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Heinrich Bartholemy

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Heinrich Bartholemy

Heinrich Bartholemy leitete 27 Jahre die Technische Informationsstelle für das Maler- und Lackiererhandwerk.

In dieser Zeit hat er vieles für das Malerhandwerk bewegt und manchem Maler in kritischen Situationen Hilfe geboten. Malerblatt-Leser kennen Heinrich Bartholemy nicht zuletzt von seinen vielen fundierten Fachartikeln. Am 31. Dezember 2016 endete eine Ära: Heinrich Bartholemy verabschiedete sich in den Ruhestand. Das Malerblatt sprach kurz vor seinem Ausscheiden mit ihm über die Branche, die Erwartungen an das Malerhandwerk und seine ganz persönliche Zukunft.

Herr Bartholemy, am 31. Dezember 2016 geben Sie die Leitung der Technischen Informationsstelle nach 27 Jahren ab. Was ist das für ein Gefühl für Sie? Empfinden Sie Wehmut oder ist es eine Befreiung?

Das ist natürlich ambivalent. Viele Bekannte, mit denen man gut und eng zusammengearbeitet hat, wird man nachher ja nur noch gelegentlich sehen oder sprechen. Da werden wohl auch einige sehr persönliche Verbindungen verloren gehen. Andererseits ist es auch befreiend, wenn man Projekte, die einen über viele Jahre geärgert haben, hinter sich lassen kann. Es gibt leider immer wieder Dinge, die lassen sich einfach nicht zu einem Abschluss bringen, sie ziehen sich über Jahre hinweg. Vielleicht auch, weil es objektiv keine Lösung gibt oder weil mitwirkende Personen einfach nicht wollen.

Was fällt Ihnen spontan als Beispiel ein? Was hätte man ein bisschen schneller vorantreiben können bzw. sollen?

Da könnte man aktuell zum Beispiel das Thema bestimmter gefährlicher Flammschutzmittel in Dämmstoffen nehmen, genauso gut aber auch die Staubminderung beim Bauen im Zusammenhang mit neu identifizierten Asbestquellen. Da hätte man auch schon früher reagieren können und nicht erst abwarten sollen, bis etwa ein neuer Staubgrenzwert gesetzt ist. Allein kann man in solchen Fällen fast nichts bewegen, weil man auf die Kooperation vieler Stellen angewiesen ist. Es kann manchmal eine kleine Ewigkeit beanspruchen, bis nur ein Termin vereinbart ist. Man hat viele Abhängigkeiten zu beachten und es dauert entsprechend lange, bis es zu einem Ergebnis kommt. Das erfordert viel Geduld. Und gelegentlich habe ich das Gefühl, je älter ich werde, desto weniger davon kann ich aufbringen (lacht).

Wenn man weiß, in wie vielen (Normungs-)Ausschüssen, Organisationen und Gremien Sie während Ihrer Zeit als Leiter der TI tätig waren, da fragt man sich, ob sie überhaupt Freizeit hatten?

Doch, tatsächlich habe ich freie Zeit gehabt. Aber berufliche Verpflichtungen haben immer auch die Zeiten nach dem Büroarbeitstag oder nach den Dienstreisen bestimmt. Da war schon manches Mal ein ganzes Wochenende „vermasselt“, wenn man etwas vorbereiten musste, wofür ein Termin feststand.

Dann freuen Sie sich vermutlich jetzt umso mehr darauf, endlich das tun zu können, was Sie schon lange wollten?

Und ob! Es sind so viele Dinge liegen geblieben und Pläne aufgeschoben worden. Es haben sich zum Beispiel viele Bücher und Musikkonserven angesammelt, die ich noch lesen bzw. hören möchte. Vieles davon habe ich gekauft und es steht noch immer unberührt da, weil ich dann doch nicht dazugekommen bin, mich damit zu befassen.

Werden Sie sich die Zeit auch wirklich nehmen oder glauben Sie, Sie können die Malerthemen einfach nicht loslassen – oder die Maler können Sie nicht loslassen?

Ich muss es probieren. Ich kann es noch nicht sicher vorhersagen. Und es gibt auch Projekte, von denen ich mich noch nicht ganz verabschieden kann, wie z. B. die Kommentierung der Maler-ATV en in der neuen VOB. Da gibt es nun ja schon erhebliche Änderungen, die wahrscheinlich nicht so ohne Weiteres verstanden werden. Und dann habe ich beispielsweise noch ein Freibewitterungsprojekt laufen, bei dem die Beschichtungen erst etwa eineinhalb Jahre beansprucht wurden und erst eine Bewertung gemacht wurde. Richtig interessant wird die Auswertung aber in vier bis fünf Jahren. Und da möchte ich die Ergebnisse natürlich noch sehen …

Es bleibt also spannend! Es wäre aber auch ein Jammer für die Branche, wenn Ihr Fachwissen einfach so verloren gehen würde. Werden Sie auch im Austausch bleiben mit Ihrem Nachfolger Dr. Oliver Nicolai?

Selbstverständlich! Es ist jetzt das Wichtigste, dass er mit allem versorgt wird, was er braucht. Das wird mit der räumlichen Verlegung der Technischen Informationsstelle von Stuttgart nach Frankfurt vermutlich nicht ganz einfach. Wir müssen alles so ordnen, dass ich gegebenenfalls auch aus der Ferne helfen kann.

Und Sie als gebürtiger Niedersachse bleiben hier in Stuttgart, auch wenn Sie jetzt nicht mehr beruflich an Stuttgart gebunden sind?

Das werde ich immer wieder gefragt (lacht). Ja, ich werde hier bleiben. Ein Bruder lebt ja noch in Göttingen, das ist meine Geburtsstadt. Aber es hat sich einfach sehr viel verändert dort und man sucht manchmal vergeblich nach dem, was man hinter sich gelassen hat.

Was schätzen Sie am „Schwabenländle“ am meisten?

Ich mag die Mentalität, das typisch schwäbische Understatement, das man hier pflegt. Das schätze ich. Den Dialekt, na ja, den hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht, um hier glücklich zu werden (lacht) …

Nach diesem kleinen Exkurs kommen wir zurück zur Malerbranche: was waren die Themen, die die Branche während Ihrer Zeit beim Verband am meisten umgetrieben haben?

Ein Thema, das uns immer wieder beschäftigt, ist sicherlich der Umweltschutz. Noch mehr als der Arbeits- und Gesundheitsschutz, wobei beides häufig im Zusammenhang betrachtet werden muss.

Meinen Sie damit die sogenannten Naturfarben?

Ja, die Naturfarben natürlich auch. Wobei das nicht das ganze Thema Ökologie abdeckt. Es sind ja auch die „normalen“ Farben, die ökologisch optimiert werden. Heute gibt es EPDs (Environmental Product Declaration = Umweltproduktdeklaration; Anmerkung der Redaktion) für die Produkte, wo eine ökologische Beurteilung produktbezogen gemacht wird, wie z. B. für Dämmstoffe. Hier haben wir ja auch ganz aktuell wieder die Diskussion aufgrund der Flammschutzmittel.

Denken Sie, das Thema Ökologie wird auch in Zukunft eine immer bedeutendere Rolle spielen?

Das wird uns sicherlich immer begleiten und es zeigt sich auch, dass einige Branchen immer wieder einmal davon überrascht werden. Die Dämmstoffindustrie beispielsweise hätte sich ja schon lange darauf vorbereiten können. Ich erinnere mich, dass das Thema der Flammschutzmittel vor 20, 30 Jahren nicht aufgegriffen werden durfte und heute haben wir da zum Teil mit sehr problematischen Altlasten zu tun. Das betrifft nicht nur Polystyrol, sondern auch Zellulosedämmungen, die bei Ausbauarbeiten erhebliche gefährliche Staubexpositionen verursachen können. Beim Polystyrol ist das Flammschutzmittel HBCD (Hexabromcyclododecan) eingebunden, dennoch haben wir damit jetzt ein eklatantes Entsorgungsproblem.

Und wo, denken Sie, liegen die Herausforderungen der Zukunft für das Malerhandwerk?

Ich denke, der Handwerker, und das betrifft ja nicht nur den Maler, muss zukünftig, sagen wir mal, interdisziplinärer denken und handeln. Er wird gezwungen sein, stärker über seine Branchengrenzen hinauszuschauen. Das Thema Gebäudeenergieeffizienz hat deutlich gezeigt, dass sich die Gewerke öffnen und kooperieren müssen. Es reicht einfach nicht, nur die eigene Aufgabe bzw. das eigene Gewerk zu sehen. Dabei muss das ganze Gebäude betrachtet werden. Und Ähnliches ereilte uns vor längerer Zeit mit den Themen der Schadstoffe in Gebäuden, wie z. B. Schimmelpilze, Asbest, Quarz oder Blei. Maler sind es gewohnt, zunächst immer nur die Oberfläche zu betrachten und diese perfekt zu gestalten. Allein mit den dafür erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten werden unternehmerisch handelnde Fachhandwerker die Zukunft nicht mehr bewältigen können. Es wird immer mehr Wissen über die Bautechnik, die Baukonstruktionen und die Baustoffe gefordert – und das nicht nur in Hinsicht auf die zeitgemäße Baupraxis, sondern vor allem auch auf den mehr oder weniger historischen Baubestand. Denn die meisten Auftraggeber benötigen Instandsetzungen oder sie bauen um. Diese machen mindestens 80 Prozent der Aufträge im Maler- und Lackiererhandwerk aus. Der Malermeister sollte beispielsweise auch eine anspruchsvolle Schadstoffsanierung selbstständig planen, anbieten und fachgerecht ausführen können. Schließlich geht es dabei um Vorarbeiten für die „klassischen“ Malertechniken, die er am besten beurteilen und ausführen kann.

Herr Bartholemy, herzlichen Dank für diese Einschätzung und das offene Gespräch und alles Gute für Ihre Zukunft.

Das Interview führte Susanne Sachsenmaier-Wahl.
Malerblatt 01/2017


 

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