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Marco Candido

Betriebsführung Malerblatt Wissen
Marco Candido

Bekannt wurde das Unternehmen als Schrauben- und Werkzeuglieferant. Längst ist Würth mehr als das, zum Beispiel Partner des Maler- Trockenbau- und Stuckateurhandwerks. Das Malerblatt sprach darüber mit dem Prokuristen Marco Candido, Divisionsleiter Bau.

Herr Candido, Würth baute in jüngster Vergangenheit das Sortiment systematisch weiter auf und aus, vor allem für den Bedarf der Gewerke Maler, Stuckateure und Trockenbauer. Warum?
Wir fassen diese Gewerke zusammen und nennen dieses Marktsegment „Ausbau und Fassade”. Und genau in diesem Segment wollten wir noch besser werden. Es gibt hier unzählig viele Kleinbetriebe, für die unser Service hilfreich und kostensparend sein kann. Damit können wir punkten und wollen noch mehr Kunden überzeugen.

Wann setzten Sie sich verstärkt mit dem Segment „Ausbau und Fassade” auseinander?
Wir fingen vor rund zwei Jahren an, unser Angebot für Maler und Trockenbauer kritisch zu durchleuchten. Wir haben das Sortiment sukzessive ausgebaut und sind seit Mitte letzten Jahres auf einem guten Niveau in den für uns relevanten Bereichen der Montagematerialien, Werkzeuge und Maschinen. Wir sind hier inzwischen also bestens aufgestellt.

Wie bauten Sie das heutige Sortiment auf – betrieben Sie Marktforschung oder probierten Sie einfach, wie manche Produkte vom Markt angenommen werden?
Sowohl als auch! Wir haben verschiedene Dinge untersucht, den Markt akribisch analysiert und natürlich mit vielen Kunden gesprochen. Danach erhöhten wir beispielsweise die Qualität des Pinsel-, Rollen- und Walzenprogramms noch mehr, weil wir sahen, dass das Malerhandwerk hier einen wirklich gehobenen Anspruch hat, dem wir Rechnung tragen wollten. Wir entwickelten auch einen Fragebogen, mit dessen Hilfe wir 50, 60 Unternehmer befragten.

Gab es auch Stolpersteine auf dem Weg zum idealen Sortiment?
Ja, natürlich, doch das hat jeder, der einen neuen Weg beschreitet. Wir suchten uns zwar Referenzkunden, mit denen wir über alles redeten, doch war das erst der zweite Schritt. Zu Beginn wollten wir herausfinden, was die Kunden in besagten Gewerken überhaupt brauchen. Trotzdem landeten wir ein paar Flops im Werkzeugbereich, das muss ich zugeben. Aber nachdem wir die nicht ganz passenden Produkte aus dem Programm nahmen, hatten wir das heutige Sortiment, das jetzt stimmig ist und gut angenommen wird.

Sie freuen sich, dass Sie gerade auch den kleinen Betrieben helfen können. Fragten Sie auch die Großen der Branche?
Ja, klar, auch das hat uns die Augen geöffnet. Die Großen sind stark im Bereich Organisation und Arbeitsvorbereitung. Uns faszinierte, wie die ihre Etappenziele definieren und wie alles Messbare auch permanent gemessen wird, zum Beispiel, ob man noch im Plan ist mit Zeit und Material. Da haben wir uns erstmals richtig in die Prozesskette hineingedacht. Und wir befragten Würth-kritische Betriebe. Wir wollten gerade nicht nur diejenigen ansprechen, die schon lange mit uns zusammenarbeiten.

Farbe und Putze findet man nicht in Ihrem Programm?
Ja, natürlich, wir stellten eine Produktpalette zusammen minus dieser A-Produkte. Die haben wir außen vor gelassen, weil die nicht über Würth laufen werden. Aber alles drumherum können wir aus einer Hand liefern, in einer Top-Qualität zu einem sauberen Preis.

Sie haben gerade auch die mittleren und die ganz kleinen Betriebe im Auge, weil die noch mehr auf besten Service angewiesen sind, als die großen Profis der Branche.
Wir wollen alle bestens bedienen und machen da mal keinen Unterschied zwischen dem Ein- und dem Fünfmannbetrieb. Darum ist es uns auch so wichtig, dass wir zusätzlich zum Verkäufer viele Kontaktmöglichkeiten anbieten können. Wir haben unsere Niederlassungen und unseren E-Shop mit seinen 125.000 Produkten. Zusätzlich gibt es eine App, die auf der Baustelle genutzt werden kann, und wir haben das Telefon. Jeder kann mit uns zusammenarbeiten wie es ihm am angenehmsten ist.

Wenn ein Kunde einen Auftrag hat, wie läuft der bei Ihnen durchs Haus?
Wir haben ein Kundentelefon, das von sechs Uhr morgens bis 24 Uhr nachts besetzt ist. Viel wichtiger ist aber, dass jeder Kunde auch immer einen Verkäufer, einen Berater zur Seite hat, den er jederzeit anrufen kann. Wir gründeten ja extra einen kleinen Vertriebszweig, der sich „Ausbau und Fassade” nennt. Die Außendienstmitarbeiter sind zu hundert Prozent auf dieses Gewerk spezialisiert. Über diesen Weg können wir uns dem Kunden gegenüber wertschöpfend einbringen.

Wie sind Ihre Außendienstmitarbeiter ausgebildet?
Da haben wir eine gesunde Mischung. In erster Linie suchten wir schon Leute aus den entsprechenden Gewerken im weitesten Sinne, manche mit kaufmännischer, manche mit technischer Ausbildung. Am wichtigsten bei Einstellungen ist aber, dass der Bewerber Verständnis für die Abläufe hat. Er muss vor allem auch ein kommunikativer Typ sein.

Das Zauberwort scheint für die Einstellung eines Verkäufers bei Würth „kommunikativ” zu sein.
Das ist wichtig, ja. Aber Kompetenz insgesamt ist das Entscheidende.

Wie werden die Außendienstler in Ihrem Haus ausgebildet?
Die Ausbildung geht über neun Monate, immer im Wechsel sind die „Praxis im Feld” und die Ausbildung in der Verkäufer-Einschulung. So können sie etwas lernen und dann in der Praxis erproben und umsetzen. Dann kommen sie wieder an den Firmensitz und können ihr Wissen in Schulungen weiter ausbauen. So haben sie nach plus/minus neun Monaten alle Module durch – von den Anwendungen und Produkten bis hin zur Verkaufstechnik.

Und die bleiben schon bei der Stange während der Ausbildung?
Jemand, der sich im Auswahlverfahren für diese Stelle qualifiziert hat, bei dem kann man davon ausgehen, dass er nicht in den ersten vierzehn Tagen wieder geht. In den ersten 20 Monaten haben wir eine Fluktuation von fünf bis acht Prozent. Danach bleiben unsere Mitarbeiter aber im Durchschnitt 19 Jahre im Außendienst. Das ist die beste Basis für eine tolle Kundenbindung. Und das höchste Gut, das wir besitzen, ist genau diese Kundenbindung. Die Führungskräfte machen mit den Mitarbeitern das, was diese draußen beim Kunden tun: helfen, helfen und helfen. Alles in Verkauf und Beratung ist ein „Menschengeschäft”.

Warum wird ein Unternehmen normalerweise Würth-Kunde?
Viele Handwerker sind von unserem Lagermanagementsystem ORSY beeindruckt. ORSY heißt Ordnung und System. Das sind Regalsysteme, die leihweise dem Kunden in den Betrieb gestellt werden. Die Regale bleiben unser Eigentum. Für eine sehr niedrige Pauschale bekommt der Kunde den vollen Service. Das Regalsystem wird regelmäßig gereinigt und in Ordnung gehalten, aber auch bestückt und etikettiert. Unsere Verkäufer leisten diesen Service. Es gibt viele Einmannbetriebe mit einem „Türmchen”, das sind dann vier, fünf Regalbauteile. Und es gibt auch Großkunden mit vermutlich 700 oder 800 solcher Türme. Wir bieten mit ORSY einen Kundennutzen und der ist für den Partner von Anfang an gegeben. Wir schaffen auf optimaler Fläche eine hundertprozentige Übersicht dieser Verbrauchsmaterialien zu gewährleisten. Jeder, der ORSY bei sich nutzen möchte, erhält ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes System.

Sind diese Regallösungen standardisiert, sind sie branchen-optimiert oder auf individuelle Anforderungen des Kunden abgestimmt?
Wir schlagen schon vor, dass es auf die Branche abgestimmt ist. Doch das ist eben ein Vorschlag, eine Entscheidungsgrundlage. Das wird für jeden Kunden individuell und modular aufgebaut, je nachdem, welche Produkte er benötigt. Wir pflegen das Regalsystem für ihn. Wenn er besucht wird, dann wird alles eingeräumt, wird sauber etikettiert. Der Kunde bekommt nie zu viel und auch nie zu wenig von diesen C-Artikeln. Zu viel wäre gebundene Liquidität im Regal, zu wenig hieße, Produkte müssten bei Bedarf teuer sofort beschafft werden.

Und die Bezahlung?
In der Regel vereinbaren wir die Bezahlung auf Monatsrechnung.

Was ist neben diesen Serviceleistungen noch positiv für einen Maler, wenn er mit Ihnen zusammenarbeitet. Provokativ formuliert: wo ist der Kick?
Es ist betriebswirtschaftlich sinnvoll. Lassen Sie mich etwas ausholen: Im Prinzip geht es darum, dass der Handwerker für diese vermeintlich unwichtigen Produkte keinen übermäßigen Zeitaufwand hat. Unsere Artikel machen ein bis zwei Prozent des Materialeinsatzes aus. Doch der Kunde benötigt acht bis zehn Prozent seiner Zeit, um genau diese speziellen Produkte zu finden und zu besorgen. Überlegen Sie, wir machen für ihn sozusagen den Lageristen und den Besteller. Das heißt, wir schauen, was fehlt, wir räumen das Fehlende ein und schreiben eine Monatsrechnung. Man muss als Unternehmer immer die Frage stellen: Was kostet mich das Material, ich muss telefonieren, es holen, einlagern – ein aufwändiger Prozess.

Was genau ist dann die Funktion Ihrer etwas mehr als 400 Niederlassungen?
Die sind natürlich in der Fläche wichtig. Und, was für die Chefs wichtig ist: die Niederlassungen sind eben keine Treffpunkte, wo man Kaffee trinkt und sich länger aufhält. Die durchschnittliche Verweildauer unserer Kunden dort in den Niederlassungen liegt bei unter zehn Minuten. Dort wird nicht an der Kasse bezahlt – da wird eingescannt, der Handwerker bekommt den Lieferschein und die Rechnung bekommt er später. Wir nennen die Niederlassungen deshalb auch Abholshops.

Ich schaue wieder auf die Produkte für Maler. Wie viele Artikel sind denn vor Ort in den Niederlassungen?
Wir haben natürlich die wichtigsten Produkte vor Ort, Klebebänder, Abdeckfolie, Pinsel, Walzen und so weiter. Wir decken auf jeden Fall 80 bis 90 Prozent des Sofortbedarfs. Und alles, was der Kunde da nicht findet, bekommt er am nächsten Tag in die Firma oder auf die Baustelle geliefert. Wir sind mit dem Sortiment auch flexibel. Wenn ein Neukunde sagt, ich brauche von Euch aber in meiner Stamm-Niederlassung bestimmte Produkte, dann werden diese dort in den Bestand aufgenommen.

Rechnet sich das für Würth immer rein betriebswirtschaftlich?
Nein, doch sehen wir das auch als Marketing-Investition. Wenn wir die Artikel für den Kunden nicht dahaben, dann fährt er zum nächsten Händler. Und das kann nicht unser Ziel sein.

Im Durchschnitt braucht der Kunde 21 Minuten zur nächsten Würth Niederlassung. Sind es dann nicht fast schon zu viele Standorte?
Nein, im Gegenteil. Wir sind jetzt bei 408 Niederlassungen und unser Ziel ist es, mittelfristig 650 Niederlassungen am Markt zu haben. Wenn wir das erreichen, dann müsste jeder Kunde im Durchschnitt nur noch 15 Minuten bis zu einer unserer Niederlassungen fahren. Im Übrigen versuchen wir nicht, dem Kunden in der Niederlassung über ein Verkaufsgespräch noch zusätzliche Artikel zu verkaufen. Er kommt zu uns, damit er mit seinen Produkten innerhalb weniger Minuten wieder an die Arbeit gehen kann. Es muss schnell und einfach gehen. Und das ist unsere Stärke.

Mir kam noch ein schönes Wort vors Auge, der „Nachtsprung”. Was muss ich mir darunter vorstellen?
Jede Bestellung, die bei uns bis 16 Uhr eingeht, geht am selben Tag noch über die Rampe in die regionalen Verteilzentren unseres Speditionspartners. Über Nacht wird die Ware dann zu den Paketdiensten gebracht, die am nächsten Tag ausliefern. Das nennen wir den „Nacht- sprung”. Rund 30.000 bis 35.000 Sendungen sind das täglich, die aus dem vermutlich modernsten Kleinteilelager der Welt in Künzelsau verschickt werden.

Ihnen ist es wichtig, Ihre Kunden noch weiter zu qualifizieren. Was hat es mit der Akademie Würth auf sich?
Wichtig ist, dass das Seminar-Programm von der Akademie entwickelt wird, nicht von der Adolf Würth KG. Die Akademie ist unabhängig von den anderen Unternehmensbereichen. Unser Ansatz ist es, Fortbildungsangebote zu schaffen, um die Geschäftsbeziehung abzurunden. Der Kunde bekommt nicht nur Produkte bei uns, sondern auch das Know-how und die Unterstützung für bestimmte Anwendungen und Prozesse. Insgesamt ist uns wichtig, dass wir auf die Kunden zugehen. Jeder soll unseren Service, unsere Leistungen so nutzen, wie es ihm und seinem Unternehmen am besten zugute kommt. Ganz nach dem Motto: Bau dir deinen Würth so, wie du ihn brauchst.

Herr Candido, herzlichen Dank für das Gespräch.

Marco Candido: Es muss schnell und einfach gehen – das ist unsere Stärke.

Das Interview führte Ulrich Schweizer.

Fotos: Ulrich Schweizer
Quelle: Malerblatt 03/2014
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