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Weltmeister im Jammern

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Weltmeister im Jammern

Weltmeister im Jammern
Foto: Florian Kunde / Adobe Stock

Wollen wir auch noch Weltmeister im Jammern werden? Diese Frage, die Helmut Schmidt schon in 2003, als soziale Einschnitte angekündigt waren, stellte, könnte auch von heute sein. Wir jammern auf hohem Niveau, vielleicht deshalb so gern. Derzeit schüren manche sogar panische Angst, die einen vor einem warmen Kühlschrank, andere vor sozialer Kälte und einem Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Viele fürchten eine höhere Inflation, Mittelständler die Insolvenzen, wie zuletzt auch aufsehenerregende Aktionen aus dem Handwerk zeigen. Die Beiträge sind bisweilen auch schrullig: Ministerpräsident Kretschmann, von Hause aus Lehrer, empfiehlt zur Reduzierung des Gasverbrauchs statt Dusche den Waschlappen, allerdings ohne sich auf den Ökonomen Helmut Schmidt zu berufen, der vor Jahren schon in einem Interview gesagt hat, dass einmal Baden pro Woche genüge. Erfolgversprechenderen Rationalisierungsvorschlägen wie zuletzt dem, von Experten und der Bundesbank zustimmend bewerteten des Arbeitgeberpräsidenten nach einer Rente mit 70, wird vehement widersprochen. Dabei ist die demografische Entwicklung nicht vom Himmel gefallen: Bei der großen Rentenreform in 1957 finanzierten noch sechs Erwerbstätige einen Ruheständler, inzwischen müssen 1,8 Beitragszahler einen Rentner bezahlen. Nebenbei: Eine längere Arbeitszeit würde auch den Fachkräftemangel ein Stück weit mildern. Nein dazu sagen nicht nur Linke, Grüne, Sozialverbände und Gewerkschaften. Stetig als Finanzierungsquelle gefordert wird eine Reichensteuer und eine Übergewinnsteuer, zuletzt von Grünen eine einmalige Vermögensabgabe. Schließlich vergeht kaum noch ein Tag, an dem an den Staat nicht neue Forderungen gestellt werden -und leider auch nur selten einer, an dem dieser nicht neue Zuwendungen und Ausgleiche ankündigt. Angesichts der Entlastungpakete, Rentenerhöhungen, Gratisleistungen und Rettungsschirme für alle und jedes, ist es schon interessant wieder mal nachzulesen, was der weltweit anerkannte Sozialwissenschaftler Oswald von Nell-Breunig SJ (Societas Jesu) in seinem Klassiker „Baugesetze der Gesellschaft“ zu Solidarität und Subsidiarität noch 1990 als Hundertjähriger geschrieben hat: Subsidiarität, von ihm mit „hilfreicher Beistand“ übersetzt, verpflichte die Gemeinschaft denen zu helfen, die der Hilfe bedürfen. Dabei solle sich der Beistand auf das beschränken, was Einzelne aus eigener Kraft nicht zu leisten vermögen.

Nur hilfreichen Beistand leisten

Dagegen dürfe man ihnen nicht abnehmen, was sie selbst leisten können oder könnten, weil man sie damit schädige, wenn man ihnen die Gelegenheit entziehe, durch eigenen Einsatz tüchtiger zu werden. Wer sich selbst helfen kann, dem darf also vom Staat nicht geholfen werden. Quintessenz des Nestors der katholischen Soziallehre: „Die heute weit verbreitete Haltung, in jeder Schwierigkeit nach Fremdhilfe, insbesondere nach Staatshilfe, zu schreien, verstößt gegen das Subsidiaritätsprinzip. Der Staat, der sich dazu hergibt, solchen Anforderungen nachzukommen, sogar ungebetene Milliardenbeträge an Hilfeleistungen dieser Art austeilt oder verspricht, verfehlt sich noch schwerer.“ Wie wahr. Subsidiarität wäre jetzt dringend wahr zu machen.

Betriebe können’s doch

Sie erinnern sich: Im September habe ich geschrieben, dass einzelne Betriebe mit unkonventionellen Ideen sehr wohl gute Fachkräfte kriegen und halten können – die ganze Branche freilich nicht. So eine Idee kommt zum Beispiel von einem Kollegen: Weil kaum noch die Lehrer – wenn überhaupt- sondern weit mehr die Eltern Einfluss auf die Berufswahl haben, Informationen statt der Schule, den Eltern antragen -live in Elternversammlungen. Für einen Auftritt dort muss man sich freilich was Besonderes einfallen lassen -vielleicht einen Renovierungsgutschein verlosen oder ähnlich attraktives. Jedenfalls nichts für die Klasse, aber vielleicht für die Klassenkasse. Ganz anders, aber ebenfalls erfolgreich, macht das ein größerer Betrieb: Er beschäftigt für seine Azubis temporär einen malerkundigen Betreuer mit pädagogischem Händchen. Dessen Credo: Der Betrieb soll für unsere Lehrlinge – nicht wenige sind Ausländer unterschiedlicher Herkunft – so etwas wie (s)eine Familie sein. Eine, in der man miteinander redet, deshalb auch Deutschunterricht, Verständnis füreinander hat, fördert – natürlich auch fordert. Warum das funktioniert? Weil Mitarbeiter, die gehen, fast nie woanders hinwollen, sondern von da, wo sie sich nicht wohlfühlen, nur weg. Und wer geht schon, wenn er sich wirklich wohlfühlt? Auch dieses Beispiel zeigt: Es geht doch.

Googlehupf

Marion Haubner, kreative Vordenkerin von Maler Haubner in Berngau, einem Vorzeige-Familienbetrieb, der in diesem Jahr das Double – Maler des Jahres und Gewinner des Bayerischen Staatspreises – geschafft hat, ist auch eine treue Leserin meiner Kolumnen. Sie hat mich zum „Googlehupfen“ ermuntert und unter anderem auf die „Buntstifte“ hingewiesen, einen Ausbildungsverbund, der nicht nur einen originellen Namen hat, sondern den „Stiften“ der beteiligten Betriebe auch ausgezeichnete Ausbildungsangebote macht. Die sollte man sich unter www.buntstift.info mal anschauen. Über die Aktivitäten ihres Sohnes Tobias und die anderer kreativer Junioren im Netz werde ich in der nächsten Ausgabe berichten. Zu den beiden Auszeichnungen kann ich Maler Haubner nur herzlich gratulieren – und mir zu einer Leserin wie Marion Haubner auch.

Macht mal Frühstückspause

Die Deutschen haben nicht mal mehr Zeit für’s Frühstück. Nach einer aktuellen Studie geben sie als Grund dafür die morgentliche Hektik an. Ob das auch für die Maler gilt? In meiner Lehr- und Gesellenzeit jedenfalls wurde pünktlich um 9 Uhr gefrühstückt, 15 Minuten – manchmal auch länger. Wenn wir kurz vor halb noch saßen und der Chef kam, hatten wir eine Standardausrede: Wir haben heute später angefangen. Er hat das verstanden. War halt ein Frühstücksmeister. Die gibt’s wegen der Hektik heute auch nicht mehr.


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Autor Werner Schledt war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk.

Werner Schledt

Gangstraße 35 c

60388 Frankfurt/Main

werner@schledt.de


Denen helfen, die sich nicht selbst helfen können.

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