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Architektur und Farbplanung

Aus- & Weiterbildung
Architektur und Farbplanung

Teil 5: In manchen Städten oder Gemeinden werden Regeln für die Verwendung von Farben im Stadtbild aufgestellt. Diese sogenannte Farbleitplanung bietet hier die Grundlage für die Fassadengestaltung.

Prof. Matthias Gröne, HS Esslingen

Wenn eine Farbleitplanung in der Gestaltungssatzung einer Stadt oder Gemeinde verankert ist, stellt sich die Frage nach der Anwendung und dem Umgang mit diesen Gesetzmäßigkeiten. Neben der Form von Gebäuden oder Gebäudedetails geben die jeweiligen Materialien unseren Städten ihr ortstypisches Aussehen. Je nach der Entstehungsgeschichte einer Großstadt, einer Kleinstadt oder eines Dorfes haben sich bestimmte Gebäudetypen, Dachformen und Fassadengestaltungen herausgebildet. Auch konstruktive Details wie z. B. der Fachwerkbau sind regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ebenso spielen Materialien, je nach örtlicher Einbindung, bei der Gestaltung von Gebäuden eine wesentliche Rolle. Die von den Städten und Gemeinden ausgegebenen Gestaltungssatzungen zielen im Wesentlichen auf diese beiden Dimensionen der Gestaltung ab.
Die Zunahme einfacher Putzbauten seit Beginn des letzten Jahrhunderts, seien es die Bauten der Dreißiger-, Fünfziger- und vor allem der Nachkriegssechziger- und Siebziger-Jahre, haben unseren Städten ein eher tristes, vornehmlich weiß und grau gestaltetes Aussehen verliehen. Durch die neuen technischen Möglichkeiten, Putze einzufärben oder licht- und wetterresistentere Farben herzustellen und dann auch anzuwenden, hat die Farbe ihren Einzug in die Architektur gehalten. War es bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht möglich, gesättigte Farbtöne an eine Fassade zu bringen, hat sich das mit der Weiterentwicklung in der Farb- und Lacktechnologie verändert. Heute kann man Hellbezugswerte von 25 Prozent an der Fassade nahezu problemlos erreichen – es stellt sich hier nur die Frage nach dem für die Architektur angemessenen Einsatz von Farbigkeit. Ein Haus ist nicht gleichzusetzen mit einem Fahrzeug oder einem Designprodukt. Da auch durch die Anwendung von Farbe gestalterische Fehler im Stadtbild vorkommen können, haben die Städte und Gemeinden die Farbthematik in ihre Gestaltungssatzungen mitaufgenommen. Das wird entweder nur in ein oder zwei Sätzen abgehandelt oder, wie z. B. bei der Stadt Siegen, bis ins Detail – sprich bis zu den Farbnuancierungen hin – genau beleuchtet. Hier werden Regeln für die Verwendung von Farben im Stadtbild aufgestellt, die es dem Anwender erleichtern, ein Farbkonzept für bestimmte Projekte zu entwickeln.
Da eine Farbleitplanung Bestandteil einer vorliegenden Gestaltungssatzung ist, beziehen sich die örtlichen Bauvorschriften auf bestimmte, ausgewiesene Bereiche einer Stadt. Diese Bereiche werden parzellenscharf abgegrenzt mit Angabe der Hausnummern der betreffenden Objekte. Pläne mit den zugehörigen Geltungsbereichen können bei der jeweiligen Stadtplanungsbehörde eingesehen werden.
Eine völlig andere Idee entwickelte sich in der Stadt Neustadt im Schwarzwald. Hier entstand die Idee, ein Farbkonzept für die Innenstadt nicht als Vorschrift von den Behörden, sondern aus dem Willen und dem Wunsch der Bevölkerung heraus selbst zu entwickeln. Zusammen mit einem Farbstudio wurde das Farbkonzept „Hello Yellow“ entwickelt, und engagierte Bürger machten sich für die Anwendung und Einhaltung bestimmter farblicher Vorgaben stark.
Eine Grundaussage, die in einem Farbleitplan steckt, ist, Fassaden nach drei Kriterien zu betrachten. Eine Fassade zeigt in der Regel erstens den eigentlichen Fassadenfarbton auf Putz-, Holz- oder anderen Materialuntergründen. Dieser ist der farbgebende Faktor, welcher das Aussehen des Einzelgebäudes bzw. der Häuserzeile in einem gewachsenen Stadtbild bestimmt. Hinzu kommt zweitens die sogenannte Akzentfarbe, welche gerne im Kontrast zur Fassadenfarbe gesetzt wird und zum Dritten sollte man immer eine Neutralfarbe der Komposition zuordnen, um dem Auge im Kontrast zur Farbe etwas Ruhe zu gönnen und der Farbe ein anderes Gewicht zu verleihen.
Fassadenfarben: Als Grundfarbe bezeichnen wir die eigentliche Fassadenfarbe des Objektes. Die Grundfarbe definiert sich durch das jeweilige ortstypische Material wie z. B. Putz, Metall, Holz, Glas oder Naturstein. Der Löwenanteil unserer Fassaden in Deutschland wird hauptsächlich durch verschiedenste Putzmaterialien bestimmt. Hierbei nimmt die Grundfarbe den größten Teil der Fassadenfläche ein und beherrscht den Hauptfarbeindruck der Fassade. Bei der Verwendung mehrerer Materialien kann man auch von zwei oder mehreren Grundfarbtönen sprechen. Fassadenfarbtöne finden sich in der Regel im weniger gesättigten Farbtonbereich, die einfache Anwendungsregel: „Je kleiner (die Fläche), desto reiner“ (darf der Farbton sein), sollte hierbei immer beachtet werden. Farbtoncodierungen nimmt man aus den gängigen Farbordnungssystemen wie dem NCS, dem RAL Design oder dem ACC-System, das bleibt dem Gestalter überlassen. Auch die Fassaden-Farbtonkarten von Farbenherstellern eignen sich für diesen Zweck.
Akzentfarben: Mit diesen in der Regel etwas kräftigeren Farbtönen können bestimmte Bauteile und Fassadenelemente besonders betont und herausgehoben werden. Beispiele hierfür sind die Hervorhebung von Türen oder Fenstern und Fensterrahmen, Sprossen, Putzfaschen, Brüstungselementen, Lisenen, Fensterläden oder Erkern. Die Akzentfarbe setzt sich vornehmlich kontrastreich zu den gegebenen Grundfarben ab. So arbeiten beispielsweise die meisten Fenster- und Türenhersteller bei den Farbangaben heute mit dem RAL-K5-Fächer, der in diesem Bereich hauptsächlich seine Anwendung findet.
Bei den Kontrasten können uns der Kalt-Warmkontrast, der Hell–Dunkel-Kontrast und der Qualitätskontrast nach Johannes Itten immer wieder Hilfestellung leisten.
Neutralfarben: Sockelbereiche oder Treppenauf- und Treppenabgänge werden gerne in neutralen Grautönen oder Tertiärfarbtönen abgesetzt. Tertiärfarbtöne enthalten Anteile aller drei Grundfarben, haben immer einen erdigen Charakter und wirken so besänftigend und ausgleichend auf das menschliche Auge. Diese Farbtöne sind an der Fassade unverzichtbar, denn eine Farbe wirkt erst durch ihre Umgebungsfarbe – und ein Neutralton lässt einen Farbton besonders wirkungsvoll erscheinen. Die Neutralfarbe bleibt im Hintergrund, lässt die anderen Farben wirken, sie ist unempfindlicher gegenüber Verschmutzungen und Umwelteinflüssen. In letzter Zeit erfährt die Neutralfarbe teilweise auch einen weiteren besonderen Stellenwert: Ganze Fassaden werden – aus modischen Gründen? – in verschieden nuancierten Grautönen gefasst. Außerdem nimmt Weiß als Fassadenton noch immer die erste Stelle bei der Farbgestaltung ein, denn viele Hausbesitzer halten es mit der Devise: „Lieber Weiß, als Farbe falsch“.

praxisplus
Eine vorbildliche Gestaltungssatzung mit einem Farbleitplan hat die Stadt Siegen für ihre Bürger veröffentlicht. Unter folgender Adresse kann sie im Internet eingesehen werden:
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