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Schulen im Lockdown

Aus- & Weiterbildung
Schulen im Lockdown

Ein Jahr mit Corona. Lehrer und Schüler an den Berufs- und Fachschulen haben viel Engagement aufgebracht, um kontinuierlichen Unterricht und Lernfortschritt zu gewährleisten. Die befragten Fach- und Meisterschulen haben viele Anfangsschwierigkeiten überwunden und bieten vielseitige Unterrichtsformen an. Im Berufsschulbereich sind die Hürden höher.

Haben Sie die während des ersten Lockdowns eingeführten Lernplattform auch in der ersten Schuljahreshälfte genutzt?

Verena Schmid: Da wir gut vorbereitet in den nächsten Lockdown gehen wollten, haben wir bereits im ersten Schulhalbjahr parallel zum Präsenzunterricht regelmäßig mit unserer digitalen Ausstattung gearbeitet. Dabei wurden verschiedene Unterrichtskonstellationen durchgespielt. Obwohl vereinzelt Schüler/-innen in Quarantäne gehen mussten, konnten wir so per Zuschaltung einen geregelten Unterricht gewährleisten.

Margarete Hauser: Bis zum erneuten Lockdown hatten wir an unserer Berufsschule und an den weiterführenden Schulen, den Fach- und den Meisterschulen, weitestgehend geregelten Präsenzunterricht, mit Maske und Abstand. Zum Teil waren einzelne Klassen im Herbst für eine Woche in Quarantäne. Für diese Klassen wurde versucht, den Unterricht über Lernplattformen und Arbeitsaufträge weiter aufrecht zu erhalten.

Wie nutzen Sie in Ihrer Schule die Lernplattformen?

Thomas Mönkemeyer: Über die Plattformen unterrichten wir drei Tage die Woche nach Stundenplan mit Anwesenheitspflicht rein digital. Handwerkliche Tätigkeiten sowie die Anwendung lizenzpflichtiger Branchensoftware bieten sich hingegen vorwiegend in Präsenz an. Bei der gleichzeitig aufgehobenen Präsenzpflicht entscheiden die Fachschüler in den beiden weiteren Wochentagen, ob sie das Angebot in der Schule wahrnehmen, oder sich daheim einen Werkstattplatz einrichten.

Sascha Kober: Wir haben Anfang des Schuljahres die Lernplattform „Moodle“ für unsere Berufsschüler eingeführt. Hier kann für den Onlineunterricht auch das Videokonferenz-Tool „BigBlueButton (BBB)“ verwendet werden. Es können Arbeitsmaterial, Videos usw. eingestellt werden.

Was hat sich im Vergleich zum ersten Lockdown geändert?

Thomas Mönkemeyer: Diverse Digitalpakte haben es ermöglicht, dass wir hinreichend in Hard- und Software investieren konnten. Entsprechend ist die Ausgangssituation deutlich professioneller aufgestellt. Zudem verfügen wir nun über viel mehr Erfahrung.

Verena Schmid: Durch das ständige Üben mit unserer inzwischen sehr guten digitalen Ausstattung konnten wir optimal vorbereitet in den zweiten Lockdown gehen. Mittlerweile haben wir verschiedene Tools ausprobiert und gehen viel professioneller mit der Technik und den Konferenzsystemen um. Vor allem der Theorieunterricht funktioniert so sehr gut. Unsere Referent/-innen aus der Praxis – ein wichtiger Baustein der Akademie für Betriebsmanagement – lassen sich ebenfalls auf den Online-Unterricht ein. Außerdem ziehen wir derzeit Theorieunterricht vor und verschieben unsere praktischen Trainings nach hinten.

Thomas Wulff: Während des zweiten Lockdowns führen wir im Gegensatz zum Ersten wesentlich öfter auch geregelte Online-Schulungen laut Stundenplan durch. In Baden-Württemberg gibt es eine Ausnahmeregelung, die in der BaMaLa für Meisterschüler, die vor ihren Abschlussprüfungen stehen, herangezogen werden kann: Für sie kann seit dem 11. Januar 2020 ergänzend zum Fernunterricht auch Präsenzunterricht angeboten werden, dabei besteht für die Schülerinnen keine Verpflichtung zur Teilnahme am Präsenzbetrieb. An der BaMaLa haben wird es so geregelt, dass der Werkstattunterricht für die Meisterschüler an zwei Tagen im Monat in Präsenz angeboten wird, allerdings in kleinen Schülergruppen. Hierfür müssen zum Schutze aller weiterhin strenge Schutzregeln eingehalten werden: Abstand – Hygiene – P2-Maske – regelmäßiges Lüften und die Wegeregelung im Haus.

Margarete Hauser: Die erneute Schulschließung verlief im Vergleich zum März 20 sehr viel geregelter ab, da im Präsenzunterricht die Videotools und Zugänge zu den Lernplattformen bereits geübt und genutzt werden konnten. Der Unterricht nach Stundenplan kann über die verwendeten Lernplattformen gut weitergeführt und der Kontakt zu den Schülerinnen und Schüler aufrechterhalten werden. Was unter der Schulschließung tatsächlich leidet ist der Praxisunterricht. Wir versuchen derzeit durch Verblockungen der Theorieunterrichte Unterrichtszeit für die Praxisfächer zu gewinnen, wenn die Schülerinnen und Schüler wieder im Haus sind.

Sascha Kober: Wir Lehrkräfte versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Es bedeutet natürlich eine Menge Mehrarbeit für uns, gerade um den schwächeren Schülern gerecht zu werden. Man kann jetzt aber schon professioneller mit Online-Unterricht umgehen.

Wie kommen Ihre Schüler zurecht?

Thomas Mönkemeyer: Die Mehrheit geht prima mit der Situation um. Natürlich bevorzugen alle ein Präsenzangebot. Aber aktuell kann dieses nicht den Alltag bestimmen. Wer daheim keinen Arbeitsplatz hat, kann – nach Ankündigung – jeden Tag in der Schule das Equipment nutzen. Wir Lehrer/-innen sind auch an den reinen Distanztagen wechselhaft vor Ort in unseren Büros und können bei technischen Problemen helfen.

Verena Schmid: Für die Schüler/-innen sind feste Strukturen sehr wichtig. Daher halten wir am Stundenplan fest. Die Schüler/-innen haben sich sehr gut in die Situation eingefunden und machen engagiert im Online-Unterricht mit. Auch im Online-Unterricht lässt gut erklären, Schüler/-innen aufrufen, Rechenwege aufzeigen etc., sodass dies in Bezug auf den Lernerfolg kaum nachteilig gegenüber dem Präsenzunterricht ist.

Thomas Wulff: Ich befrage meine Schüler regelmäßig wie sie mit dem Online-Unterricht zurechtkommen. Die Aussagen hierzu fallen unterschiedlich aus: Die guten Schüler bekommen während des Online-Unterrichts wohl mehr vom Unterrichtsstoff mit, als während des Präsenzunterrichts, da sie am Rechner näher am Lehrer sind und mögliche Störungen aus dem Klassenverband während des Präsenzunterrichts wegfallen. Lernschwache Schüler und Schüler, bspw. mit Verständnisproblemen aufgrund ihrer Sprachentwicklung, fehlt jedoch das Unterrichtsgespräch, welches sich während des Präsenzunterrichts in der Regel einstellt und zur Klärung mancher Fragen beitragen kann. Diese Berufsschüler trauen sich nicht im Rahmen des Online-Unterrichts Fragen zu stellen.

Margarete Hauser: Ich habe den Eindruck, dass die Schülerinnen und Schüler mit dem Distanzunterricht gut zurechtkommen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den verschiedenen Lernplattformen läuft es sehr gut und die Stimmung in den Klassen ist augenblicklich noch positiv.

Sascha Kober: Manche Schüler, wie zum Beispiel unser 3-Jähriges duales Berufskolleg Farbtechnik, kommen sehr gut zurecht, weil sie selbständig Aufgaben bearbeiten können. Mit Hilfe des Videotools BBB, können wir dann Fragen klären und Ergebnisse diskutieren. Schwächere Schüler haben dagegen große Probleme überhaupt mit einer Lernplattform umzugehen. In manchen Familien ist auch nur ein Computer für mehrere Geschwister vorhanden. Auch sprachliche Probleme wirken sich in dieser Situation noch stärker aus. Die Schüler geben mir das Feedback, dass sie lieber in der Schule lernen. Da kann man als Lehrer zu den Themen auch viel Anschauungsmaterial zeigen.

Ändert sich das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler durch digitalen Unterricht?

Thomas Wulff: Lehrer, die den kooperativen Unterrichtsstil pflegen, werden ihre Schüler höchstwahrscheinlich auch online erreichen. Introvertiertere Lehrer und Lehrer, die weniger technikaffin sind, werden den Online-Unterricht eher meiden und auf dem schriftlichen Weg mit ihren Schülern kommunizieren. Ergebnisse kann man auf beiden Wegen ermitteln und sichern.

Margarete Hauser: Ich persönlich merke nur, wie sehr mir meine Schülerinnen und Schüler fehlen.

Sascha Kober: Das kommt wahrscheinlich darauf an, wie lange die Situation noch andauert. Ich glaube und hoffe aber nicht.

Wie schätzen Sie den Wissensstand Ihrer jetzigen Schüler ein? Wäre ein freiwilliges Zusatzjahr (Zusatz-Halbjahr) aus Ihrer Sicht eine Lösung?

Thomas Mönkemeyer: Die Entwicklung der weiteren erforderlichen Kompetenzen auf dem Weg zum Farb- und Lacktechniker / HWK-Meister werden sich auch unter den jetzigen Bedingungen entwickeln. Sollte man leichte Abstriche in Kauf nehmen müssen – auszuschließen ist das nicht – denke ich aber, dass die Prüfungsgremien damit umgehen können. Ein freiwilliges Zusatz-Halbjahr bietet sich hingegen für die wenigsten an. Dafür ist die Weiterbildung zu kostspielig (Lohnausfall).

Verena Schmid: Da wir reibungslos und gut vorbereitet in den Online-Unterricht übergegangen sind, gibt es bisher vonseiten des Theorieunterrichts keinen Wissensverlust. Im praktischen Unterricht mussten natürlich Termine und Seminare zeitlich verschoben werden. Sobald jedoch wieder Präsenzunterricht stattfinden kann, wird dem praktischen Unterricht etwas mehr Zeit eingeräumt werden müssen. Nach jetzigem Stand ist sicherlich kein Zusatz-Jahr/-Halbjahr nötig.

Thomas Wulff: Bei Berufsschülern mit Lern-/oder Sprachdefiziten, sollte das betreffende Lehrjahr wiederholt werden können. So wird das geplante Ausbildungsziel, das Bestehen der Gesellenprüfung wahrscheinlicher. Eine Allgemeingültigkeit aus meiner Einschätzung abzuleiten wäre aber sicher unangemessen. Der Ausbildungsbetrieb, der Auszubildende und die Berufsschule sollten im Einzelfall gemeinsam darüber beraten, was dem Auszubildenden im Einzelfall weiterhilft.

Margarete Hauser: Ein freiwilliges Zusatzjahr könnte für die Berufsschüler durchaus sinnvoll sein, sofern die Betriebe mitspielen. Bei den Fach- und Meisterschulen ist es in meinen Augen keine Option. Kein Meisterschüler wird sich ein weiteres Schuljahr leisten können.

Sascha Kober: Gerade im fachpraktischen Bereich gibt es da natürlich Defizite. Eine bestimmte Farbmischübung oder die Gestaltung eines Innenraumes mit dem Pinsel ist Zuhause schlecht zu leisten. Schwächere Schüler sollten auf jeden Fall die Möglichkeit bekommen, ein freiwilliges Zusatzjahr zu machen.

Das Interview führte Susanne Wierse.

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