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Schwarze Fassaden

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Schwarze Fassaden

Annähernd schwarze Fassaden sind keineswegs Mainstream, sondern sorgen punktuell eingesetzt für Aufsehen.

Schwarz ist schwarz. Sollte man meinen, aber weit gefehlt: Es gibt unterschiedlichste Nuancen von schwarzen Farben. Dazu genügt allein der Blick in den Katalog eines Pigmenthändlers wie Kremer: Da stehen so illuster klingende Farbmittel wie Pfirsichkernschwarz, Elfenbeinschwarz, Sepia oder Atramentum im Angebot. Das klingt fast schon poetisch, verweist aber trefflich auf den Ursprung der jeweiligen Schwärze. Auch Beinschwarz findet sich dort, hergestellt aus erhitzten Knochen, was sich schon weniger erbaulich anhört, aber dennoch eine Geschichte erzählt.

Hier erkennt man die verschiedenen Formate der Schieferbekleidung, die zu einer außerordentlichen Flächenbelebung beitragen.

Überhaupt verbindet Schwarz den Ursprung und das Ende des Universums, gibt sich unnahbar, geheimnisvoll, reduziert die Farbigkeit auf eine tiefe Dunkelheit. Doch nur auf den ersten Blick. Wer genau hinschaut, dem öffnet sich eine nuancenreiche Sphäre, die zwischen dunklem Grau, bläulichem Schwarz und tiefem Schwarz changiert. Jedenfalls, wenn man sich abseits der industriellen Pfade der normierten, synthetischen Pigmente bewegt. Das freilich hat wenig mit der Wirklichkeit am Bau zu tun – hier kommt das Schwarz aus den Reaktoren der großen Pigmenthersteller und nicht aus dem brasilianischen Boden wie das Manganschwarz.

Das schwärzeste Schwarz

Das wohl schwärzeste Schwarz wird aus dem zunächst farblosen Mineral Spinell durch chemische Modifikation hergestellt. Es remittiert im ganzen Frequenzbereich des sichtbaren Lichtes nicht mehr als 1,5 Prozent des auftreffenden Lichtes. Andere Schwarzpigmente remittieren in einigen Bereichen mehr Licht, weshalb sie „dadurch mehr oder weniger farbig erscheinen”, so Stefan Muntwyler und Georg Kremer im empfehlenswerten Buch Farbpigmente. Spinellschwarz zeigt zudem eine weitere interessante Eigenschaft: Es strahlt Wärme, also Licht des infraroten Spektrums, diffus ab. „Daher wird es im militärischen Sektor zum Anstrich von Tarnkappenbombern eingesetzt”, so die beiden Pigmentexperten.

Zur Straße, aber auch zur Hofseite hin präsentiert sich das Wohnhaus „HE93“ nahezu schwarz über alle Elemente hinweg. Inzwischen wurde das Gebäude sogar noch aufgestockt.

Was aber macht Schwarz an der Fassade? Es tarnt mitnichten, sondern hebt das Gebäude aus seiner Umgebung heraus, signalisiert Nonkonformismus und Eigenständigkeit. Schwarze Architektur meint es ernst, ist kompromisslos auf sich selbst bezogen und reduziert die Räumlichkeit eines Bauvolumens, weil es alle Lichter und Schatten auf den Flächen schluckt. Formale und farbliche Reduktion steigern sich da gegenseitig. Das schwarze Haus ist ein Statement der Architektur, vielleicht eine Art Gegenreaktion auf die verbreitete Beliebigkeit und Gedankenlosigkeit, die das aktuelle Bauen durchwuchert.


Unbehagen oder Faszination?

Kein Zweifel: Schwarz polarisiert, allerdings ganz anders als ein schriller Buntton, der großflächig auf der Fassade die Sehapparate der Passanten malträtiert. Denn Schwarz hat immer auch etwas mystisches, geheimnisvolles. Was verbirgt sich in einem schwarzen Gebäude? Wer lebt darin und vor allem wie? Ist es innen auch schwarz? Katrin Trautwein von kt.color schrieb unlängst in der „deutschen bauzeitung” über die Angst vor dem Schwarzen in der Architektur, dass die Meinungen und Betrachtungen bei Schwarz und seinem Gegenpol Weiß weit auseinanderdriften. „So wird die weiße Farbe in der Architektur von Bauherren und Gestaltern meist ebenso unkritisch als etwas objektiv Gutes gesehen, wie die schwarze Farbe – das Dunkleallgemein – mit Unbehagen betrachtet und gar gemieden”.

Schwarz-weiß in Köln. Das Interieur des sanierten Reihenmittelhauses „HE93“ in Köln ist monochrom Weiß gehalten. Kontrastierend dazu die alt belassene Treppe.

Dennoch tauchen aus dem Meer des farbigen Einerleis in Städten und auf Dörfern mehr schwarz gefasste Volumen als früher auf. Der Grund dürfte ganz ein ganz pragmatischer sein – Schwarz oder dunkelstes Grau sind heute besser realisierbar als vor zehn Jahren noch. Einst nur per kostspieliger Vorhangfassade machbar, kommt das Schwarz heute viel rationeller als Anstrich oder pastöser Putz auf die Fassade. Neue Bindemittel und vor allem neuartige Pigmente, die eine solare Aufheizung der Flächen durch selektive Wärmerückstrahlung reduzieren, machte minimale Hellbezugswerte erst möglich – und in Kombination mit Dämmsystemen auf EPS-Basis bezahlbar.

Schwarz in der Reihe

Monochrome Dunkelheit als Statement nutzt auch das Reihenmittelhaus „HE93″ in Köln. Der Bestandsbau war stark sanierungsbedürftig, wurde im Inneren völlig umgebaut und von außen gedämmt. Die unmittelbare Einbindung in die Nachbarbebauung erschwerte die visuelle Differenzierung der Fassaden, weshalb die Architekten einen grafischen Ansatz suchten – will heißen auf eine unfarbige Gestaltung zielten, die auch den neuen Status des Gebäudes unmissverständlich verdeutlicht. „Die bestehenden Dachsteine wiesen einen dunkelgrauen Farbton auf, der in der Fassade nicht unberücksichtigt bleiben konnte und ebenfalls für einen dunkelgrauen bis schwarzen Farbton sprach”, so Jakub Sztur vom Aachener Büro SzturHärter Architekten.

„Als während der Arbeiten im Inneren die Treppe in ihrer groben, schwarzen Erscheinung auftauchte, wurde dieser Farbton zum verbindenden Element zwischen dem Außen- und dem Innenraum.” Denn im Gegensatz zur Hülle zeigt sich das Interieur in einem geradezu gleißenden Weiß. Wie aber reagiert die Umgebung auf eine so radikale Veränderung? „Verwundert”, sagt Jakub Sztur, „doch nach kurzer Zeit war die Resonanz überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, positiv.”

Die frei gelegte Treppe in ihrer Rohheit setzt sich klar vom restlichen Raum ab, nimmt aber Bezug zur Fassade.


Wilder Schiefer

Ebenfalls dem Hell-Dunkel-Prinzip folgt ein Doppelhaus in Stuttgarter Halbhöhenlage. Innen dominiert Weiß, akzentuiert von hellen Hölzern. Außen bekleiden dunkleSchieferplatten die beiden Kuben, ähnlich wie traditionelle Schindeln, allerdings in unterschiedlichsten Formaten. Dieser wilde Verband stellte die Planer, aber auch die ausführenden Dachdecker vor große Herausforderungen, schließlich galt es, die vielen Öffnungen in das Plattenraster der Vorhangfassade aufzunehmen.

Kein Anstrich, sondern Material: Das kubische Doppelhaus in Stuttgart wurde mit Schieferschindeln als hinterlüftete Fassade ausgeführt. Nicht nur die Südfassade beginnt im natürlichen Licht zu leben.

Jede der Platten wurde mit drei bis fünf Nägeln auf der hölzernen Unterkonstruktion befestigt, unter der sich eine 160 Millimeter starke mineralische Dämmung verbirgt. Trifft Licht auf die Kuben, dann verändert sich die Anmutung des Schiefers sofort, legt sich ein lebendiger Glanz über die spaltrauen Oberflächen.

Die Ecke als Herausforderung: Eingekämmte Schieferplatten sorgen für eine exakte Ausbildung der Gebäudeecken.

 

Armin Scharf
Fotos: SzturHärterArchitekten, Rathscheck Schiefer
Quelle: Malerblatt 03/2014
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