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Fassaden-Farben-Forschung

Aus- & Weiterbildung
Fassaden-Farben-Forschung

Die von Ulrich Seiss organisierte Vortragsreihe „Fassaden Farben Forschung” an der Uni in Wuppertal beschäftigte sich mit der historischen Farbigkeit.

Die Referentin Dr. Christel Darmstadt begeisterte mit ihrem Vortrag die Zuhörer. Hat man diese Fassade hier passend zur Mülltonne gestrichen? Dr. Christel Darmstadt erzählte in ihrem Vortrag auch Geschichten über ein kleines bisschen Gold, fatale Irrtümer in der Fassadenrestaurierung und die Reaktionen auf zu bunte Farbbewegungen. Dieser Vortrag blieb den Zuhörern im Kopf präsent.
Zu Beginn ihres Vortrages zeigte Christel Darmstadt vier Blöcke mit jeweils drei Bildern von verschiedenen Fassaden, ohne etwas dazu zu sagen. Der erste Block vermittelte einen durchweg grauen/tristen Eindruck und die Fassaden waren durchweg mit natürlichen Materialien gestaltet. Im zweiten Block waren Häuser mit geometrischen Mustern im Anstrich zu sehen. Der dritte Block bildete historische Häuser ab, die monochrom, aber dennoch bunter im Anstrich als die im ersten Block gezeigten Fassaden waren. Schließlich im vierten Block waren Fassaden abgebildet, die mit komplett bunten und konfus wirkenden Mustern bemalt waren.
Dann stellte Christel Darmstadt die entscheidende Frage: Wer möchte worin wohnen? Einige, die sich nun für die verschiedenen Blöcke meldeten (es gab keinen Block ohne Handzeichen!) hatten häufig die Lacher der Mehrheit auf ihrer Seite. Christel Darmstadt bewies auf einfachste Art und Weise, dass Geschmäcker freilich unterschiedlich sind. Jedoch gibt es immer eine Gestaltungsweise, die meist der Mehrheit gefällt. Diese Mehrheit stimmte für Block drei ab. Anhand dieses schnellen Einschätzungstests machte Dr. Christel Darmstadt auf die Wirkung der Farbe an Fassaden aufmerksam. Sie betonte, dass Farbe durchaus anregen kann, nicht aber aufregen sollte. Eine farbliche Gestaltung im öffentlichen Raum stellt eine soziale Verantwortung in den Vordergrund und keine künstlerische Selbstdarstellung.


Die offensichtlichste Demonstration gegen die Farbbewegungen waren erstmals Graffiti an Hauswänden mit dem Text „Grau ist so schön!” oder „ Lasst uns wieder das fantastische Weiß entdecken!” Zur Verwunderung einiger berichtete Dr. Christel Darmstadt über den Irrtum vieler Denkmaluntersuchungen und die grotesken Auswirkungen. Da der Farbanstrich historischer Gebäude meist als weiß, hell- oder mittelgrau rekonstruiert wurde, ging man auch lange Zeit davon aus, dass diese Gebäude in der entsprechenden Zeit auch so (un-)farbig gestaltet waren. Damals wurde jedoch ein weißer oder grauer, sperrender Anstrich angebracht, damit zum Teil kräftig farbig darüber gestrichen werden konnte. Irrtümlicherweise wurde der unterste Anstrich für den ursprünglichsten gehalten. Es wurde somit der Voranstrich und nicht die eigentliche Farbe rekonstruiert! Man kam schließlich zu der Erkenntnis, dass viele historische Gebäude sogar in sich verschiedene Helligkeiten aufwiesen und viel farbigen Dekor besaßen.Historische Gebäude wurden zum Teil nach alten Postkartenansichten farbig restauriert, ohne zu wissen, dass die gewöhnlich schwarz-weißen Postkarten damals zu Colorations-Anstalten geschickt und von Leuten coloriert wurden, die das betreffende Gebäude nie gesehen hatten. Bei diesem Punkt war es wieder Zeit für eine Anekdote: Christel Darmstadt berichtete davon, dass ein historisches Gebäude nach Postkarten-Vorlage in Mennige gestrichen wurde und ergänzte dazu grinsend: „Mennige! Die dachten, was für Eisen gut ist, ist auch für Putz gut!”Dann erläuterte die Referentin das Prinzip der Monochromie, entwickelt von einem Schüler Wilhelm Ostwalds: Ausgehend von einem Farbton kann man geringe Mengen des Farbtons in Grau vermischen und erhält somit unzählige Nuancen „Farbiges Grau”.


Es ließe sich unschwer ein Hang zur Vergoldung kleiner Dekore historischer Gebäude erkennen, welchen sie mit einem Schmunzeln nach diversen Fotos von Objekten mit vergoldeten Verzierungen auch selbst zugab und kommentierte: „Schon durch die Verwendung von einem kleinen bisschen Gold, lässt sich eine völlig andere Wertigkeit des Gebäudes schaffen.”
Bei der Farbplanung für Fassaden lege sie selbst ihre Farbbeispiele immer an Sonnen- und Schattenseiten des zu betreffenden Bauwerkes an, um die richtige Farbe unter Beachtung der aktuellen Lichtsituationen herauszufinden. So kippe der Farbton bei normalen Lichtverhältnissen nicht ins Bläuliche, Rötliche oder Gelbliche, je nach Sonnenstand. Auch das Problem Nachbild sollte im Hinterkopf behalten werden: Erscheint einem eine Fassade farblich unangenehm gestaltet, könnte der Grund meist in zu großen Flächen mit zu kräftigen Farben liegen. Die Augen ermüdeten, ein Nachbild mit der Komplementärfarbe entsteht. Zum Beispiel ist die Komplementärfarbe von Gelb Violett. Dies verunsichert die Wahrnehmung und man kommt zu dem Schluss: „Das kann ich nicht leiden.” Leiden konnten die Zuhörer Dr. Christel Darmstadt durch ihre vergnügte Art nach dem fast zweistündigen Vortrag noch mehr als vorher. Die erfrischende Vortragsweise und die fruchtbaren Diskussionsrunden zwischen den einzelnen Themen begeisterten.
Durch die Verwendung von einem kleinen bisschen Gold lässt sich eine völlig andere Wertigkeit des Gebäudes schaffen.

Sarah Hornikel, Studentin des Fachs Farbtechnik/Raumgestaltung/ Oberflächentechniken der Uni Wuppertal
Quelle: Malerblatt 10/2012

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