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Geflüchtete im Handwerk

Flüchtlingsintegration im Handwerk
Integration ist Chefsache

Integration ist Chefsache
v.l.: Anwar Kadhim, Ulrich Temps
Die Frankfurter Allgemeine hat getitelt „Flüchtlingsintegration noch ganz am Anfang“. Das ist bei den Malereibetrieben temps nicht der Fall. Ulrich Temps und sein Team setzen sich bereits seit 2015 ein und fördern Geflüchtete, ob nun über Praktika, Ausbildungsplätze und außerschulische Angebote.

Autor: Martin Mansel | Fotos: Temps

Herr Temps, was sind die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Integration?

Ulrich Temps: Die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Integration setzen sich wie folgt zusammen: Seitens des Unternehmens müssen Überlegungen angestellt werden, welche Ressourcen -egal ob Personal, finanzielle Mittel, Räumlichkeiten, Lehrkräfte etc.- für diese Projekte langfristig zur Verfügung gestellt werden können. Die daraus resultierenden Festlegungen müssen unbedingt verlässlich und belastbar sein, sodass die dann im Unternehmen handelnden Personen wirklich mit diesen Ressourcen belastbar planen und arbeiten können! Verantwortlichkeiten im Unternehmen müssen klar definiert sein und die handelnden Personen müssen seitens der Unternehmensleitung so ausgewählt werden und von der Position so besetzt sein, dass sie mit ihren Handlungen im Unternehmen gesehen und akzeptiert werden. Grundsätzlich muss das Thema Integration Chefsache sein!

Sicherlich ist klar, dass der Chef die Themen des Alltags nicht umsetzen kann und muss. Aber wenn es irgendwo hakt, muss der Chef sich schnell, unverzüglich und verlässlich in den Prozess einschalten, damit das Thema weiter bespielt wird. Seitens der Unternehmensführung muss das Projekt innerbetrieblich vorgestellt werden, die Motivation verständlich und transparent erklärt werden, warum die Unternehmung diesen Weg geht.

Anwar Kadhim, wie sieht es von Seiten der Flüchtlinge aus?

Anwar Kadhim: Für eine erfolgreiche Integration braucht man Unterstützung beim Spracherwerb. Die Firma bietet hierfür das Projekt Ausbildung+ an. Dort können die Auszubildenden parallel zur Berufsschule die Fächer intensiv wiederholen und werden auch sprachlich unterstützt. Von der Unternehmensseite her sollte ein großes Verständnis vorhanden sein, dass es zu sprachlichen und kulturellen Missverständnissen kommen kann. Um sich sprachlich weiterzuentwickeln, braucht man Kontakt zu deutschsprachigen Menschen, beispielsweise bei Hobbys. Menschen mit Fluchthintergrund, wie ich, sollten also offen sein und Kontakte knüpfen. Dadurch kann man sich sprachlich weiterentwickeln und die deutsche Kultur besser kennenlernen.

Herr Temps, Sie sind Regionalbotschafter Niedersachsen für die Initiative „Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge (NUiF)“. Wie kam es zu dem Engagement?

Ulrich Temps: Vor ca. vier bis fünf Jahren sind wir auf die Netzwerksinitiative in Berlin auf einer Veranstaltung der IHK Berlin aufmerksam geworden und sind dann dem Netzwerk sehr zeitnah beigetreten. Die vielen Themen, die in dem Netzwerk auch -gerade über Webinare bespielt werden- waren von Anfang an hochinteressant und haben uns motiviert unser Engagement weiter und deutlicher sichtbar zu machen. Stichwort: Öffentlichkeitsarbeit!.

Durch unsere Präsenz bei den Webinaren und unserer Öffentlichkeitsarbeit wurden die Verantwortlichen der Netzwerksinitiative auf die Firma temps GmbH Malereibetriebe aufmerksam: Anfang 2021 wurden wir seitens der Netzwerkinitiative angesprochen, ob wir mit unseren Themen für das Land Brandenburg die Position des Regionalbotschafters besetzen möchten. Unsererseits wurde der Anfrage sofort zugestimmt. Daraus resultierend sind wir 2020/2021 Regionalbotschafter für das Land Brandenburg geworden und haben im Frühjahr 2022 dann den Staffelstab als Regionalbotschafter für das Land Niedersachsen übernommen.

Über 3.200 Betriebe sind Teil dieser Initiative, vom Handwerksbetrieb bis hin zum Großkonzern. Was muss ein Malerbetrieb mitbringen, der sich hier einbringen möchte?

Ulrich Temps:Die Bandbreite der Betriebe in der Netzwerkinitiative ist sehr groß. Egal, in welcher Branche man unterwegs ist, allein die Initiative, der Einsatz für das Thema Integration ist das Entscheidende was man mitbringen muss. Aus unserer Sicht sind zwei Themen für das Engagement ganz entscheidend, nämlich ganz viel Herzblut und dass das Thema Integration Chefsache ist.

Sie tauschen sich ja mit den Unternehmen aus anderen Branchen aus. Gibt es bei Malerbetrieben Besonderheiten, die sich Positiv/Negativ bei der Integration auswirken?

Ulrich Temps: Ja, bei den Malerbetrieben gibt es Besonderheiten. Im Vergleich zu Dienstleistungsunternehmen sind wir ein Handwerksunternehmen und können über diese Thematik die auszuübenden Tätigkeiten zumindest anfangs durch einfaches Vormachen, Zuschauen, Nachmachen und Ausprobieren, vorstellen.

Im Bereich der kaufmännischen Berufe ist dieses Thema deutlich schwieriger, da die gestellten Arbeitsaufgaben inhaltlich verstanden werden müssen. Das setzt voraus, dass die Menschen, die in den Arbeitsalltag integriert werden sollen, die Aufgaben auch wirklich inhaltlich verstehen und bereits sehr gute Deutschkenntnisse mitbringen.

Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich im Handwerk nicht gegeben, sodass Migranten, die über ein deutlich geringeres Sprachniveau verfügen ,,problemlos‘‘ in die Arbeitswelt integriert werden können.

Negative Besonderheiten sind nicht zu benennen!

Wo sehen Sie Hemmnisse von Seiten der Ämter? Welche Vereinfachungen oder Verbesserungen wünschen Sie sich?

Ulrich Temps: Die Hemmnisse seitens der Ämter/Behörden sind auch gerade aktuell in der nur sehr bedingten Erreichbarkeit zu sehen. Wer sich als Unternehmen nicht bereits ein gut funktionierendes Netzwerk gerade auch im Bereich der Behörden- aufgebaut hat, hat es zurzeit unglaublich schwer dort vorstellig zu werden, entsprechende Termine vereinbaren zu können und sich entsprechende Unterstützung zu holen.

Da wir als Firma temps bereits seit 2016 auf all diesen Themenfeldern unterwegs sind und in Teilzeit eine Volljuristin eingestellt haben (Ehefrau eines unserer pensionierten Gymnasiallehrer, die in Teilzeit eingestellt sind) und diese Person mit den entsprechen Firmeninsignien ausgestattet haben (Visitenkarten, Firmen Handy/ Email etc.) sind wir als Firma temps auch im Bereich Behördengänge und Kontakte gut unterwegs.

Es muss aber herausgestellt werden, dass auch gerade coronabedingt viele Mitarbeiter der Behörden sich im Homeoffice befinden und auch für uns die Erreichbarkeit deutlich schlechter geworden ist.

Außerdem ist festzustellen, dass die entsprechenden Behörden -auch gerade durch die Ukraine Krise- restlos überlastet sind und die personellen Ressourcen sicherlich nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Hier ist die Politik sicherlich gefordert.

Des Weiteren gilt es festzustellen, dass es in der Politik und bei den Behörden zumindest teilweise an der Verlässlichkeit sowie Beständigkeit fehlt. Dieses gilt auch für die Ansprechpartner, die sehr oft wechseln, wie auch für die Belastbarkeit und Verlässlichkeit der eingeführten unterstützenden Maßnahmen, die sich immer wieder verändern und somit nur bedingt planbar sind.

Verbesserungen sind auch gerade im Bereich der Handwerkskammern erforderlich. Hier ist vornehmlich zu benennen die „einfache deutsche Sprache‘‘ die gerade bei den Prüfungen eingeführt werden sollte und müsste, da die Prüfungsfragen teilweise so verklausuliert formuliert sind, dass selbst unsereins Probleme hat, die Aufgabenstellung zu verstehen.

Ganz klar formuliert: Da sind die Handwerkskammern und Innungen gefordert!

Wie hat sich Ihre Arbeit in diesem Bereich, der ja nun nicht das Kerngeschäft eines Malerbetriebes ist, über die Jahre verändert?

Ulrich Temps: Meine persönliche Arbeitswelt hat sich in der Form verändert, als dass das Thema Integration für mich persönlich ein sehr wichtiges Thema ist, was mir am Herzen liegt. Die Erklärung liegt im familiären Background. Meine Eltern sind Anfang der 1950er aus der damaligen sowjetisch besetzten Zone über die grüne Grenze nach Hannover gekommen. Mein Vater hat -nachdem er seine Meisterprüfung in Hannover an der Werkkunstschule abgelegt hat- das Unternehmen 1952 gegründet.

Dort war er der erste Mitarbeiter und hat mir mit auf den Weg gegeben: Uli, die Gesellschaft hat uns sehr viel gegeben! Denke daran, dass wenn du es darstellen kannst, der Gesellschaft später etwas zurückgibst!

Daraus abgeleitet handele ich, nach meinem Motto, welches ich schon seit vielen, vielen Jahren in meinen Kalender schreibe, welches da lautet: „Was uns anvertraut wurde soll auch anderen wohltuen!“

Weitere Informationen:
www.unternehmen-integrieren-fluechtlinge.de


Ulrich Temps, Geschäftsführer temps Malereibetriebe

Unsere Erfahrung: In diesem Prozess muss man mehr nach Innen als nach Außen werben!

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