Startseite » Aus- & Weiterbildung »

PigmentGeschichte(n)

Aus- & Weiterbildung
PigmentGeschichte(n)

Weiß ist nicht gleich Weiß und Gelb nicht gleich Gelb. Ob für die Fassade oder die Kunst: Je nach Einsatz werden Farben mit unterschiedlichen Pigmenten hergestellt. Teil 4: Die Pigmente der Farbbereiche Weiß und Gelb.

Prof. Matthias Gröne, Hochschule Esslingen

Weiß ist das am häufigsten verwendete Pigment in der Malerei. Es wird immer zum Aufhellen den Farbtönen beigemischt oder als Lichtersatz in der Malerei verwendet. Bis ins 19. Jahrhundert verwendeten die Maler nur das sogenannte Bleiweiß, erst seit 1840 wurde dann auch das Zinkweiß und seit 1918 auch das Titanweiß eingesetzt.
Bleiweiß gehört in Verbindung mit trocknendem Öl zu den aktiven Pigmenten. Es reagiert mit den im Öl enthaltenen Säuren und bildet „Seifen“. Bleiseifen verringern die Trockenzeit einer Ölfarbenretusche und sie stabilisieren das gesamte System.
Das Bleiweiß wurde teilweise verschnitten mit Kreide, Gips oder gestoßenen Muschelschalen und so in der Tafelmalerei verwendet. Für die Herstellung setzte man Bleibleche in einem geschlossenen Gefäß Essigdämpfen aus. Das sich auf den Platten ablagernde Bleiacetat wurde unter Wasser abgekratzt, in der Sonne getrocknet und so in Bleicarbonat überführt. Bleiweiß ist giftig. Man hatte im 19. Jahrhundert versucht, es zu verbieten, jedoch fehlte die Alternative zu diesem sehr guten, hoch deckenden Pigment. Das reine Bleiweiß wurde als „Kremserweiß“ gehandelt, das sogenannte „Spanischweiß“ war eine mit 20 bis 60 Prozent Kreide verschnittene, preiswertere Variante für Untermalungen mit natürlich geringerer Deckkraft.
Weiß in der Kunst
Die Künstler machten sich die in Verbindung mit Öl schnell trocknenden Eigenschaften von Bleiweiß zunutze, indem sie es schlecht trocknenden Pigmentverbindungen zusetzten.
Das „Inkarnat“ (die Hautfarbe der menschlichen Darstellungen) wurde durch Zusatz von Zinnober, Schwarz, rötlichen und gelben Erden zum Grundfarbton Bleiweiß hergestellt. Bleiweiß wurde unter anderem mit Bindemitteln wie Leinöl, Walnussöl und Mohnöl angerieben. Der erwähnte Verseifungsprozess sorgte für stabile, haftfeste und lange haltbare Farbschichten.
Zinkweiß, auch Chinesisch Weiß, Permanent- oder Schneeweiß genannt wird aus Zinkoxid hergestellt. Obwohl es bereits in der mittelalterlichen Medizin (für Salben und Puder) bekannt war, kann man Zinkweiß bei Gemälden erst seit dem 18. Jahrhundert nachweisen. Vielleicht war es zu teuer, es hatte auch nicht die gleiche Deckkraft wie das bereits bekannte Bleiweiß.
Zinkweiß besteht aus dem nicht giftigen Zinkoxid und hat mitunter eine leicht bläuliche Tönung. Es nimmt sehr viel Öl auf, trocknet langsam und neigt zur Brüchigkeit, ist aber sehr lichtbeständig und für alle Malverfahren sehr gut geeignet. Zur Verbesserung der Deckfähigkeit wurde es mit Bleiweiß vermischt.
Das industrielle Weißpigment
Titanweiß besteht aus Titandioxid. Das Rohprodukt ist der in der Natur vorkommende Ilmenit, ein Titaneisenerz FeTiO3, welches u.a. in Kanada, Nor-wegen, im Kongo und im Ural abgebaut wird. Erstmals hergestellt wurde Titanweiß 1821, in Europa produziert man es fabrikmäßig erst seit 1926. Es besitzt von allen drei Weißpigmenten die höchste Deckkraft. Titanweiß gibt es in zwei kristallinen Strukturen, der Anatas- und der Rutilform. Diese Begriffe geben einen Hinweis auf die Modifikationen der Molekülstrukturen. Beide Varianten sind ungiftig und besitzen eine gute Säurebeständigkeit. Bei der Herstellung von Künstlerfarbe wird nur noch die 1938 entwickelte Rutilform verwendet, auch im Fassadenanstrich hat sich diese bewährt, die Anatasmodifikation kann bedingt durch fotochemische Reaktion zum Kreiden neigen. Eine trocknende Wirkung auf ölige Bindemittel hat Ti- tanweiß nicht. Neben der Farb- und Lackindustrie wird dieses Weiß in der Kosmetik- sowie Druck- und Papierindustrie eingesetzt.
Gelbpigmente
Neben dem Ocker gehören Bleizinngelb (Bleistannat), Auripigment, Neapelgelb und seit dem 19. Jahrhundert Chrom-, Cadmium- und seltener auch Strontiumgelb zu den bekannten Gelbpigmenten.
Ocker ist sicher eines der bekanntesten Gelbpigmente in der alten Malerei. In Europa gibt es sehr viele Vorkommen und es wurde bereits für die Höhlenmalereien von Lascaux in Frankreich oder Altamira in Spanien verwendet. Ocker ist ein Verwitterungsprodukt eisenhaltiger Gesteine und Mineralien. Der Farbton ist jeweils abhängig von der enthaltenen Menge an Eisenoxidverbindungen. Bei den gelben Ockern unterscheiden wir in der Namensgebung zwischen Lichter Ocker, Hell-, Dunkel- oder auch Gold-ocker. Die Gewinnung geschah im Mittelalter durch Abschlämmen. Dabei setzten sich in den Schlammbecken die groben Teile unten ab, die feineren darüber. Der Vorgang wurde so lange wiederholt, bis das sich oben absetzende Material eine genügende Feinheit besaß. Nach neuesten Kenntnissen gibt es Wandmalereien aus der Steinzeit, die sich über 35-tausend Jahre bis heute erhalten haben. Die Steinzeitmenschen mischten das Pigment im Mund mit Speichel und sprühten es dann mit kleinen Röhrchen an die Felswände der Höhlen, ein Zeichen der ersten visuellen Kommunikation, das Überliefern von Kenntnissen an die Nachwelt.
Bleizinngelb ist ein körniges, zitronen- bis goldgelbes Pigment, das in der europäischen Malerei vom 13. bis zum 17. Jahrhundert in Gebrauch war. Es wurde später durch Neapelgelb ersetzt und dann nur noch selten verwendet. Es besitzt eine sehr gute Deckkraft und trocknet mit Öl gebunden wegen seines Metallgehaltes sehr gut. Es wurde nachgewiesen bei dem Rembrandt zugeschriebenen „Mann mit dem Goldhelm“ (um 1650), das in der Gemäldegalerie, Staatliche Museen Berlin zu sehen ist.
Das Auripigment ist ein gelbes, natürlich vorkommendes Arsensulfid und wurde bereits im ersten Jahrhundert nach Christus erwähnt. Es gilt als hochgiftig, wurde aber auch wegen seiner schlechten Trocknungseigenschaften in Verbindung mit Öl nicht so häufig verwendet. Außerdem ließ es sich als Schwefelpigment sehr schlecht mit anderen Pigmenten mischen. Zur schnelleren Trocknung versetzte man es im Mittelalter mit gestoßenem Glas. Es war sehr beliebt, um Lichtreflexe in der Malerei auf Gewändern zu setzen. Neapelgelb ist ein Blei-Antimonoxid und wurde von Künstlern erst seit dem 17. Jahrhundert verwendet. Es verdrängte nach und nach das Bleizinngelb.
Indischgelb wurde in der Tafelmalerei als Lasurfarbe verwendet. Es wurde hergestellt, indem man Kühe mit Mangoblättern fütterte. Die Tiere wurden dadurch krank und schieden einen stark gelb gefärbten Harn aus. Dieser Urin wurde durch Erhitzen konzentriert, es setzte sich ein gelber Farbstoff ab. Dieser wurde gepresst und gelangte in kleinen Kügelchen in den Handel.
Die Pigmente Chrom-, Cadmium- und Strontiumgelb kamen 1814 in den Handel. Diese neuen, sehr farbintensiven Pigmente verdrängten den bis dahin verwendeten Gelben Ocker und das Neapelgelb.

Praxisplus
Wenn wir heute als Touristen auf die griechischen Inseln reisen, beein- drucken uns die weiß gestrichenen Häuser und der blaue Himmel. Dieses Weiß entstammt einem Edikt des Despoten Ioannis Metaxas. Er hatte befohlen, die Häuser aus Desinfektionsgründen immer wieder weiß zu kalken, um die Ausbreitung von Krankheiten zu vermeiden. Aus diesem Grund sind ganze Städte und Dörfer einiger griechischer Inseln auch heute noch weiß und dadurch zu einem besonderen Charakteristikum geworden.
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 3
Ausgabe
3.2024
ABO
Malerblatt Wissenstipp

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de