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Geschmacksache?

Betrieb & Markt
Geschmacksache?

Werner Schledt

„Bei mir können Sie Fassaden in jeder beliebigen Farbe kaufen, Hauptsache sie ist angemessen.“ Mit dem leicht modifizierten Zitat von Henry Ford als Maxime für die Fassadengestaltung könnten wir wenigstens die riesige Palette der Anstrichfarben auf ein Segment reduzieren, das die allerschlimmsten Missgriffe bei der Farbgestaltung ausschließen würde.
Seit nämlich für die Erhaltung nahezu alle Farben möglich sind, fabrizieren wir in der Gestaltung zunehmend Unmögliches.
Werbe-Immobilien
Ein paar Gründe und Ausreden gefällig: Da werden Immobilien-Imperien mit „Hausfarben“ gekennzeichnet oder aus Gewerbe- aufdringliche Werbeimmobilien. Auch beim Einfamilienhaus zeigt mancher was er hat und zieht Garage, Mäuerchen und Zäune mit dem Haus farbig zu einem „Besitztum“ zusammen. „Mein ist mein“ begründet auch, dass immer öfter Doppelhäuser optisch halbiert und Ensembles auseinander gerissen werden.
Das im Grundsatz richtige Gebot „Qualität ist, was der Kunde dafür hält“, wird so bedenkenlos befolgt, dass der langfristige Schaden größer ist als der kurzfristige Nutzen.
Da wird eine Farbe des Südens, quasi als Mitbringsel aus der Fremde, auf das heimische Haus in unseren Breiten übertragen, ohne zu bedenken, dass Burano-Buntes nicht auf den „Biederstädter Bahnhofsplatz“ gehört – es sei denn als Eisbecher.
Da gibt es aber auch viele in unserem Handwerk, die ihre gestalterische Kompetenz vernachlässigt oder gänzlich verloren, vielleicht die Regeln der Farbgestaltung auch gar nicht mehr gelernt haben.
Vielleicht sollte man sich in diesen Wochen, wo die Bauhausstädte hervorragender aktueller Ausstellungen wegen, von Gestaltungsbeflissenen wie Wallfahrtsorte besucht werden, darauf besinnen, wie methodisch und beharrlich man an dieser Schule und ihren Folgeeinrichtungen die Grundsätze der Farbgestaltung und -regeln mit den Schülern geradezu gepaukt hat: So antwortete Johannes Itten auf die Frage, ob man Farbenlehre lernen müsse: „Wenn Sie ohne Wissen Meisterwerke der Farbe schaffen, so ist das Nichtwissen Ihr Weg. Wenn Sie aber aus Ihrem Nichtwissen keine Meisterwerke schaffen, dann sollten Sie das Wissen parat haben.“ Nur bei den wenigen, die intuitiv meisterlich mit der Farbe umgehen, akzeptiert Itten fehlendes Know-how. Die meisten also mussten lernen und beispielsweise die Bildung von sogenannten rationalen Farbklängen immer wieder wie Vokabeln „herunterbeten“, so lange, bis die Regeln „saßen“.
Geschmacksache?
Das hat sie sicher gemacht, das gestalterische Gewissen geschärft und vor Fehlgriffen geschützt. Und wehe, es hätte einer den falschen Einsatz der künstlerischen Mittel mit dem Argument „Ist doch alles Geschmacksache!“ entschuldigt.
Und dann die Farben: Für Stilfassaden gibt es Befunde und Traditionen, an denen man sich orientieren kann. Aber ein lichtes Ocker, das den gut erhaltenen neubarocken Wohnbau angemessen schmückt, ist für das dreimal angestückelte Häuschen aus den 50ern völlig verkehrt, weil es dessen Mängel erst richtig sichtbar macht und bloßstellt. Kaltes, zitroniges Gelb, das durch die Patina schon nach kurzer Zeit ins Kotige mutiert, sollte für Fassaden ebenso tabu sein wie grasiges Grün, wässriges Blau und aufdringliche Lilatöne, bei denen sogar ein Blindenhund anschlägt.
Erdig statt erdbeerfarben
„Erdig statt erdbeerfarben!“ möchte man manchem angesichts vieler aktueller Missgriffe zurufen, die den Verdacht nähren, dass sich einige günstig mit Riesen-Rosa-Restbeständen eingedeckt haben. Ärgerlich auch die neue Masche der „Matratzen-Malerei“, bei der durch Wedeln, Wickeln und Wischen viel zu unruhige Flächen entstehen, wo subtile Lebendigkeit angebracht wäre.
Deutlich ausdeuten
Ein erster Schritt vor der eigentlichen Farbgebung ist, dass man ein Haus nicht als Summe von Wänden und planen Anstrichflächen sieht, sondern in seiner Plastizität und den Funktionen der Architekturelemente begreift. Für eine gelungene farbige Ausdeutung kann es hilfreich sein, die Verteilung von Hell und Dunkel sowie die Farbwechsel zunächst einmal nur in schwarz-weiß-grau zu skizzieren oder gedanklich vorzunehmen, bevor man zur Farbkarte greift. Richtige Ausdeutung verhindert, dass die Architektur verändert oder verfremdet wird. Schließlich ist es primäre Aufgabe der Farbe, gute Architektur zu begleiten, zu unterstreichen und zu steigern. Die Korrektur minderer Wohnarchitektur ist eher eine sekundäre Aufgabe, die vor allem deshalb häufig misslingt, weil man allzu oft bei Gliederungen nicht die vorhandenen Achsen und Öffnungen aufgreift, sondern willkürlich „auflockert“, wie das so schön heißt, Fassaden also wie Leinwände mit Löchern behandelt und als Untergrund für konstruktive oder – schlimmer noch – vermeintlich dekorative Malerei oder aufdringliche Reklame benutzt.
Ausnahmen
Ausnahmen von den bewährten Regeln, etwa beim Einbinden von Industriearchitektur – quasi großen gebauten Maschinen oder ganze Kleinstädte überragende Baumassen – in die umgebende Landschaft, sollten sich nur Gestalter zutrauen, die dem gewachsen sind. Friedrich Ernst von Garnier ist einer der wenigen davon. Dagegen ist das „,Anmalen soweit der Pinsel reicht“ nach Hundertwasser als Unikat zwar amüsant, aber schon das zweite „kinderbunte“ Haus in der Stadt ist eines zuviel.
Gute Beispiele
Gottlob gibt es immer wieder ausgezeichnete Beispiele für Fassadengestaltungen, solche, bei denen die genannten Regeln eingehalten sind, und auch einige, bei denen Könnern durch großzügiges Auslegen dieser Grundsätze Großartiges gelungen ist. Aber sie sind leider nicht die Spitze eines Eisbergs, unter dem sich eine große Masse an Qualität verbirgt.

kompakt
Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“.
Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt engagiert er sich als Marketingleiter der TREIBS Bau GmbH und schreibt exklusiv aus betrieblicher Sicht für Malerblatt- Leser.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
Heinrichstraße 9-11
60327 Frankfurt/Main
Tel.: (069) 750010-310
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