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Farbige Fassaden, Teil 4

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Farbige Fassaden, Teil 4

Farbgestaltung und Formgebung in der Architektur sollten Hand in Hand gehen. Über Materialtonigkeit und Monochromie.

Die Gestaltungslehre am Bauhaus war gegliedert in Form- und Farbtheorie. Die Reihenfolge der Begriffe ist nicht zufällig so gewählt, es ist vielmehr so, dass der Mensch primär, also zuerst die Form wahrnimmt und dann, Bruchteile von Sekunden später als sekundären Faktor die Farbe. Dimension und Proportion geben uns sofort die Information, ob ein Bauwerk in sich stimmig ist und in seinem Gesamtausdruck den Anforderungen entspricht. Wenn das Konzept der Architektur stimmt, ist es eigentlich ganz gleich, ob die Architektur monochrom, polychrom oder auch materialtonig gefasst ist. Fällt uns ein Gebäude negativ auf, liegt es in der Regel nicht an der falschen Farbgebung, sondern am Gesamtkonzept. Fällt uns im Gegenteil ein Bauwerk als bewundernswert schön auf, sind in der Regel das Gesamtkonzept und die Form in sich stimmig und das dazugehörige Farbkonzept ist konsequent auf die Architektur reagierend eingesetzt worden.

Für den Maler und Farbgestalter bedeutet das, aus einer Reihe von Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit dem Architekten Farbkonzepte zu erstellen, die auf die gegebene Form – sprich Architektur – reagieren. Farbe in der Architektur ist also immer abhängig von dem Gestaltungskonzept, welches der Architekt vorgegeben hat. Weil die Form eine sogenannte Prioritätswirkung besitzt, sollte Farbe sich diesem Prinzip nicht entgegenstellen, sondern ihm eher dienen. Verschönerungsversuche an schlechter Architektur sind zwecklos, sie unterstreichen vielmehr die schlecht gewählten Proportionen und Formen. Wünschenswert bei einem Neubau wäre es, wenn die Farb- und Materialplanung von Anfang an in die Gesamtkonzeption einbezogen würde. Das ist aber leider nicht immer der Fall, meist heißt es: „Jetzt müssen wir das Ganze noch in Farbe setzen”. Das Farbkonzept sollte dabei in erster Linie die Eigenständigkeit des Bauwerks unterstützen und sich zweitens in das Gesamtensemble und Umfeld einfügen. Es gibt verschiedene Mittel und Methoden, die der Gestalter für seine Konzeption wählen kann. Es wäre wünschenswert, an einem Gebäude nur eines dieser Konzepte zu verfolgen.


Materialtonigkeit

Farbe als untergeordneter Faktor, eventuell eingesetzt als Schutzlasur oder als Akzent, führt uns zur Materialsichtigkeit bzw. Materialtonigkeit. Hierbei können wir drei verschiedene Vorgehensweisen unterscheiden.

Den Einsatz von Material ganz puristisch, nur Material ohne Schutz vor Witterungseinflüssen, finden wir in Bergdörfern in der Schweiz: Häuser aus Stein gebaut mit Holzverkleidungen, die mit der Zeit vergrauen und verwittern. Ein besonders gelungenes Beispiel für die Verwendung reiner Naturmaterialien im Innenraum und deren Farbigkeit ist der im Jahr 1930 für die damalige Weltausstellung in Barcelona gebaute Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe. Hier kommt die Farbe rein aus dem Material, dem verschiedenfarbigen Marmor heraus.

Der Einsatz von Naturmaterialien mit Schutzlasuren ist ein in der Epoche des Klassizismus viel gepriesenes Farbkonzept. Karl Friedrich Schinkel ließ Farbe an der Fassade lediglich zum Schutz des schönen Materials zu. Seine Backsteinbauten durften nur mit einer Öllasur überzogen werden. Es kam seinerzeit, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zum sogenannten Polychromiestreit: Die Auffassung der Verfechter der Steinsichtigkeit antiker Tempel contra Verfechtern der Meinung, die antiken Tempel seien, symbolträchtig oder rein dekorativ, buntfarbig dekoriert gewesen. Die Auffassung der Steinsichtigkeit setzte sich damals durch, obwohl wir heute wissen, dass in der Antike alle Gebäude farbig gefasst waren. Aus diesem Grund schreibt der Denkmalschutz für historische Fassaden aus der Zeit des Klassizismus steinsichtige Farbtöne oder Lasuren vor.

Heute zieren andere Marmor- oder Granitpaläste unsere Städte, wobei sich immer ein wenig die Frage nach dem sogenannten Lokalkolorit stellt. Warum muss ein polierter Granit aus Südamerika, China, Indien oder Australien an eine Fassade eines Gebäudes einer nordeuropäischen Großstadt? Haben nicht die in der Umgebung vorkommenden Materialien das Lokalkolorit unserer Städte geprägt? Materialtonigkeit gekoppelt mit Farbakzenten ist ein Konzept aus den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts, der Zeit der Postmoderne. Hier verwendete der Architekt James Stirling für den Bau der Staatsgalerie in Stuttgart „Cannstatter Travertin” in Kombination mit sehr starkfarbigen Akzenten wie Fensterrahmen und Treppen- und Rampengeländer. Die gleiche Kontrastwirkung setzte er auch bei der Britischen Botschaft in Berlin ein.

Andere bedeutende Künstler in der Gestaltung aus dem Material heraus sind der amerikanische Baumeister und Architekt Frank Lloyd Wright und der Japaner Tadao Ando mit seinen reinen, klaren Sichtbetonbauten z.B. in Weil am Rhein. Bei beiden spielt aber immer die Einbindung in die Natur wie Wald, Wiesen oder Berg- und Wüstenlandschaften eine besondere Rolle.

Den Reiz vieler griechischer Inseln macht das monochrome Weiß im Zusammenspiel mit den Farben des Südens aus.


Monochromie

Bei monochromen – einfarbigen – Farbkonzepten hat man fast automatisch den Farbton „Weiß” vor Augen. Bei einem monochromen Farbkonzept kann aber auch ein Gebäude ganz in Rot oder ganz in Grün gefasst sein.

Monochrome Farbkonzepte machen den Reiz der kykladischen, griechischen Inseln und deren beschauliche Orte. Aus der Tradition heraus gewachsen im Zusammenspiel mit dem Umfeld – dem Blau des Himmels, dem Türkis des Meeres, dem Rot der Erde und der Vielfarbigkeit der Blumenpracht – laden uns die südlichen Inseln zum Verweilen ein und wir finden es schön, erholen und entspannen uns. Kaum jemand weiß aber, dass die Farbe Weiß auf einen Erlass des Diktators Metaxas zurückgeht, der die Farben „Weiß”, nämlich das „Weißeln” der Häuser und Straßen mit Kalk vorgeschrieben hat, um Epidemien und Krankheiten vorzubeugen. Auch aus diesem Grund steht Weiß in der Farbsymbolik immer für Reinheit und Sauberkeit. Von dem Hamburger Professor für Gestaltung Fritz Seitz stammt der Satz: „Lieber Weiß als Farbe falsch!” Und so wird Weiß als beliebtester Farbton in der Architektur auch heute immer wieder eingesetzt, denn sobald ich Farbe anwende, muss ich mich mit der Form und der Wirkung des jeweiligen Farbtones auseinandersetzen und ich stelle mich auch der öffentlichen Kritik.

Leider geht mit dem Begriff Monochromie häufig der Begriff Monotonie oder Eintönigkeit einher, schaut man sich die „trostlosen Vorstadtsiedlungen in einheitlichem Grau oder Weiß an. Hier sind unsere Farbgestalter und Stadtplaner aufgefordert, mit einer gut überlegten Farbleitplanung den Lebensraum für alle Bewohner lebens- und liebenswert zu gestalten.

Monochrome Farbkonzepte beziehen sich in der Regel auf einen Farbton und dessen Modulation in Hell und Dunkel. Auch hier kann man wie bei der Materialtonigkeit wieder ganz einfach skulptural vorgehen, das heißt wir unterstützen nur die Form durch einen Farbton, wir können aber auch mit ganz leichten Farbakzentuierungen arbeiten oder ein feines ornamentales Dekor einsetzen. Dafür, dass monochrom eine sehr hohe Qualität besitzen kann, stehen die Architekturskulpturen in Weiß des amerikanischen Architekten Richard Meier in Frankfurt, Ulm und Barcelona. Sie standen sicherlich Pate für eine Vielzahl neuer aktueller Architekturbeispiele. Lieber Weiß als Farbe falsch!

Prof. Matthias Gröne, Hochschule Esslingen
Quelle: Malerblatt 06/2013

Farbige Fassaden, Teil 4
Materialtonigkeit mit farbigen Akzenten ist ein Gestaltungskonzept aus der Postmoderne: hier an der Fassade der Britischen Botschaft in Berlin.

Farbige Fassaden, Teil 4
Wohnhaus und Atelier von Antoni Gaudi.

Farbige Fassaden, Teil 4
Die Farbe der Natur wurde für die Fassade dieses Renaissancehauses in Norddeutschland gewählt.

Farbige Fassaden, Teil 4
Monochrome Farbgebung am polygonal geformten Baukörper: das Porsche Museum in Stuttgart.

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Den Reiz vieler griechischer Inseln macht das monochrome Weiß im Zusammenspiel mit den Farben des Südens aus.

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Farbwechsel im gleichen Farbton: Fassade am Viktualienmarkt in München. Fotos: Sto AG, Matthias Gröne

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