Startseite » Aus- & Weiterbildung »

Alles geregelt

Aus- & Weiterbildung
Alles geregelt

Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) gehören zu den am umfangreichsten geprüften und geregelten Wandbekleidungen.

Helmut Pätzold, Caparol

WDVS sind heute ein fester Bestandteil des energetischen Bauens. Sie haben ihre vorrangige Funktion, den Wärmeverlust an den Außenwänden zu minimieren, auf hunderten von Millionen Quadratmetern unter Beweis gestellt. Der ausgereifte, hohe technische Stand ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass man sowohl von Seiten der Industrie als auch von Seiten der Vorschriftengeber (DIN, DIBt) und des ausführenden Handwerks technische Standards und Anforderungen festgeschrieben hat. So sind im Laufe der Jahre umfangreiche Regelwerke entstanden. Da sich die am Bau Beteiligten natürlich vorschriftenkonform verhalten wollen (bzw. müssen), sind die bei notwendigen Entscheidungen wohl am häufigsten gestellten Fragen:
Wo steht das?
Welche Norm regelt das?
Wo kann ich das nachlesen?
Nachfolgend erhalten Sie eine Auflistung der Regelwerke, die man im Zusammenhang mit WDVS kennen sollte.
AbZ und ETZ
Seit 1994 bedürfen WDVS einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (AbZ). Diese stellt den notwendigen Verwendbarkeitsnachweis dar. Sie beschreibt das zugelassene System in seinen einzelnen Bestandteilen, den vorgesehenen Anwendungsbereich, die zulässigen Untergründe, die erforderlichen Materialeigenschaften und die Kennzeichnungspflicht. Sie beinhaltet die notwendigen Vorgaben zur Stand- sicherheit, dem Wärmeschutz, dem klimabedingten Feuchteschutz, dem Schallschutz und dem Brandschutz. Des Weiteren sind die wesentlichen Kriterien für die fachgerechte Applikation beschrieben. Dies jeweils mit einem Querverweis auf die tangierenden Stoff- und Prüfnormen.
Eine wesentliche Botschaft der Zulassungen ist, dass stets nur in sich geschlossene Systeme verarbeitet werden dürfen und ein Materialmix unterschiedlicher Produkte oder Systeme nicht zulässig ist. Alle Systemkomponenten müssen vom Systemhersteller geliefert werden. Ein Abweichen hiervon bedeutet, dass quasi ohne Zulassung gearbeitet würde.
Momentan läuft eine Übergangsphase, in welcher die bislang ausschließlich für Deutschland gültigen AbZ in Europäisch Technische Zulassungen (ETZ) überführt werden, um so den freien Warenverkehr in der europäischen Gemeinschaft sicherzustellen. Diese künftigen ETZ regeln sinngemäß, wie bislang die AbZ, den prinzipiellen Systemaufbau. Da das Sicherheitsniveau in den europäischen Ländern aber unterschiedlich bemessen wird, bedarf es aber weiterhin einer national gültigen Anwendungszulassung, welche z.B. die besonderen Belange der Standsicherheit und des Brandschutzes nach deutschem Baurecht regelt.
Ergo: Der „Preis“ der europäischen Harmonisierung ist, dass jetzt zwei Zulassungen benötigt werden. Die ETZ beschreibt das System in seinen Einzelheiten, die Anwendungszulassung beschreibt, wie dieses in Deutschland verarbeitet werden muss. Bis zum Vorliegen der ETZ gelten weiterhin die bisherigen AbZ.
Dübelzulassungen
Sofern eine statisch relevante Befestigung der Dämmplatten mittels Dübeln erfolgt, müssen auch die Dübel eine ETZ für die Befestigung von WDVS besitzen. Der Anwendungsbereich der Dübel ist dabei in verschiedene Nutzungskategorien eingeteilt:
  • A = Beton
  • B = Vollsteine
  • C = Lochsteine
  • D = Haufwerksporiger Leichtbeton
  • E = Porenbeton
Der Planer hat demnach darauf zu achten, dass in Abhängigkeit des gegebenen Verankerungsgrundes (Wandbaustoff) auch der dafür zugelassene Dübel ausgeschrieben bzw. vom Fachhandwerker eingesetzt wird. Die Dübel gelten als Systembestandteil und müssen vom Systemhersteller geliefert werden.
DIN EN 13162 und DIN EN 13163
Auch für die überwiegend zum Einsatz kommenden Dämmstoffe aus Polystyrol oder Mineralwolle wurden die Stoffnormen neu gefasst (DIN EN 13 162: werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle (MW) und DIN EN 13 163: werkmäßig hergestellte Produkte aus expandiertem Polystyrol (EPS)). Für den Einsatz in WDVS gibt es darüber hinaus gehende Spezifikationen. Es ist zwingend darauf zu achten, dass auf dem Etikett eindeutig der Anwendungstyp „WDV“ genannt sein muss. Zum Beispiel sind Dämmplatten mit der Bezeichnung „DZ“ nur für den Bereich „Zwischensparrendämmung“ und Platten mit der Kennzeichnung „WI“ für „Innendämmungen“ zugelassen.
Dämmstoffe aus MW oder EPS, welche für WDVS zusätzliche, in den genannten Normen nicht geregelte Eigenschaften besitzen (z.B. Elastifizierung zum Zweck der Verbesserung des Schallschutzes), bedürfen darüber hinaus einer Zulassung für den Einsatz in WDVS. Ebenso alternative Dämmstoffe, z.B. aus nachwachsenden Rohstoffen.
ATV DIN 18345 und Kommentar
Bis zum Januar 2005 gab es für WDVS keine eigenständige ATV (Allgemeine Technische Vertragsbedingung). Es wurde auf die DIN 18 350 „Putz- und Stuckarbeiten“ und DIN 18 363 „Maler- und Lackiererarbeiten“ verwiesen.
Im Januar 2005 erschien die DIN 18 345 und im Oktober 2005 der dazugehörige Kommentar. Somit sind nun eindeutige, WDVS-spezifische Vorgaben darüber vorhanden, welche Angaben z.B. ein Leistungsverzeichnis enthalten muss, welche Leistung nach Quadratmetern, nach Metern oder nach Stück auszuschreiben ist. Es ist klar definiert, was „Nebenleistungen“ sind und was zu vergütende „Besondere Leistungen“ sind. Im Abschnitt 5 ist festgeschrieben, wie aufgemessen werden muss. Eine wesentliche Neuerung hierbei ist z.B., dass Öffnungsleibungen prinzipiell nach Metern aufzumessen sind, auch wenn Öffnungen unter 2,5 Quadratmetern übermessen werden. Es gilt zu hoffen, dass mit diesem Regelwerk Leistungsbeschreibungen nach dem Muster „1 Stück WDVS inklusive aller Nebenarbeiten“ endgültig der Vergangenheit angehören.
DIN 55 699
Mit der DIN 55 699 (Verarbeitung von WDVS) ist im Februar 2005 ein Regelwerk veröffentlicht worden, welches die Grundsätze der fachgerechten Verarbeitung von WDVS in allgemein gültiger Form beschreibt. Ausführlicher als in den ABZ werden die notwendigen planerischen und baulichen Voraussetzungen beschrieben sowie die einzelnen Arbeitsschritte und die Handhabung der unterschiedlichen Materialien erläutert.
Diese Norm ist ein wertvolles Hilfsmittel zur Festschreibung der grundsätzlich zu beachtenden Verarbeitungskriterien. Sie setzt aber nicht die Vorgaben der fabrikatsbezogenen Zulassungen oder die Verarbeitungsvorschriften des Herstellers außer Kraft.
Herstellervorschrift
Einer der wichtigsten Vertragsbestandteile zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sollte nach wie vor die Herstellervorschrift sein. In dieser dokumentiert der Hersteller, wie seine Materialien spezifisch zu handhaben sind, um die zugesicherten Eigenschaften zu erzielen. Als Zusätzliche Technische Vertragsbedingung (ZTV) sind die Herstellervorschriften somit „rangmäßig“ vor den Normen angeordnet.
Ergänzend zu den Regelungen in den Zulassungen und Normen wurden verschiedene Einzelheiten zur fachgerechten Planung und Ausführung von WDVS als „Stand der Technik“ in entsprechenden Merkblättern und Richtlinien beschrieben. Diese sollten fallweise ebenfalls zum Vertragsbestandteil zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gemacht werden.
Systeminfo 6 „Brandschutz“
In den Systemzulassungen werden hinsichtlich brandschutztechnischer Maßnahmen nur die so genannten Regel-ausführungen beschrieben, so z.B. Brandabschottungen über den Fensterstürzen bei WDVS mit Polystyroldicken über 10 cm. Bei abweichenden Ausführungen (z.B. integrierte Rollladenkästen oder Jalousieblenden) wird der bauaufsichtlich geregelte Bereich verlassen. Derartige Konstruktionen sind gemäß Zulassung „im Einzelfall zu beurteilen und bedürfen ggf. zusätzlicher Nachweise“.
Um für die nötigenfalls einzuholende Zustimmung im Einzelfall die notwendigen Funktionsnachweise bereitzustellen, wurden eine Reihe von Ausführungsvarianten und Anschlüsse einer brandschutztechnischen Prüfung und Bewertung unterzogen. Diese sind in der Broschüre „Systeminfo 6 – Brandschutz“ (herausgegeben vom Fachverband WDVS) dokumentiert.
Systeminfo 7 „Schallschutz“
Die Systemzulassungen enthalten zum Thema Schallschutz stark pauschalierte Korrekturwerte bezüglich der schallschutztechnischen Auswirkungen von WDVS auf die Außenwand. Zur Ermöglichung differenzierter Aussagen wurde ein Forschungsprojekt mit meßtechnischer Beurteilung einer Vielzahl von Systemvarianten durchgeführt.
Die Broschüre „Systeminfo 7 – Schallschutz“ (herausgegeben vom Fachverband WDVS) enthält ein umfangreiches Tabellarium, welches es ermöglicht, unter Berücksichtigung des jeweiligen Dämmstoffes, seiner Dicke und Befestigungsart sowie dem Putzschalengewicht die Auswirkungen durch WDVS abzulesen.
BFS-Merkblatt Nr. 21
Bereits lange vor Ausarbeitung der DIN 55 699 wurde diese „Technische Richtlinie für die Planung und Verarbeitung von WDVS“ vom Bundesverband Farbe und Sachwertschutz (BFS) erstellt und somit der „Stand der Technik“ fixiert. Sie beinhaltet neben den Vorgaben zur Handhabung der Werkstoffe auch ausführliche Erläuterungen über die rechnerische Bemessung der notwendigen Dämmschichtdicken sowie über bauphysikalische Auswirkungen des WDVS.
Sockelbereich
Speziell an den Übergängen von der Fassadendämmung zum durch Spritzwasser belasteten Sockel bis zur Perimeterdämmung kommt es häufig zu Abstimmungsproblemen zwischen den verschiedenen Gewerken, was letztendlich zu Fehlleistungen und Schäden führen kann.
Das Merkblatt „Wärmedämm-Verbundsysteme im Sockel- und erdberührenden Bereich“ (Herausgeber: GTA, Gemeinsamer Technischer Ausschuss der Verbände) und die Richtlinie „Fassadensockelputz/Außenanlage“ (Herausgeber: Fachverband der Stuckateure Baden-Württemberg) befassen sich mit dieser sensiblen Schnittstelle „Mauerwerk/Bauwerksabdichtung/Dämmung/Putz/Landschaftsbau“. In Zusammenarbeit mit dem Bund der Landschaftsarchitekten sowie dem Fachverband der Garten- und Landschaftsbauer wurden die Zuständigkeiten eindeutig festgelegt und praxisrelevante Ausführungsvorschläge unterbreitet.
Anschlüsse an Fenster
Die Fensteranschlüsse stellen eine Schnittstelle der Gewerke „Rohbau/Fensterbau/Sonnenschutz/Innenputz/WDVS“ dar. Dies macht eine ordentliche Planung und Koordination der Arbeiten erforderlich. Wenn sich einer auf den anderen verlässt, kommt meist nichts Gutes dabei heraus.
In Zusammenarbeit mit dem Fachverband Glas-Fenster-Fassade und dem Bundesverband Rollladen- und Sonnenschutz wurden die Zuständigkeiten und baulichen Voraussetzungen eindeutig beschrieben. Eines der wichtigsten Kriterien ist, dass der raumseitige Fensteranschluss diffusionsdicht und luftdicht hergestellt werden muss, um den Eintritt feuchtwarmer Raumluft und eine damit verbundene Kondenswasserbildung in der WDVS-Ebene zu vermeiden. Die Richtlinie „Anschlüsse an Fenster und Rollläden bei Putz, Trockenbau und Wärmedämm-Verbundsystemen“ (Her-ausgeber: Fachverband der Stuckateure Baden-Württemberg) enthält hierzu eine Reihe von beispielhaften Regel- details.
Anschlüsse an Metallbauteile
Die Richtlinie „Metallanschlüsse an Putz und Wärmedämm-Verbundsysteme“ (Herausgeber: Fachverband der Stuckateure Baden-Württemberg) wurde in Zusammenarbeit mit dem Klempnerhandwerk erarbeitet. Auch hier geht es um die klare Zuordnung der Gewerke, um Probleme in der Funktion des WDVS zu vermeiden. Die Sammlung beispielhafter Regeldetails stellt eine praxisgerechte Arbeitshilfe dar.
Visuelle Anforderungen
Wer kennt nicht die Diskussionen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, ob denn der Strukturputz optisch in Ordnung ist oder nicht? Das Merkblatt „Strukturierte Putzoberflächen – Visuelle Anforderungen“ (Herausgeber: Hauptverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz) zur Beurteilung von Unregelmäßigkeiten an einer Putzfläche ermöglicht es den Beteiligten oder dem beauftragten Sachverständigen einheitliche Maßstäbe zur Bewertung anzu- legen.
Egalisationsanstriche
Es entspricht dem Stand der Technik, dass eingefärbte mineralische Putze in Witterungsabhängigkeit ungleichmäßig auftrocknen können. Das Merkblatt „Egalisationsanstriche auf Edelputzen“ (Herausgeber: Industrieverband WerkMörtel e.V.) beschreibt die technischen Zusammenhänge und legt dar, dass ein Egalisationsanstrich eine besonders zu vergütende Leistung ist, welche separat ausgeschrieben und angeboten werden muss.
Passivhaus-Zertifizierung
Bei der Realisierung von Passivhäusern ist die Dämmung der Gebäudehülle ein wesentlicher Bestandteil. Im Bereich der Außenwände kommen hierbei WDVS mit bis zu 30 Zentimetern Dämmschichtdicke zum Einsatz.
Diese Konstruktionsdicken machen es erforderlich, dass den Detailausbildungen der Anschlüsse am Sockel, den Fenstern und Dächern besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Oberstes Gebot ist es, unnötige Wärmebrücken zu vermeiden. Das Passivhausinstitut (PHI) in Darmstadt hat hierfür entsprechende Anforderungen ausgearbeitet und stellt für speziell geprüfte WDVS entsprechende Zertifizierungen aus, welche das Produkt als „passivhaustauglich“ ausweisen.
Überreglementierung?
Wenn man die Fülle an Regelwerken, alleine für das Gewerk WDVS, betrachtet, ist man natürlich schnell geneigt, von einer bürokratischen Überreglementierung zu sprechen, welche den Architekten, Ingenieuren und Fachhandwerkern kaum einen Handlungsspielraum für Kreativität lässt. Aber: Ruft nicht genau dieser Personenkreis bei der geringsten Abweichung vom Normalen: „Wo steht das? Wer übernimmt die Gewährleistung?“ Sei es aus (überzogenem?) Sicherheitsdenken oder mangelnder eigener Entscheidungsfähigkeit bzw. Erfahrung. Deshalb: Regelungen müssen sein, um das gebotene Sicherheitsniveau zu erfüllen und den Beteiligten eine Entscheidungsbasis zu geben. Letztendlich bieten WDVS trotz aller Vorschriften ein hohes Maß an Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeit.
Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de