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Baustil: Jugendstil

Baugeschichte
Baustil: Jugendstil

Jugendstil

Florale Formen sind das Hauptmerkmal der Bauepoche des Jugendstil. Über die Wertigkeit der Farbe wurde gestritten.

Der Name Jugendstil bezeichnet ursprünglich einen Stil in Nachahmung der Art, wie die in München 1896 erscheinende Kunstzeitschrift „Jugend“ gestaltet war. Datiert ist der Jugendstil von etwa 1890 bis 1910. Er ist Ausdruck einer jungen Generation intellektueller Schichten, die sich gegen die Nachahmung historischer Stile richtet.
Infolge der zunehmenden Industrialisierung und der Serienproduktion hatte das Kunsthandwerk an Bedeutung verloren. Jetzt möchte man das Kunsthandwerk wieder beleben. Selbst zweckgebundene Gegenstände wie Möbel nehmen ornamentale Gestalt an. So wird beispielsweise eine Säule im Sinne pflanzlichen Wachstums gedeutet.


Architektur

Die Architektur des Jugendstils will ein Zusammenwirken der verschiedenen Künste in der Umwelt darstellen. Neue Materialien wie Eisen, Stahl, Glas und Beton sind anerkannt, der Grundstein für funktions- und materialgerechtes Bauen wird gelegt.
England macht sich als erstes Land frei von der Imitation historischer Bauvorlagen. Gewachsene, natürliche Formen und die Wachstumsprinzipien der Natur werden auf die Architektur übertragen. Es entstehen zwei Gestaltungsrichtungen, welche beide für die Jugendstilarchitektur kennzeichnend sind. Vertreter dieser Richtungen sind zum einen der spanische Architekt A. Gaudí, zum anderen der Schotte C. R. Macintosh. In der Architektur Gaudís erfährt der Jugendstil eine sehr ausschweifende Gestalt. Die Bauten Macintoshs wie auch die des Wiener Architekten Otto Wagner haben weniger von dieser organischen Struktur. Ihre Bauten zeichnen sich aus durch eine harmonische Verbindung des Jugendstil-ornaments mit langen, sehnsuchtsvollen Kurven zu einem schlanken, aufrechten Baukörper mit eckigen Formen.
Die Häuser auf der Mathildenhöhe u.a. von Peter Behrens gelten als Vorbild für die Jugendstilarchitektur in Deutschland. Der Übergang zur Moderne der Zwanzigerjahre ist bereits ablesbar an der von ihm gebauten AEG-Turbinenfabrik in Berlin 1909.
Trotz der Absicht der Künstler und Architekten, Schönheit für die Volksmassen zu produzieren, dienen ihre Produkte zunächst als kostbare Einzelstücke des sich „modern“ gebenden Großbürgertums. Die spätere serielle Fertigung von ursprünglich handwerklich hergestellten Kunstgewerbegegenständen führte schließlich zur Verachtung und Ablehnung des Jugendstils bis in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts hinein.


Farbig

Die Ausstellung in Darmstadt im Jahr 1901 unter dem Titel „Ein Dokument Deutscher Kunst“ hat für die Farbgebung der damaligen Zeit signalhaften Charakter. Angesichts der inzwischen weitgehend steingrauen Städte treten viele Architekten, Handwerker, Farbtheoretiker und Künstler ein für die Verwendung klarer Farben in der Architektur. Zunächst ist diese Forderung nach Farbe lediglich auf den Innenraum ausgerichtet, später greift sie auf die Fassadenfarbigkeit über. Bereits um die Jahrhundertwende spielt die Polychromie im Bauwesen eine wichtige Rolle; Farbe bleibt jedoch nur zusätzliches Schmuckelement oder sie ist eng mit dem Material wie Fayencen, Klinker und Backstein verbunden. Das auf der Mathildenhöhe entstandene Villenviertel heißt im Volksmund „Tintenviertel“, die übrige Stadt bleibt unberührt steingrau. Ein Farbrezept, übertragbar auf mehrere Jugendstilhäuser jener Zeit: Giebel verschindelt, grün gestrichen, Holzwerk wird weiß gehalten, die übrige Fassade ocker abgetönter Putz. Besonders wichtig sind die roten Dachziegel, denn durch die Farbabstimmung Grün, Gelb, Weiß und Rot macht das Haus einen freundlichen Eindruck, einem Blumenstrauß gleich. Die Zeitschrift „Die Kunst“ empfiehlt für Landhäuser im Harz eine Farbpalette von hellem Ocker, tiefem Rot, Blau und Grün sowie Schattierungen von Violett. Andere Rezepturen empfehlen rote Klinkerlisenen vor dunkelgrauem Putz, Fenster weiß gestrichen, Sockelzonen blau verklinkert oder hellbeige verputzt, die Dächer wieder ziegelrot.


Oder nicht?

Neben der Gruppe, die überzeugt ist vom Sieg der Farbe in der Architektur, werden Stimmen laut, welche das „geistlose Bepinseln“ von Häusern und Mauerflächen ablehnen. „Nichts wirkt Genuss tötender als übel gewählte, ordinär kreischende Farbtöne“, sie gelten als „überflüssiges Pinselgefasel“. Auch die Vertreter der Polychromie raten, das „Nebeneinanderpinseln“ mehrerer Farben zu vermeiden: „Wo du zu dekorativen Zwecken mit einer Farbe auskommst, da nimm nicht zwei, wo zwei langen, nicht drei, sonst allerdings kommt statt Farbenkraft leicht Buntscheckigkeit heraus“.
Die beiden Gestaltungsrichtungen der Architektur des Jugendstils spiegeln sich auch in der Farbgebung wider. Antoni Gaudí verwendet für seine biomorphen Formen kräftige, bunte Farben. Farbtöne wie Türkis, Rot, Violett, Gelb, Grün und Blau beherrschen das Bild. Macintosh hingegen setzt den strengen Steinformen des Baukörpers zarte Farbtöne wie Silber, Lila und Rosa in den Ornamenten entgegen. Die Holzfenster werden weiß lackiert.
Um einem Farbchaos Einhalt zu gebieten, versuchen Länderregierungen und Gemeinden Vorschriften für eine harmonische Farbgebung zu erlassen – gemeinsam mit Architekten, Farbtheoretikern und Künstlern.
Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird diese Auseinandersetzung mit der Polychromie im Jugendstil unterbrochen.

Prof. Matthias Gröne, Hochschule Esslingen
Quelle: Malerblatt 09/2010


Jugendstil

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Dachdetail Casa Battló, Barcelona

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Fassadendetail Casa Battló, Barcelona

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Fassadendetail in Luxemburg

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Jugendstilportal in Riga

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Baustil: Jugendstil
Jugendstil an großbürgerlichem Haus in Riga. Fotos: Matthias Gröne

 

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