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Gibt es Traditionen einer architekturspezifischen Farbigkeit?

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Farbe und Architektur – Gibt es Traditionen einer architekturspezifischen Farbigkeit?

Farbe und Architektur - Gibt es Traditionen einer architekturspezifischen Farbigkeit?

Teil 6: Die Farbenindustrie unterscheidet die Produktionsbereiche Baufarben, Industrielacke und Druckfarben. Eine Einteilung, die ganz elementar auf sehr unterschiedliche gestalterische Grundsätze verweist. Bauwerke sind im Vergleich zu Druckwaren, Alltagsgegenständen oder auch Fahrzeugen unsere langlebigsten Farbträger. So muss man sich mit der Frage auseinandersetzen: Gibt es Traditionen einer architekturspezifischen Farbigkeit?

Autor | Skizze: Prof. Klaus Friesch

Wie bereits erörtert, steht bei einem Bauwerk die Farbigkeit zum einen im Zusammenhang mit den Gestaltungsmitteln Form, Material und Licht. Zum anderen steht Farbe im Kontext von Raum und Zeit. Orte und Städte blicken auf teils tausendjährige Entwicklungen zurück, etliche Bauwerke werden seit Jahrhunderten genutzt.

So gibt es regionaltypische Traditionen der Formentwicklung und Baumaterialien, die sich mit den ästhetischen Vorstellungen der verschiedenen Stil-/Bauepochen überschneiden. Sie führen auch zu typischen Farberscheinungen ländlicher und städtischer Architektur. Leider zeigt sich bei Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten im Alltag häufig ein unsensibler Umgang mit dem Thema Farbe. Das Ergebnis ist ein schleichender Verlust der Farbkultur unserer Städte. Das Argument mancher Hausbesitzer „mein Haus – meine Farbe“ greift an dieser Stelle zu kurz und zeugt häufig von einem fehlenden ästhetischen Bewusstsein hinsichtlich der Architektur- und Farbqualitäten.

Diese Diskussion wird erstaunlicherweise nur bei Gebäuden geführt. Im Automobilbereich – bei Oldtimern – ist es eine Selbstverständlichkeit, beim Herrichten der Fahrzeuge auf die Originalfarbigkeit oder zumindest eine der Bauzeit entsprechende Farbigkeit zurückzugreifen, sodass der Besitzer über sein Objekt Anerkennung oder sogar Bewunderung erzielt. An dieser Stelle kann eine kompetente Beratung nicht im Sinne der Belehrung, sondern der Sensibilisierung ansetzen.

Verständnis von Farbe und Material

Grundsätzlich geht es um das Verständnis von Farbe als Material. Die traditionelle Fassadenfarbe für mineralische Untergründe im Außenbereich ist die Kalkfarbe. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Silikatfarben hinzu: beides mineralische Beschichtungen. Im 20. Jahrhundert werden Fassadenfarben auf organischer Bindemittelbasis entwickelt. Unter dem Überbegriff Kunststoffdispersionsfarben und später Silikonharzfarben finden sie ab der Mitte des Jahrhunderts allmählich weite Verbreitung. Dispersionssilikatfarben versuchen seit Ende der 1970er-Jahre die Vorteile mineralischer und organischer Beschichtungen zu verbinden, sodass heute eine große Auswahl alternativer Beschichtungen für Fassaden zur Verfügung steht.

Bei der Frage, welche Beschichtung geeignet oder eher ungeeignet ist, müssen Untergrund und Beanspruchung sowie technische, handwerkliche und ökonomische Vor- und Nachteile abgewogen werden.

Optische Gesichtspunkte

Unter optischen Gesichtspunkten ist der Einfluss der Bindemittelgruppe auf die Farbigkeit groß. Kalk- und Silikatfarben sind auf die Farbpalette mineralischer Pigmente beschränkt. Dies begrenzt sie hinsichtlich der erzeugbaren Bunttöne, Helligkeiten und v. a. der Buntheiten.

Die Farbpalette bewegt sich mit traditionellen, eher leicht verfügbaren Pigmenten natürlicher Mineral- und Erdfarben, hauptsächlich aus Eisenoxiden, vor allem im leicht vergrauten Gelb- und Rotbereich und im Feld gebrochener Weißtöne. Blau und Grüntöne ergeben sich durch die allmähliche und zunächst sehr aufwendige Entwicklung einzelner synthetischer Mineralfarben, sodass deren Einsatz Akzenten und eher herausgehobenen Anwendungen vorbehalten blieb.

Bei aller Unterschiedlichkeit der Epochen mit ihren verschiedenen Farbvorlieben war die Farberscheinung immer ein Spiegelbild der langsamen Weiterentwicklung der Farbchemie. Bis in das 20. Jahrhundert hinein blieb die optische Erscheinung auf verbindende Weise limitiert, gleichzeitig aber durch variierende Rezepturen mit unreinen Pigmentierungen charaktervoll vielfältig.

Das Licht bewirkt durch Reflexion, Remission und Absorption Farbreize, die durch Tiefe und Brillanz überzeugen. Gleichzeitig vermitteln sie durch die Reduzierung auf typische Farbbereiche der Steinfarbigkeit, Pastell- und Herbstfarben auch eine zu den Bauwerken passende Farbempfindung. Qualitäten, die modernen Beschichtungsstoffen in ihrer technischen Perfektion leider manchmal fehlen.

Opulente Farbordnungen mit vorangestellten Volltonfarbkreisen, umfänglich ausgemischten farbtongleichen Dreiecken und meist mehr als 1000 Farbnuancen können im doppelten Sinn auf die falsche Fährte führen. Aus ästhetischer Sicht offerieren sie viele für Fassadenanwendungen ungeeignete Farbnuancen. Aus technischer Sicht ist häufig unklar, in welchem Bindemittelsystem diese überhaupt realisierbar sind und ob sie sich hinsichtlich der Farbtonstabilität für den Fassadeneinsatz eignen. Nicht umsonst bieten mittlerweile die meisten Farbhersteller spezielle Farbkollektionen für die Fassadengestaltung an – weniger ist auch hier mehr.

Es gilt der Grundsatz: Ein durchdachtes Farbkonzept hat seine Grundqualität in der Prämisse, dass die Farbigkeit dem jeweiligen architektonischen Charakter des Bauwerks entspricht. Damit wird einerseits die Bauzeit sowie der räumliche Kontext und andererseits der Zusammenhang von Form und Material durch die Farbgebung gewahrt.

Weitere Teile der Serie:

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

Teil 5

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