Startseite » Aus- & Weiterbildung »

Architektur der Moderne

Architekturgeschichte
Gestaltung in der Moderne

Gestaltung in der Moderne
Ein Facelift hat das Hamburger Hotel Wedina erhalten: Die Fassade strahlt im leuchtenden Rot und jedes Zimmer zeigt sich in einem anderen, meist sehr kräftigen, Ton. Architekt Dirk Michel vertraute auf die ausgewogene Farbpalette polychromie architecturale von Le Corbusier. Foto: Keimfarben

Architektur der Moderne: In der Architekturgeschichte verbindet sich mit dem Begriff „Moderne“ eine grundlegende Veränderung der Formgestaltung aufgrund neuer Konstruktionsmöglichkeiten.

Autor | Skizzen: Prof. Klaus Friesch

Die in der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts aufkommende Serienfertigung von Eisen- und später Stahlprofilen verbindet sich mit der Wiederentdeckung von Beton in der Kombination zu einem geradezu revolutionären Baumaterial: dem Stahlbeton. Mit ihm eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten hinsichtlich der Formgestaltung. Gepaart mit Innovationen in der Glasherstellung und der damit verbundenen Verfügbarkeit von bezahlbaren großformatigen Flachglasscheiben entstehen um die Wende zum 20. Jahrhundert erste Bauwerke, die diese fundamentalen Veränderungen der Baukonstruktion aufgreifen und deren Auswirkungen für die äußere Erscheinung von Bauwerken zeigen.

Architektur der Moderne: Neue Grundprinzipien der Bauweise

Die Schweizer Architekten Le Corbusier und Jeanneret fassen auf Basis ihrer Bauerfahrungen mit Stahlbetonkonstruktionen 1923 in ihrem Manifest „Fünf Punkte zu einer neuen Architektur“ die Grundprinzipien dieser neuen Bauweise zusammen:

1. Pfosten: Ein Raster einzelner Stahl- oder Stahlbetonstützen ersetzt die tragenden Außen- und Innenwände klassischer Baukonstruktionen und wird zum Ausgangspunkt einer neuen Ästhetik in der Architektur.

2. Dachgärten auf Flachdächern: Das flache Dach als Dachgarten dient als Schutz der obersten Stahlbetondecke und bietet als „Nutzgarten“ und Wohnbereich im Freien einen Ersatz für die verbaute Grundfläche.

3. Freie Grundrissgestaltung: Mit dem Wegfall tragender Außenwände und Innenwände können Grundrisse frei gestaltet werden. Einzige Zwangspunkte sind vertikale Bauelemente wie die wenigen Pfosten, Kamine und Treppenhäuser.

4. Langfenster: Die nichttragenden Außenwände können mit beliebig großen Fensterelementen versehen werden. So sind durchgehende horizontale Fensterbänder ohne Unterbrechungen machbar, ebenso verglaste Außenecken.

5. Freie Fassadengestaltung: Die nun nichttragenden Fassadenflächen werden passend als Vorhangfassaden bezeichnet, denn sie werden vor die Skelettkonstruktion zwischen die einzelnen Stockwerksdecken gehängt. Schnell bilden sich Stahl-/Glas- später auch Holz-/Glaskonstruktionen heraus.

In Verbindung mit weiteren Schlagworten der Zeit und deren rigider Deutung wie „form follows function“ (Architekt Louis Sullivan) oder „less is more“ (Architekt Mies van der Rohe) entwickelt sich ein Teil der modernen Architektur hin zu einer streng sachlich-funktionalen Richtung, die bis heute praktiziert wird. In der Architekturgeschichte firmiert sie unter dem Begriff „international style“. Im Wohnungsbau setzt sich das Konzept aufgrund der recht hohen Baukosten nur begrenzt durch, im Industrie-, Gewerbe- und Bürobau wird es jedoch zum allgegenwärtigen Standard.

Neue Grundtendenzen der Farbigkeit

So vielschichtig, wie sich die moderne Architektur des 20. Jahrhunderts zeigt, so vielfältig sind auch moderne Farbkonzeptionen. So entwickelte der Architekt Le Corbusier neben der Material- und Formtheorie eine umfangreiche Farbtheorie (Polychromie architecturale), die er mit zwei selbstentworfenen Farbkollektionen eindrucksvoll an seinen Bauten umsetzt.

Prinzipiell lassen sich fünf Grundtendenzen zur Farbigkeit moderner Architektur für das 20. Jahrhundert feststellen:

1. Die Formensprache der Fassade reduziert sich auf das Notwendige. Die Plastizität mit Dachüberständen, Faschen, Gesimsen, Lisenen und Pilastern weicht den glatten Wandflächen.

2. Putzfassaden ereilt durch den Wechsel zu Stahlbeton, Glas und Metall der Eindruck veralteter und überkommener Ausdrucksformen.

3. Der Reichtum an Putzstrukturen, Putztexturen und die Vielfalt traditioneller Architekturfarbigkeit und damit auch handwerkliches Können gehen großteils verloren. Der Fokus auf kostengünstiges Bauen im Massenwohnungsbau für anonyme Mieter führt zur Präferenz der Fassaden- und Innenraumfarbe Weiß.

4. Die Reduzierung auf kubische Grundformen lässt traditionelle Bauformen und damit auch viele Elemente des konstruktiven Bautenschutzes verschwinden.

5. Die neue Formensprache stellt traditionelle Regeln der Architekturfarbgestaltung infrage.

Die Veränderungen der Architektur sind Zeichen eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Politologe Herfried Münkler sieht mit dem Ersten Weltkrieg das Ende der bürgerlichen Welt mit ihrem sichtbaren Ausdruck in der Repräsentationsarchitektur, indem sie mit der ästhetischen Annäherung an den Funktionalismus „auf die Herausstellung des Besonderen verzichtete“. So führen die eigentlich neu gewonnenen gestalterischen Freiheiten moderner Architektur in der Folge gesamtgesellschaftlicher Veränderungen in der Breite zu einer Reduzierung des Formen-, Material- und Farbenreichtums.

Foto/Skizzen: Prof. Klaus Friesch
Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de