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Wohngesundes Büro

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Wohngesundes Büro

In Herzogenaurach entstand ein Bürohaus, das konsequent mit umweltfreundlichen und regenerativen Baustoffen gebaut wurde. Dabei kamen ausschließlich Baustoffe zum Einsatz, die vorher auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft wurden. Der Innenausbau wurde mit einer speziellen Gipsfaserplatte ausgeführt, die über eine besondere, beidseitige Beschichtung Schadstoffe aus der Raumluft aufnimmt und dauerhaft in unschädliche Stoffe umwandelt.

Rita Jacobs

Seit Jahren beobachten Umweltmediziner besonders bei Menschen, die in Büroräumen arbeiten, dass sich diese nach längerem Aufenthalt am Arbeitsplatz krank fühlen. Die Beschwerden sind unspezifisch – die Patienten klagen u.a. über Kopfschmerzen, tränende Augen, gereizte Schleimhäute und Müdigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten – und verschwinden häufig wieder, sobald sich die Betroffenen nicht mehr in den Büroräumen oder in dem Gebäude aufhalten. In den USA hat sich mittlerweile für dieses Phänomen der Begriff „Sick-Building-Syndrom” (SBS) durchgesetzt. Als Auslöser wird eine erhöhte Schadstoffkonzentration am Arbeitsplatz vermutet. Grund für Herbert Bucher und Petra Hüttinger, Geschäftsführer des Architekturbüros passivhaus-eco in Herzogenaurach, beim Neubau ihres im Passivhausstandard geplanten Bürogebäudes neben dem Schwerpunkt Energieeffizienz das Thema Wohngesundheit besonders in den Vordergrund zu stellen.
Strenge Vorgaben
Maßgeblich für ihre Planung waren die strengen wohngesundheitlichen Vorgaben des Sentinel Haus Instituts (SHI), das für den Hausbau klar definierte und überprüfbare Regeln entwickelt hat und so vor unerwünschten Schadstoffen schützt. Demnach werden sämtliche für die Raumluft relevanten Baustoffe – unabhängig von ihrem ökologischen Image – vor der Verarbeitung auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit hin untersucht. Der Check bezieht sich auf ihre Zusammensetzung und auf mögliche gesundheitsschädliche Emissionen. Sind bei dem Einsatz eines Baustoffes gesundheitliche Schäden nicht auszuschließen, werden gleichwertige, aber emissionsarme Alternativen empfohlen. Die Einhaltung des Konzeptes wird betreut und überwacht von Experten des Sentinel Haus Instituts. Nach Fertigstellung des Gebäudes bestätigen Raumluftmessungen durch einen unabhängigen Sachverständigen die erfolgreiche Beachtung der strengen Kriterien.
Planerische Herausforderung
Entstanden ist ein ebenerdiges, asymmetrisch angelegtes Haus, das unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bietet. Im konkreten Fall ist die Einrichtung eines Büros geplant, es kann jedoch auch für Wohnzwecke ausgebaut werden. „Wegen des Ein-Raum-Konzeptes“, erklärt Planer Bucher, „ist es am besten für Singles oder Paare geeignet.“ Der große, helle, barrierefrei ausgestattete Innenraum gibt den Blick ins Dach frei. Er wird unterteilt durch zwei trapezförmige Einbauten für Bad und Technikraum. Speziell entworfene Möbel ergänzen die klare und kantige Formensprache des Baukörpers.
Für die Planung war in verschiedener Hinsicht besonderes Können gefragt. Dem Architekten ist damit die ökologisch und ökonomisch sinnvolle Nachverdichtung eines am Stadtrand von Herzogenaurach gelegenen Grundstücks gelungen, dessen Funktion so für Geschäftszwecke erweitert werden konnte.
Eine besondere Herausforderung war vor allem das kleine Volumen des Gebäudes mit gleichzeitig ungünstigem A/V-Verhältnis (das Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis ist der Quotient aus der Oberfläche A und dem Volumen V eines geometrischen Körpers), das auf die spezifischen Gegebenheiten des nur rund 650 m² großen Grundstücks sowie auf die Vorgaben des Bebauungsplanes zurückzuführen ist. „Bei Gebäuden unter 100 m²“, erklärt Herbert Bucher, „ist es kaum möglich, den Passivhausstandard zu erfüllen.“ Die Realisierung gelang mit einer sorgfältig ausgeführten, luftdichten Gebäudehülle, deren Qualität bei Luftdichtheitsmessungen mit Werten von n50 = 0,05/h bestätigt wurde. Zum Vergleich: Der für ein Passivhaus geforderte Wert liegt bei n50 = 0,60/h. Gleichzeitig verfügen alle Außenbauteile über einen sehr guten Wärmeschutz mit U-Werten von unter 0,1 W/(m²K).
Energetisches Konzept
Hinzu kommt ein energetisches Konzept, das weitgehend auf erneuerbaren Energien basiert. Ein Passivhauskompaktgerät mit Wärmepumpe und Lüftungsanlage mit passiver Wärmerückgewinnung sorgt für frische Luft und liefert gleichzeitig die benötigte Energie für Heizung und Warmwasser. Geheizt wird über eine Flächenheizung im Fußboden. Stromeffiziente Elektrogeräte und die ausschließliche Beleuchtung mit energiesparenden LED-Lampen, die bei Bedarf farbliche Akzente setzen, reduzieren den Energieverbrauch. Der verbrauchte Strom stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien: Auf dem Dach eines bereits früher auf dem Grundstück erstellten Gebäudes konnte eine optimal nach Süden ausgerichtete Photovoltaikanlage mit einer jährlichen Leistung von ca. 8.300 kWh installiert werden. Dem steht ein Verbrauch von rund 2.186 kWh gegenüber, der das Passivhaus gleichzeitig als Plusenergiehaus ausweist. Eine nachhaltige Entwässerungstechnik mit Regenwasserzisterne und sickerfähig ausgeführte Wege runden das ökologische Konzept ab.
Gebäudehülle
Zum energetischen Konzept passt der konsequente Einsatz von umweltfreundlichen und regenerativen Baustoffen. Die Bodenplatte wurde mit Glasschaumschotter aus Recyclingglas gedämmt. Wand- und Dachkonstruktion bestehen aus großformatigen massiven Brettsperrholzelementen. Sie wurden komplett im Werk vorgefertigt und vor Ort montiert. So konnte die Bauzeit deutlich verkürzt werden. Das hier eingesetzte Holz stammt ebenso wie die Hölzer für die selbst entworfenen Möbel und die Eichendielen des Fußbodens aus einer nachhaltigen Forstwirtschaft mit FSC- und PEFC-Siegel. Alle übrigen eingesetzten Baustoffe sind vom Sentinel Haus Institut empfohlen oder wurden von natureplus bzw. vom UL eco-Institut zertifiziert.
Die Dämmung der Gebäudehülle erfolgte mit Zellulose bzw. Holzweichfaserplatten. Sowohl Fassade als auch das Dach wurden komplett mit einer hinterlüfteten Konstruktion aus Steckgitterelementen aus changierendem, rostrotem Cortenstahl bekleidet.
Im Inneren wurden Wände- und Decken mit einer speziellen Gipsfaserplatte von Fermacell in zehn Millimeter Dicke beplankt. Die Platten wurden wirtschaftlich mit Klammern direkt in der Wandkonstruktion aus Brettsperrholzelementen befestigt.
Wohngesundheit
„Wohngesundheit,“ erklärt Herbert Bucher, der bei diesem Objekt nicht nur Planer, sondern auch Bauherr ist, „ist für uns ein wichtiges Thema. Deshalb haben wir uns für diesen Wandaufbau entschieden. Er gewährleistet nach unserer Einschätzung ein Minimum an schädlichen Emissionen.“ Das Holz der Wandkonstruktion stamme aus nachhaltiger Forstwirtschaft mit FSC- und PEFC-Siegel. „Und auch die Gipsfaser-Platten sind von Natur aus emissionsarm“, stellt Bucher fest, „da sie in einem umweltfreundlichen Verfahren ausschließlich auf der Basis von natürlichen Materialien (recyceltes Papier, Gips und Wasser, Anmerkung der Redaktion) hergestellt werden.“ Diese Umweltverträglichkeit der eingesetzten Gipsfaser-Platten wird vom Kölner UL eco-Institut bestätigt.
„Fermacell ist aufgrund der baubiologisch unbedenklichen Produkte Partner des Sentinel Haus Instituts“, weiß Bucher, selbst Premium-Partner von SHI, „insofern hätten wir das Objekt auch mit herkömmlichen Gipsfaser-Platten von Fermacell bauen können.“ Er habe sich jedoch bewusst für den Einsatz einer Innovation von Fermacell entschieden, da der Hersteller damit die ökologischen Qualitäten seiner Produkte konsequent weiterentwickelt habe.
Die Neuentwicklung des Duisburger Herstellers von Gipsfaser-Platten bindet über eine spezielle, beidseitige Beschichtung mit einem natürlichen Wirkstoff, der auch in Schafwolle vorkommt, Schadstoffe aus der Raumluft. Der Wirkstoff ist dauerhaft aktiv, auch unter Endbeschichtungen wie Anstrichen, Tapeten und Teppichen. Hierbei gilt: Je höher die Diffusionsoffenheit des Oberbelags ist, umso schneller die Wirkung.
Der Wirkmechanismus wurde vor der Markteinführung im Rahmen von umfangreichen Testserien u.a. durch das unabhängige UL eco-Institut in Köln geprüft und bestätigt. Messungen bei aktuellen Bauvorhaben, die in regelmäßigen Abständen und unter gleichen Bedingungen durchgeführt wurden, zeigten ebenfalls, dass nach Abschluss der Trockenbauarbeiten mit der neuen Gipsfaser-Platte die Schadstoff-Werte aus der Raumluft kontinuierlich sinken.
Wirkmechanismus der Platte
Verantwortlich für diesen Effekt ist ein spezifisches Molekulargemisch auf Keratinbasis, das in Form einer beidseitigen Grundierung der Gipsfaser-Platten Anwendung findet und ideal darauf abgestimmt ist. „Keratin,“ so Frank Bode, der als Produktmanager entscheidend an der Entwicklung der innovativen Gipsfaser-Platte beteiligt war, „ist ein wichtiger Bestandteil der Schafwolle. Aus langjährigen Erfahrungen mit Schafwoll-Produkten im Baubereich wissen wir von der positiven und lang anhaltenden Wirkung.“
Das Wirkprinzip ist sehr einfach: Im ersten Schritt lagern sich Schadstoffmoleküle wie Aldehyde und Ketone an der Oberfläche lose an (Physisorption, reversibel), um dann – auch durch Oberbeläge hindurch – in tiefere Schichten einzudringen (Diffusion), wo sie dauerhaft chemisch gebunden und umgewandelt werden (Chemisorption, irreversibel), sodass sie anschließend nicht wieder an die Raumluft abgegeben werden können. Da die Schadstoffe dauerhaft abgebaut werden, sind die Gipsfaser-Platten im Rahmen der Durchführung späterer Umbaumaßnahmen als absolut unbedenklicher Baustoff zu betrachten.
Hinzu kommt, dass die neue Platte aufgrund der Faserarmierung die gleiche hohe mechanische Beanspruchbarkeit bietet, wie herkömmliche Gipsfaser-Platten. Als Gipsbaustoff sorgt sie außerdem für ein angenehmes Raumklima.
Einfache Verarbeitung
Die Verarbeitung der neuen Platte verlief wie gewohnt: Die Platten konnten wie herkömmliche Gipsfaser-Platten ohne Spezialwerkzeuge durch Ritzen, Brechen, Sägen, Fräsen oder Bohren bearbeitet werden und wurden in diesem Fall direkt auf der Wandkonstruktion befestigt – üblich ist eine Unterkonstruktion aus Holz oder Metall. Für die Fugen kam ein zum System gehörender Fugenkleber zum Einsatz. Der Kleber ist kennzeichnungsfrei.
Eine Raumluftprüfung, die nach Fertigstellung des Bauvorhabens vorgenommen und von einem unabhängigen Prüflabor ausgewertet wurde, bestätigte am Ende die hohe Qualität der Innenraumluft. Dabei wurden alle vom Sentinel Haus Institut und vom Bundesgesundheitsamt geforderten Grenzwerte für chemische Schadstoffe wie Aldehyde, Formaldehyd, VOCs und SVOCs (flüchtige und mittel- bis schwerflüchtige organische Verbindungen) deutlich unterschritten. Gemessen wurde ein Wert vom 250 μg/m³. Zum Vergleich: Die geforderten Richtwerte für die Summe aller flüchtigen organischen Verbindungen (TVOC) beträgt 1.000 μg/m3.
Sensible Bauausführung
Aber nicht nur auf die Auswahl geeigneter Baustoffe kam es beim Bau des wohngesunden Bürogebäudes an. Wichtig war auch eine besonders sensible Bauausführung. So wurden sämtliche Handwerker vor Montagebeginn über die Anforderungen des Sentinel Konzepts informiert. Sie mussten für die Dauer der Bauzeit die strengen Vorgaben einhalten. Dabei wurde etwa darauf geachtet, dass alle Arbeiten, die die Luft verunreinigen können, draußen erledigt wurden. Auf den Einsatz einer Motorsäge wurde beispielsweise verzichtet. Innerhalb des Gebäudes wurde weder geflext noch geschweißt oder gelötet. Die Lagerung von Paletten oder Verpackungsmaterial war im Gebäude ebenso verboten wie das Rauchen.
Eine regelmäßige Baubetreuung durch das SHI stellt die Einhaltung der Vorschriften sicher. Im Ergebnis konnte so ein gesundheitsorientierter Bauprozess und der ausschließliche Einsatz von Bauteilen und Baustoffen, bei denen der Schadstoffeintrag auf ein Minimum reduziert ist, gewährleistet werden.

praxisplus
Bautafel:
  • Objekt: Wohngesundes Passivhaus
  • Investor/Bauherr:passivhaus-eco Architekturbüro + Ökologisches, Wohngesundes Bauen
  • Planung: Herbert Bucher, Petra Hüttinger, passivhaus-eco Architekturbüro + Ökologisches, Wohngesundes Bauen
  • Wohngesundheitskonzept:Sentinel Haus Institut (SHI)
  • Technische Beratung: Fermacell GmbH
  • Eingesetztes Produkt: Fermacell green-line Gipsfaser-Platten, Fermacell green-line Fugenkleber
fermacell.desentinel-haus.eu
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