erklärte, warum es so schwer ist, Algen, Pilzen und Bakterien an der Fassade zu Leibe zu rücken. Die Mikroben seien sehr anpassungsfähig, und das gelte nicht nur für das Klima, sondern eben auch für die vom Menschen eingesetzten „Waffen“ gegen den Fassadenbewuchs. So verfügten die Fassadenbewohner über sehr dicke und widerstandsfähige Zellwände, einige schleimten sich zudem ein. Das führe dazu, dass die Mikroben zum einen nicht austrockneten, nicht übersalzen und zum anderen vor Sonnenlicht geschützt seien – und das mache sie z.B. immun gegen den fotokatalytischen Effekt. Daneben schützen die Schleimhüllen aber auch vor chemischen Angriffen, neutralisieren z.B. Biozide oder extreme pH-Werte. Abgetötete Mikroorganismen würden durch Überlebende und Neuangewehte überwachsen, versiegeln quasi die Oberfläche und machen eine biozide Wirkung unmöglich.
Dass es gerade auf WDVS, also nicht beheizten Untergründen, wichtig sei, dass der Anstrich einen niedrigen sd-Wert und eine hohe Verdunstungszahl aufweise, betonte der Sachverständige Dr. Uwe Erfurth. Nur so erziele man trockene und damit bewuchsfreie Fassaden. Eine biozide Ausrüstung des Anstrichs dagegen halte er für unsinnig, da die Giftstoffe zum einen rasch ausgewaschen seien, zum anderen in der Umwelt angereichert würden. Damit die Biozide nicht zu schnell ausgeschwemmt würden, bedürfe es einer guten Bindung derselben. Diese sei über einen hohen Polymergehalt zu erreichen, er führe aber dazu, dass die Fassadenoberfläche nur noch schlecht austrocknen könne. Auch der Abperleffekt funktioniere aus diesem Grund nicht. Zwar sei die Oberfläche hydrophob, und Regentropfen perlten darauf ab. Tauwasser dringe aber dennoch in die Beschichtung ein und könne nicht mehr in ausreichendem Maße austrocknen. Als ideale Beschichtungsstoffe nannte Dr. Erfurth Dispersionssilikatfarben, da sie zwar Wasser aufnehmen, aber es auch sehr schnell wieder verdunsten könne. So sei Mikroorganismen die Lebensgrundlage entzogen – und das ganz ohne Gift.
Wie die Fotokatalyse auf Glas- und Keramikoberflächen derzeit schon erfolgreich eingesetzt wird, demonstrierten Dr. Norbert Wruk, Pilkington Deutschland AG, und Hedwig Reger, Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG. Allerdings, so sind sich beide einig, sei die Übertragung dieses Effekts auf die Fassade nicht einfach, da hier ja kein industrielles Herstellen einer fotokatalytisch aktiven Schicht möglich sei.
Wie die Fotokatalyse in Fassadenfarben funktioniert, erläuterte Dr. Peter Grochal von der Sto AG. Durch Lichteinwirkung auf ein Titandioxidteilchen entstehen reaktive Oberflächenzentren, an denen es mit organischen Substanzen zu einem Elektronenaustausch kommt, was zu einer Umwandlung bzw. einem Abbau der organischen Substanz führt. Die an der Fassadenbeschichtung anhaftende Schmutzschicht sei meist organischen Ursprungs, und diese könne durch die Fotokatalyse abgebaut und schließlich durch Regenwasser abgespült werden.
Dass der Abbau von Schadstoffen, Gerüchen etc. auch bei Innenfarben funktioniert, obwohl hier ein geringeres Lichtangebot herrsche, zeigte Dr. Dirk Then von Caparol auf.
Für den Schmutzabtrag bei fotokatalytisch wirksamen Fassadenfarben ist eine hydrophile Oberfläche Voraussetzung. In der Vergangenheit sei dagegen immer auf Hydrophobie (Wasserabweisung) gesetzt worden, so Dr. Engin Bagda von Caparol. Bekanntestes Beispiel: der Lotus-Effekt. Auf den Farben, die auf diesem Effekt beruhen, könnten zwar große Schmutzpartikel abgewaschen werden, das Problem, so Bagda, sei jedoch der feine Schmutz, der dadurch nicht beseitigt werden könne. Daneben sei eine hohe Hydrophobie häufig mit einer starken Klebrigkeit der Oberfläche verbunden, was zum Verschmutzen der Farben führe. Statt auf Wasserabweisung zu setzen, sei man heute der Meinung, dass der fotokatalytisch zersetzte Schmutz unterwandert werden müsse, und hierfür sei nun einmal eine hydrophile Oberfläche nötig. Bester Beweis für den Zusammenhang zwischen geringer Verschmutzungsneigung und Hydrophilie sei die Silikatfarbe. Sie verschmutze im Vergleich zu anderen Anstrichstoffen deutlich weniger. Dennoch ließen sich, das betonte Bagda, auch mit hydrophoben Farben gute Ergebnisse erzielen, allerdings müsse dann die gesamte Rezeptur „stimmen“. Eine hohe Hydrophobie alleine sei nicht ausreichend.
Wie kleinste Silberpartikel in Anstrichstoffen Mikroorganismen abtöten können, darüber berichtete Dr. Carsten Becker-Willinger vom Institut für neue Materialien in Saarbrücken.
Dr. Jörg Leuninger von BASF präsentierte zum Schluss der Veranstaltung den Bindemitteltyp der Zukunft: die wässrige Nanokompositdispersion. Die Oberflächen von Nanokompositfilmen seien hydrophil, hart und, selbst bei hohen Temperaturen, nicht klebrig – allesamt Voraussetzungen für eine gute Anschmutzungsresistenz. Die Kreidung der Anstriche verhalte sich dagegen wie bei einer Reinacrylatfarbe, sei also gering. Man müsse daher nicht von einer verstärkten Kreidung als Ursache der guten Anschmutzungsresistenz ausgehen. Die neue Technologie erlaube es, zukünftig Fassadenfarben mit hoher Anschmutzungsarmut, Kreidungsresistenz, Rissfreiheit und Farbtonstabilität herzustellen, schloss Leuninger – und bestärkte die Anwesenden damit in der Hoffnung, dass die „saubere Fassade“ vielleicht doch irgendwann Realität werden könnte.
Susanne Sachsenmaier-Wahl
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