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Meister in Form und Farbe: Formel 1 des Malerhandwerks

Ausstellung „Meister in Form und Farbe“ 2017
Die Formel 1 des Malerhandwerks

Die Ausstellung „Meister in Form und Farbe“ findet bereits seit 20 Jahren alljährlich im Regierungspräsidium in Karlsruhe statt. Auch im Jubiläumsjahr überraschten 30 Meisterprüfungen aus Baden-Württemberg die Besucher wieder mit beeindruckenden Gestaltungsideen.

Susanne Sachsenmaier-Wahl

Hier im Regierungspräsidium lässt sich die Formel 1 des Maler- und Lackiererhandwerks betrachten!” freute sich Regierungsvizepräsidentin Gabriela Mühlstädt-Grimm bei der Ausstellungseröffnung. So wie ein Formel-1-Wagen nicht auf der Straße im Alltag bewegt werde, so seien auch viele der künstlerischen Arbeiten nicht für den Alltag gedacht und dennoch böten sie einen Blick über den Tellerrand auf das Machbare. Gerade wegen des „Experimentellen“, dem „Spiel mit Farben und Materialien“ lohnt die Ausstellung.
Auszeichnungen
„Meister in Form und Farbe“ beinhaltet auch einen Gestaltungswettbewerb. Die baden-württembergischen Meisterschulen (Karlsruhe, Lahr, Mosbach, Reutlingen, Ulm und die drei Meisterschulen in Stuttgart) wählen im ersten Schritt die Arbeiten für die Ausstellung aus. Eine landesweit zusammengesetzte Jury vergibt die Auszeichnungen. Ausgezeichnet werden die besten Arbeiten mit Sponsoren-Preisen der Firmen Baumit, Brillux, Caparol, MEGA und Sto. Der bisher von der Firma Fema ausgelobte Preis wurde, aufgrund der überraschenden Schließung von Fema, durch einen Preis des „Eurokreis Maler“ ersetzt. Der europäische Malerkreis, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, ist eine unabhängige Vereinigung von Malern aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland, die mit ihrer Freundschaft die engere Zusammenarbeit fördern möchten.
Baumit vergab eine Auszeichnung an Christian Fien-Feuerstein (Karlsruher Meisterschule) für die Gestaltung eines Fotostudios. Seine detailgetreue Betonimitation mit Schalungsabdrücken und eine Rosttechnik, die durch Nieten belebt wurde, zeigten sein hohes handwerkliches Können.
Florian Herter (Stuttgart) befasste sich mit der Gestaltung eines Showrooms für den Möbeldesigner Walter Knoll. Auch er bediente sich dabei einer Betonimitation, wandelte diese jedoch stark ab und veredelte sie durch ein Silberwachs und den Schriftzug des Designers. Exklusivität strahlte auch eine goldschimmernde Strukturtechnik mit Krokodilhaut-Muster aus. Wie edel eine schwarze Fläche wirken kann, bewies Herter mit hochglänzend lackierten Plattensegmenten, die an ausgetrocknete, gerissene Erde erinnerten, durch ihren edlen Glanz aber einen Widerspruch dazu bildeten. Von dieser Prüfungsarbeit zeigte sich auch Brillux beeindruckt, verlieh dafür eine Auszeichnung.
Rostoptik
Neben Beton- schienen in diesem Jahr Rosttechniken beliebt. Auch Dominik Beller (Karlsruhe) setzte für die Gestaltung einer Vinothek neben Lehmputz, Lasur und Lack eine Rosttechnik ein. Seine eher ruhige Rostinterpretation wird lediglich durch ein paar Spachtelschläge belebt, wirkt beinahe weich. Bellers Arbeit wurde von Caparol ausgezeichnet.
Der Eurokreis wusste den Messestand der Schule für Farbe und Gestaltung Stuttgart, der auf der „Farbe – Ausbau und Fassade (FAF)“ im Frühjahr 2016 gezeigt wurde, zu schätzen. Der Wunsch der Schule war es, Material-Experimente zu präsentieren. Von Alexander Neumaier wurden diese sehr ansprechend umgesetzt. So spritzte der Jungmeister beispielsweise rot eingefärbten zementhaltigen Renovierungsspachtel mithilfe eines Spritzbeutels im Karomuster auf, schliff die Masse nach der Trocknung plan und verfüllte die Hohlräume mit schwarz eingefärbtem Material. Nach dem wiederholten Planschleifen wurde die Fläche geölt, was ihr noch mehr Farbintensität verlieh. Desweiteren experimentierte Neumaier mit Lasur in extrem hoher Schichtstärke, die mit dem Maserboy gekämmt wurde oder streute reflektierende Perlen in Alkydharzlack ein. So kurios die Ideen, die Ergebnisse beeindruckten. Der Eurokreis zeichnete Alexander Neumaier deshalb aus.
Eine Collage alter Vespa-Bilder, die mittels selbst entwickelten Verfahrens in einen Fahrzeuglack transferiert und mit Metalltafeln in typischen Vespa-Farben kombiniert wurden, brachten auch Michael Schlegel (Stuttgart) eine Auszeichnung ein. Die MEGA wusste diese innovative Technik sowie den übrigen Gestaltungsvorschlag des frischgebackenen Meisters für einen Vespa-Shop zu schätzen.
Besondere Betonimitation
Sto zeichnete die Meisterprüfungsarbeit von Georg Fischer (Ulm) aus. Dieser hatte sich der Gestaltung eines Infobüros für Navigationstechnik gewidmet. Neben einer Weltkarte, die in Glättetechnik ausgeführt worden war und einer Klebearbeit, die historische Karten zeigte und von einer Windrose geziert wurde, erregte ein Betonklotz Aufmerksamkeit. Fischer hatte keineswegs eine „normale“ Betonimitation ausgewählt, vielmehr wies der Klotz deutliche Korrosionsspuren, bis hin zum freiliegenden, rostigen Bewehrungsstahl, auf. Der marode Charakter des Kubus wurde durch das aufgespachtelte Wort „Vintage“ gesteigert.
Doch auch andere Meisterstücke hätten durchaus eine Auszeichnung verdient gehabt. Ferdinand Weipert (Stuttgart) etwa hatte ein stimmiges Konzept für einen Ausstellungsraum einer Künstlerin entwickelt, die mit Metalldrähten arbeitet. Selbstverständlich nahm er das Thema Metall auf. So entstanden vergoldete Plattenstücke, die einen Craquelé-Effekt zeigten. In einem geometrischen Muster, auf schwarzem Untergrund angeordnet, ergab sich eine edle Wandgestaltung. Dasselbe Muster setzte Weipert in einer silbernen Platte fort. Auf diese hatte er ein farbloses Effektmaterial appliziert, das bei der Trocknung eine Kristallstruktur ausbildet. Abschließend überlackierte er die Platte schwarz und wusch die Kristalle ab, eine Negativstruktur blieb erhalten.
Lukas Wagner und Manuel Marciano (beide Stuttgart) hatten Gestaltungsvorschläge für Ausstellungsräume entwickelt. Auch bei Wagner ging es um Metalle. Er kombinierte, jeweils im goldenen Schnitt angeordnet, eine rote Kalkputztechnik, die mit Goldseife veredelt war, mit aufgespachteltem Echtkupfer oder eine schwarze Kalkspachteltechnik mit einer ebenfalls gespachtelten Aluminiumfläche. In einer anderen Gestaltungstechnik belegte er Schlagaluminium partiell mit Schlagmessing, das in kleinen Ansammlungen auf der Fläche verteilt war. Marciano lieferte Ideen für die moderne Neugestaltung eines Maler-Showrooms. Hier fanden sich z.B. Rostabläufer auf einem Metalluntergrund oder eine mineralische Spachtelmasse, die auf einen Haftgrund in Streifenform aufgebracht worden war. Schlicht in Weiß gehalten, entwickelt diese Technik ein interessantes Licht- und Schattenspiel.
Dass sich selbst für einen Baugeräte-hersteller edle Wandgestaltungen mit Bezug zum Produkt entwickeln lassen, bewies Patrick Schmid (Stuttgart) eindrucksvoll. Er präsentierte verschiedene Techniken, die stilisierte Reifenspuren der Baugeräte als Muster aufwiesen. Besonders gelungen war eine Aluplatte, in die verschiedene Profile übereinander eingeschliffen waren.
Craquelé-Effekt
Eher zurückhaltend, aber nicht minder anspruchsvoll, hatte Bianca Sowa (Stuttgart) einen Kunst- und Antiquitätenhandel in Stuttgart gestaltet. Passend zur angebotenen Ware sollten auch die Techniken eine historische Anmutung haben. Sowa entschied sich für eine Porzellan-Interpretation. Dafür strukturierte sie einen Putz mithilfe eines Löffels streifenförmig, applizierte mehrere Schichten Kaseinfarbe und polierte diese auf. Einzelne Streifen hob sie durch eine Vergoldung hervor. Auf eine Papiertapete, die mit wässrigem Reißlack überzogen war, bürstete sie Acrylfarbe im Schachbrettmuster auf. Der dezente Craquelé-Effekt, der sich auf der Tapete ergab, wirkte künstlerisch und verlieh der Fläche einen antiken Look.
Tiefe vermittelnd
Grell und extrem auffällig sollte dagegen das Gestaltungskonzept für einen Club in Ravensburg sein. Kevin Klein (Stuttgart) löste diesen Kundenwunsch mit einer Hinterglastechnik in schrillem Orange und Schwarz. Das übereinander gelagerte geometrische Muster, das sich sowohl auf der mit Abstand montierten Acrylglasplatte als auch auf der darunterliegenden Wandfläche befand, löste die Raumebene auf und vermittelte dadurch Tiefe.
Neben den experimentellen Techniken waren in Karlsruhe auch zahlreiche traditionelle Malertechniken, wie Stein- oder Holzimitationen, zu sehen. So dürfte wohl für jeden der rund 5000 Besucher der Ausstellung ein „Augenschmaus“ dabei gewesen sein.

Wer auf der Suche nach weiteren kreativen Anregungen ist, wird vielleicht in den Beiträgen über den Gestaltungswettbewerb “Meister in Form und Farbe” aus  den vergangenen Jahren fündig:

Meister in Form und Farbe 2007

Meister in Form und Farbe 2010

Meister in Form und Farbe 2011

Meister in Form und Farbe 2014

Meister in Form und Farbe 2015

Meister in Form und Farbe 2017

Meister in Form und Farbe 2018

Meister in Form und Farbe 2019

Meister in Form und Farbe 2020

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