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Der Tradition verpflichtet

Aus- & Weiterbildung
Der Tradition verpflichtet

Die Entwicklung vom Wandbehang zur Tapete ist eng mit England verbunden. Heute besinnt man sich dort auf traditionelle Muster und Verfahren.

Susanne Wierse

Um der kahlen Wand ein Schnippchen zu schlagen und um ein wohnliches Umfeld zu erhalten, entstand die Idee des Wandbehangs aus Textil, Leder oder anderen Naturstoffen. Diese Wandbehänge dienten in ihrem Ursprung nicht nur zur Dekoration, sondern auch zur Abgrenzung einzelner Gemächer und in kühleren Regionen als Schutz vor kalten Wänden. Im Orient hatte sich die Kunst der Bildweberei und Stickerei früh zu hoher Perfektion entwickelt, und die Araber brachten die Kunst nach Europa. Die orientalischen Gewebe wurden in Frankreich und Italien in Seide nachgeahmt und galten als kostbarer Besitz. Ebenfalls aus dem Orient fand im 11. Jahrhundert die Ledertapete ihren Weg nach Europa. Die Mauren fertigten sie aus Schaf- und Ziegenleder junger Tiere.
Ein Wechsel vom Wandbehang zur Wandbespannung begann gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Italien. Mit Motiv gewebte Stoffbahnen wurden zusammengenäht und mit einem Holzrahmen fest an der Wand befestigt.
Die ersten Nachweise von Papiertapeten finden sich in England. Bei Restaurierungsarbeiten wurde am Christ’s College in Cambridge Holzschnittpapier gefunden. Es zeigt das um 1500 gerne verwendete Granatapfelmuster und hatte auf der Rückseite einen Text aus dem Jahre 1509.
Insgesamt haben die Länder England und Frankreich einen großen Anteil an der Geschichte der Tapete. Im wechselseitigen Austausch und Imitation von Produktionsideen entwickelten die beiden Länder eine Vorreiterrolle. Die Zeitmarke 1680 steht für den Aufschwung des bemusterten Papiers als Wandtapete. In England erzielte man eine so gute Qualität, dass sie zum Exportschlager wurde. Die sogenannten „paper-hangings“ bestanden aus einzelnen Papierbögen, die im ersten Schritt zu einer Bahn zusammengeklebt und dann wiederum auf eine Stoffbahn verklebt wurden, um eine gewisse Stabilität zu erhalten. Die „Tapeten-Behänge“ konnten mit hölzernen Rahmen vor die Wand montiertet werden. Eine Geschäftsanzeige des Papierwarenherstellers und -händlers G. Minnikin mit der ältesten bekannten Produktbezeichnung „paper-hanging“ stammt von ca. 1680 und befindet sich im British Museum in London – einem der größten und bedeutendsten kulturgeschichtlichen Museen der Welt.
Die so einfache wie geniale Erfindung vom Ende des 17. Jahrhunderts in England, Papierbögen aneinander zu kleben und anschließend zu bedrucken, eröffnete eine enorme Vereinfachung in der Musterverteilung, ohne die der Aufschwung der Papiertapete nicht denkbar gewesen wäre. Mit der Integration der Erfindung des französischen Papiermachers Nicolas-Louis Robert, der 1799 patentierten „Maschine um Papier von sehr großer Ausdehnung zu machen“, kam der Siegeszug der Tapete auch in den bürgerlichen Biedermeier.
Hersteller
Eine der englischen Firmen, die sich den alten Traditionen verpflichtet fühlt, ist Farrow & Ball. Sämtliche Tapeten werden nach Maß in einer Fabrik in Dorset gefertigt, die seit sechzig Jahren das Zuhause von Farrow & Ball ist. Die Tapeten erlangen ihre Güte durch die Verwendung der vom Hersteller eigens hergestellten, umweltfreundlichen, wasserbasierten Farben und die traditionellen Herstellungsverfahren. So werden die Strukturtapeten mittels Blockdruck hergestellt, während die Streifen und gestrichenen Tapeten den Druck per Farbbad erhalten. Jedes Tapetendesign verfügt über eine unverkennbare Struktur. Die Grundfarbe wird dazu manuell durch Streichen mit dem Pinsel aufgebracht. Dies, zusammen mit dem Druck des Musters oder des Streifens in einer weiteren Farbschicht, lässt charakteristische, wunderschöne Tapeten entstehen.
Zum Abschluss werden die Tapeten mit einer speziellen Glasur beschichtet, die das Aussehen nicht verändert, die Oberfläche haltbarer macht und eine leichtere Reinigung ermöglicht.
Viele der Tapetenmuster sind historisch begründet, sorgfältig erforscht und spiegeln eine einzigartige Historie wider. So rekonstruiert das Design „Silvergate“ eine englische Damasttapete des frühen 19. Jahrhunderts, die ursprünglich bei Silvergate in Norfolk gedruckt wurde und heute von Farrow & Ball mit Hilfe von neu geschnittenen Blöcken hergestellt wird. Für „Ringwold“ bildet ein Seidenmuster aus dem frühen 18. Jahrhundert die Grundlage. „Rosslyn Papers“ ist die Reproduktion eines englischen Baumwolldrucks aus dem 19. Jahrhundert mit botanischem Hintergrund. Besonders augenfällig ist „Bumble Bee“, ein Muster, das im Schlafzimmer von Josefine Bonaparte als Seidenstoff vorgefunden wurde. Erhältlich in verschiedenen Farbrichtungen erfreut sich dieses Design auch heute großer Beliebtheit und verbindet ein traditionelles Muster mit modernen Farben.

Praxisplus

Umfangreiche Informationen zum Thema Tapetengeschichte enthält die
Dissertation von Hildegard Hutzenlaub, Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt am Main.
Weiter Einblicke gibt das Deutsche Tapetenmuseum und entsprechende Kollektionen finden sich bei den Herstellern.
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