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Vom Grobklotz zur Feinkost

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Vom Grobklotz zur Feinkost

Gebäude aus Betonfertigteilen sind verzichtbar? Der Wind hat sich gedreht: In ganz Deutschland lässt sich das zweite Leben der Platte besichtigen. Platten- bauten sind optisch und städtebaulich attraktiver als zuvor – und locken Bewohner heute mit bezahlbarem Wohnraum und oft schönen Aussichtslagen. Für das neue ansprechende Gesicht der Gebäude spielt die Fassadengestaltung die Schlüsselrolle. Mit eigenen Regeln und viel Spielraum für Kreativität.

Marco Bock

Bei Plattenbauten, ob in Großsiedlungen oder kleineren Quartieren, hat man es mit richtig viel Masse zu tun. Und das nicht nur, was das jeweilige Bauvolumen anbelangt. Während des Baubooms ab den 1950er-Jahren wurde im Westen und vor allem im Osten Deutschlands mit Wohnanlagen aus Betonfertigteilen günstig und schnell beachtlich viel Wohnraum geschaffen. 1990 lebte im Westen jeder sechzigste und im Osten sogar jeder dritte Bürger in einem Plattenbau. Im Osten waren das rund 5,3 Millionen Menschen, im Westen über eine Million. Bis 2010 wurden in den neuen Bundesländern 350.000 Plattenbauwohnungen abgerissen. Doch der Löwenanteil (allein zwischen 1973 und 1990 wurden in der DDR rund zwei Millionen Platte-Wohneinheiten gebaut) steht bis heute. Und darüber sind nicht nur die Bewahrer des architektonischen Erbes, sondern neuerdings auch Investoren und Mieter sehr froh. Dieser bezahlbare Wohnraum an der Peripherie von Ballungsräumen wird angesichts von steigenden Mieten und Immobilienpreisen bei Familien aus dem Mittelstand genauso wie bei jungen Leuten und Senioren immer beliebter. Entsprechend gefragt sind Konzepte, die aus den visuell reizlosen Originalen anziehende Gebäude machen und insgesamt ein attraktives Umfeld zum Wohnen und Leben schaffen. In den Brillux Farbstudios in Berlin und Leipzig kennt man die Herausforderungen seit Jahren im Detail. Die Farbdesignerinnen Martina Machava (Farbstudio Berlin) und Barbara Meisezahl (Farbstudio Leipzig) geben Einblicke, wie eine Modernisierung gelingen kann – im Doppel aus architektonischem Umbau und Farbgestaltung, allein durch architekturbezogene Farbgestaltung oder mit künstlerischen Lösungen.
Umbau plus Farbgestaltung
Die Gleichförmigkeit der ursprünglichen Plattenbaufassaden, zusammen mit der trüben Farbe der Betonbauteile, macht ihre monotone, triste Ausstrahlung aus. Jedes neue Gestaltungskonzept wird daher danach streben, diese eintönige Langeweile aufzubrechen. „In Gebieten mit Bevölkerungsrückgang und hohem Leerstand wird die Möglichkeit genutzt, durch Rückbau und Umbau den Gebäudekorpus reizvoller und moderner zu gestalten“, weiß Farbdesignerin Martina Machava. Diese architektonischen Eingriffe sind mit entsprechend hohen Kosten verbunden und daher nicht die Regel. Doch wo sie stattfinden, unterstützt eine durchdachte Fassadengestaltung die neue Rhythmisierung der Sichtflächen.
Pure Farbgestaltung
Wo kein Geld für eine architektonische Umgestaltung vorhanden ist oder das Objekt vollvermietet ist, kann Farbe an der Platte ihr ganzes Potenzial entfalten, um den groben Gebäudeeindruck zu mildern. Bei Plattenbauten gilt wie bei allen anderen Fassadengestaltungen: Die Gliederung sollte der Gebäudestruktur folgen und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten nutzen. Diese sind bei näherer Analyse immer zahlreich. Elemente wie Balkone, vorgesetzte Fahrstuhlschächte, Eingangstüren und Vordächer bieten sich dafür an, farbige Akzente zu setzen. „Das ist nicht nur ästhetisch, sondern dient auch der Orientierung“, betont Farbdesignerin Barbara Meisezahl. Bei Fenstern als Bezugspunkt für das Farbkonzept weist sie auf wichtige Unterschiede bei der Plattenbaugestaltung hin. „Der reizlose Rhythmus der Fensterbänder darf nicht noch durch das Absetzen von Faschen betont werden. Dagegen können einzelne, unregelmäßig verteilte und sogar asymmetrisch gestaltete Faschen eine interessante Gestaltungsidee darstellen.“ Soll die Fassadenfläche horizontal oder vertikal farbig gegliedert werden, gibt es ein weiteres Detail zu beachten. Weil die Platten und die in ihnen verbauten Elemente nicht immer exakt montiert wurden, sollten die farbigen Begrenzungslinien der Farbflächen nicht genau den Fugen, dem Fenstersturz oder der Sohlbank folgen.
Lösungen in Farbe
Malerisch betrachtet, gleicht eine Plattenbaufassade – auch – einer riesigen Leinwand. Kein verantwortlicher Farbgestalter wird jedoch versuchen, die Gebäudeform eines Plattenbaus optisch völlig aufzulösen oder ihn mit formal fremden, verspielten Details zu überfrachten. „Der Versuch, einen Plattenbau in eine Jugendstilvilla zu verwandeln, geht gewöhnlich schief und nimmt dem Gebäude nur seine Würde“, schmunzelt Martina Machava. Es gibt sehr gelungene Beispiele von sowohl künstlerisch als auch handwerklich ausgefeilten Gestaltungen, bei denen die Fassade zum Träger eines Kunstwerkes wird, wie die beiden folgenden Arbeiten zeigen.
Jeder Bau – ein Unikat
Barbara Meisezahl und Martina Machava sind sich einig: „Für die Gestaltung von Plattenbauten gibt es niemals ein allgemein gültiges, immer passendes Rezept.“ Aus den Gegebenheiten des Baukörpers, seines Umfelds und den Wünschen der Bauherren ergäben sich jedoch stets „reizvolle und anspruchsvolle Aufgaben mit viel Raum für Kreativität“. Die beiden Farbdesignerinnen unterstützen Maler und Planer dabei, die Identität der Wohnblöcke herauszuarbeiten und so die Immobilie als Ganzes aufzuwerten. Damit Wohnen im Plattenbau nicht nur bezahlbar bleibt, sondern auch inspirierend wird.

Praxisplus

Mehr Gestaltungsbeispiele von Plattenbauten finden Sie im Internet.
Kontakt zu den Brillux Farbstudios:
Marco Bock, Projektmanager Brillux Farbstudios
Tel.: (0251) 7188-766
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