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Rational & emotional

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Rational & emotional

Rational & emotional
Anne Bernlöhr
Eine professionelle Beratung und Begleitung hilft beim Generationswechsel im Unternehmen, die richtigen Schritte zum idealen Zeitpunkt zu machen.

Anne Bernlöhr M.A.

Fakt ist, dass in den nächsten fünf Jahren pro Jahr 70.000 Familienunternehmen in Deutschland vor dem Generationenwechsel stehen. 60 Prozent der Inhaber (über 55 Jahre) haben hinsichtlich einer Nachfolgeregelung bisher nichts unternommen oder sind nur ungenügend darauf vorbereitet. Obwohl drei von vier Unternehmer ihr Lebenswerk innerhalb der Familie weitergeben möchten, zeigt die Realität ein anderes Ergebnis. Dies belegen die konkreten Zahlen: Tatsächlich verbleiben nur rund 40 Prozent der Unternehmen in der Familie – bei weiter rückläufiger Tendenz –, 16 Prozent der Übergaben erfolgen an externe Führungskräfte, die Übertragung an langjährige Mitarbeiter liegt bei 10 Prozent, 20 Prozent der Unternehmen werden verkauft und mangels Nachfolger stillgelegt werden 8,5 Prozent der Unternehmen (IfM Bonn). Eine Nachfolgeregelung dauert fünf bis zehn Jahre!
Die Besonderheit
In Familienunternehmen geht es um den bestimmenden Einfluss einer Familie auf die Entwicklung des Unternehmens. Diese Besonderheit in ihren unterschiedlichen Ausprägungen ist es, die die Erfolgsgeschichte vieler Familienunternehmen erklärbar und nachvollziehbar macht und zugleich konkrete Anhaltspunkte gibt über die Hürden, die im Zeithorizont einer Nachfolgeregelung zu überwinden sind. Eine Nachfolgeregelung dauert nicht etwa fünf bis zehn Jahre, weil Familienunternehmen so kompliziert sind, sondern weil es sich um komplexe Verbindungen handelt, die rational und emotional verankert sind – zentrale Bestandteile der Erfolgsgeschichten!
Für die Senioren und Seniorinnen geht es um die Übergabe ihres Lebenswerkes! Sie haben nicht selten harte Jahre der Existenzgründung bestritten, sich durch Zweifel gekämpft, ob der gewählte Weg realistisch war, sind schrittweise erfolgreicher geworden und nun vertraut mit den raschen Veränderungen an den Märkten und haben zwischenzeitlich richtig Spaß daran, dass die Anfangsmühen sich gelohnt haben. Sie fühlen sich nicht selten im Zenit ihrer Erfahrungen und stehen nun aufgrund ihres Lebensalters – eigentlich viel zu früh – vor der Frage der Weitergabe des Betriebs.
Für die potenziellen Nachfolger und Nachfolgerinnen zählt die berufliche Perspektive für die Zukunft. Manche denken, es ist ja gar keine grundlegende Frage, ich trete ohnehin die Nachfolge im Familienunternehmen an. Andere wiederum haben nach der Lehre und dem Abitur studiert, waren eine Zeit im Ausland an Universitäten oder in ausländischen Unternehmen tätig und fühlen sich in der Warteschleife. Auch die Variante, dass die Kinder die Unternehmensnachfolge nicht für sich planen, kommt immer häufiger ins Spiel, wobei hier nicht selten die Grundsicherheit, „in der Not“ doch noch in die Unternehmensnachfolge eintreten zu können, eine nicht zu unterschätzende Dimension der „vermeintlichen Freiheit“ in der Entscheidung darstellt.
Alterssicherung
Zurück zur Sichtweise der Senioren und Seniorinnen. Gerade in kleineren Unternehmen hat die Alterssicherung häufig erheblichen Einfluss auf den Zeitpunkt des Rückzuges. Alternativ ist zu einem früheren Zeitpunkt eine monatliche Entnahmereglung aus dem Unternehmen denkbar. Diese setzt in der Regel voraus, dass eine Übergabe-strategie mit den beteiligten Familienmitgliedern und ihren Partnern einvernehmlich abgestimmt ist. Denn im Mittelpunkt steht die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Im Zentrum steht deshalb auch die Klärung in der Familie über einen zukünftigen realistischen Weg, sowohl für das Unternehmen wie für die Familie. Für den Fall einer nicht einvernehmlichen Klärung oder bei längerfristig bestehenden Unklarheiten über die innerfamiliäre Nachfolge gibt es die Option einer Unternehmenszukunft außerhalb der Familie. Auch der Verkauf des Unternehmens kann eine gute Lösung für alle Beteiligten sein. Diese Optionen sind für viele Senioren und Seniorinnen noch weit entfernt, jedoch keineswegs unrealistisch – einen entsprechenden Planungshorizont vorausgesetzt. Doch bevor eine externe Lösung anzustreben ist, gilt es eine andere Dimension der Unternehmensübergabe in der Familie zu erschließen – die subjektiven Sichtweisen. Originalaussagen aus der Beratung: „Er traut mir immer noch nichts zu.“/„Die Jungen haben heute eine viel bessere Ausbildung … aber manchmal frage ich mich, was die davon konkret umsetzen!?“/„Mein Vater gibt erst ab, wenn er im Grab liegt … und dann sagt er mir wahrscheinlich immer noch ,von unten’ wie es zu gehen hat.“/„Wenn er nur einmal mich fragen würde…!“/„Wenn ich die Nachfolge nicht antreten würde, hätte ich das Gefühl, das Lebenswerk meiner Vorfahren kaputt gemacht zu haben!“
Entwicklungspfad
Um den „Kauprozess“ der Anliegen und Zweifel zwischen den Generationen Ziel führend zu gestalten, bedarf es einer Entwicklung auf beiden Seiten. Die Junioren und Juniorinnen sind dahingehend gefordert, ihre Qualifikation zum Unternehmertum zu prüfen, die Grauzonen „aufzurüsten“ und den Nachfolgewunsch aktiv zu vertreten. Den Senioren und Seniorinnen kommt die Aufgabe zu, sich mit ihrer Unentbehrlichkeit auseinanderzusetzen und die Entlastung in ihrer persönlichen Perspektivplanung zu entdecken. Die Senioren sind nicht selten „Schelme“ (Seniorinnen eingeschlossen), die die Geschicke nicht komplett übertragen. Was ist damit gemeint? Sie sind erfahren, wissen um ihre Kompetenzen, verfügen über den gewissen Stil der „Bauernschläue“ (besonders in Fachforen zu beobachten) und strahlen eine angenehme Souveränität aus. Ihre Strategie des „nur teilweise Loslassens“ zeigt sich beispielsweise in dem Umstand, dass sie mitunter zwar die Geschäftsführung rechtzeitig übertragen haben, jedoch (sicherheitshalber) noch die Regie in den Aufsichtsgremien inne haben (Aufsichtsrat, Beirat etc.).
Klärungsprozess
Was zeigen solche Beispiele? Sie verweisen auf die Notwendigkeit früher Klärungsprozesse in den Erwartungshaltungen der Beteiligten (Senioren/Junioren) und in den fachlichen Voraussetzungen, um rechtzeitig eine klare Strategie für die Unternehmenszu-kunft zu entwickeln. Untersuchungen über den Verlauf von Unternehmensübergaben belegen, dass Investitionen im Durchschnitt bis zu fünf Jahre zurückgestellt werden, wenn Nachfolgeregelungen in der Schwebe sind. Dieser Zeitverzug bedeutet für die danach einsteigenden Nachfolger einen erschwerten Start mangels Liquidität!
Da jedes Unternehmen eine eigene Geschichte hat, bedarf es jeweils einer ganz individuellen Lösung. Dazu kommt, dass die handelnden Personen unterschiedliche Werdegänge aufweisen, die Kunden genauso unterschiedlich sind und schließlich die Liquidität maßgeblich darüber entscheidet, in welchem Tempo strategische Überlegungen operativ realisiert werden können – weitere Gründe für eine individuelle und auf den entsprechenden Betrieb eingestellte Beratung. Um den für das Unternehmen bestmöglichen Weg auszuloten braucht es Zeit: Eine fundierte Nachfolgeregelung dauert fünf bis zehn Jahre!
Kinder mit hervorragender Ausbildung sind noch keine Unternehmer und erfolgreiche Unternehmer sind nicht zwangsläufig gute Lehrmeister! Was ist auf beiden Seiten zu lernen? Es geht um zwei Säulen: 1. Das System „Unternehmen“ im Spannungsfeld zwischen Organisation und beteiligten Personen. 2. Die Professionalisierung der Nachfolger/Nachfolgerinnen zum Unternehmertum. Es geht um die Entdeckung, ob man im Kern ein Unternehmertyp ist. Es geht gleichermaßen darum, herauszufinden, ob man kein Unternehmertyp ist. Beide Erkenntnisse stehen gleichberechtigt nebeneinander! Denn auch wer für sich herausfindet, kein Unternehmertyp zu sein, ist nicht zwangsläufig weniger erfolgreich. Klarheit ist der Schlüssel zum Erfolg. Unternehmertum zeichnet sich aus durch die Fähigkeit zur Führung, Risikobereitschaft mit betriebswirtschaftlicher Kompetenz, Gesamtverantwortung mit Weitsicht und dem Umgang mit Krisen. Unternehmertum braucht Leidenschaft! Je früher sich die Verantwortlichen auf den Pfad dieses Erkenntnisprozesses begeben, desto früher gibt es Klarheit über die zukünftige Nachfolgeregelung. Beide Generationen gewinnen und die Familie des Familienunternehmens bleibt geeint!
Ausblick
Um die für die Unternehmensnachfolge beste Lösung für die Zukunft zu entwickeln, braucht es aus den beschriebenen Gründen Zeit. Denn nicht selten sind mehrere Übergabevarianten zu prüfen. Die Paradoxie , dass sich die Seniorengeneration meist wünscht, das Lebenswerk innerhalb der Familie weiterzugeben und dennoch immer wieder Gründe benennt, um diesen Zeitpunkt zu verschieben, ist ein menschlich nachvollziehbarer Widerspruch. Diesen Widerspruch professionell aufzulösen, bildet das Kernstück der Beratung und Begleitung von Familienunternehmen, wie wir sie verstehen. Gelingt diese strategische Lösungsentwicklung, tragen alle Beteiligten die dann entschiedene Nachfolgeregelung langfristig mit. Die steuerlichen Rahmenbedingungen, testamentarischen Regelungen und notariellen Vereinbarungen kommen auf der Zeitachse erst dann ins Spiel, wenn die Strategie des Unternehmers und die Interessen der Familie klar erarbeitet sind – rational und emotional!

PRAXISPLUS
Die Autorin Anne Bernlöhr ist in einem Handwerksbetrieb in Baden-Württemberg aufgewachsen. Nach dem Studium der Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Wirtschaft folgten Ausbildungen zur Beratung im Mittelstand (EG/EU) und Systemische Ausbildungen zur Bearbeitung schwieriger Veränderungsprozesse. Seit 20 Jahren berät Anne Bernlöhr Familienunternehmen. Sie bildet Junioren aus auf dem Weg zum Unternehmer, hält Fachvorträge und schreibt über ihre Erfahrungen. www.bernloehr.com
Die September-Ausgabe 2010 des Magazins „brand eins“ hat als Schwerpunkt ebenfalls das Thema „Nachfolge“: www.brandeins.de
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