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Von der Kartoffel zur Farbe

Innenfarben
Von der Kartoffel zur Farbe

Kartoffelchips sind ein beliebter Snack. Das beim Waschen der Kartoffeln anfallende Wasser enthält viel Stärke. Dieses „Abfallprodukt“ wird nun für ein neuartiges Bindemittel, das in einer Innenwandfarbe zum Einsatz kommt, verwendet.

Autorin I Fotos: Susanne Sachsenmaier-Wahl

Die Deutschen verzehren nach Aussage des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI) durchschnittlich zwischen 0,9 und 1,25 Kilogramm Kartoffelchips pro Kopf und Jahr. Das sind rund zehn Tüten. Im europäischen Vergleich verzehren die Deutschen dabei deutlich weniger Kartoffelchips als ihre Nachbarn. Die Deutschen bewegen sich im unteren Mittelfeld. Iren und Briten verzehren mit 2,5 bis 2,9 Kilogramm/Jahr doppelt so viel bis fast die dreifache Menge. Europameister im Chipsverzehr sind jedoch die Niederländer mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von über drei Kilogramm. Wenn Sie sich jetzt wundern, warum eine Malerfachzeitschrift sich mit Kartoffelchips beschäftigt, erhalten Sie im Folgenden die Antwort darauf.

Vom Waschwasser zum Bindemittel

Bevor aus der Kartoffel knusprige Chips (oder Pommes) entstehen können, müssen die Knollen zunächst gewaschen bzw. geschält werden. Das zum Waschen benötigte Wasser gelangte jahrelang ungenutzt in die Kanalisation – und mit ihm die darin in großer Menge enthaltene Kartoffelstärke. Dabei kann dieses synthetische Bindemittel in Innenwandfarben ersetzen. Den Beweis dafür lieferte Caparol den Besuchern der Fachmesse „Farbe, Ausbau & Fassade“ (FAF) mit der Vorstellung der Innenwandfarbe „PlantaGeo“.

Ganz neu ist die Kartoffelstärke in der Malerbranche selbstverständlich nicht. „Stärke ist schon seit Jahrhunderten als Bindemittel bekannt, etwa für Kleber oder als Leim“, sagt Dr. Johannes Westmeier, Laborleiter für Innenfarben. Das Problem liege aber darin, dass sie wasserlöslich sei und nach dem Trocknen brüchig werde. „Die Herausforderung bestand für uns also darin, die unbrauchbare Kartoffelstärke so weit zu modifizieren, dass wir sie als brauchbares Bindemittel für Innenwandfarben nutzen können.“ Fünf Jahre dauerte die Forschungsphase, bis die Neuentwicklung PlantaGeo schließlich im März in Köln erstmals präsentiert werden konnte.

Während herkömmliche Bindemittel vollsynthetisch aus Rohöl hergestellt werden, ist es dem Experten-Team um Dr. Westmeier gelungen, bei der Innenfarbe den Rohölanteil durch modifizierte Kartoffelstärke zu ersetzen. Das Ergebnis ist eine als hochdeckend eingestufte Innenfarbe, die sich für alle Neu- und Renovierungsanstriche eignet. Denn ein Aspekt war dem Entwicklungsteam besonders wichtig: Die Innovation sollte nicht zulasten der Qualität gehen. Dr. Johannes Westmeier ist sich sicher, dass die neue Innenwandfarbe den Ansprüchen der Profis gerecht wird: „Handwerker können dieselben Ergebnisse auf höchstem Niveau erzielen, wie sie das von Caparol-Produkten gewohnt sind“, sagt er.

Konkret bedeutet das beispielsweise, dass die neue Innenfarbe ein sehr gutes Deckvermögen aufweist. Nach DIN EN 13 300 ist sie in Klasse 1 eingestuft und rangiert damit beim Kontrastverhältnis ganz oben. Bei der Nassabriebbeständigkeit liegt sie im Mittelfeld (Klasse 3) und gilt als waschbeständig. Mit ihrer stumpfmatten Oberfläche entspricht sie auch optisch den aktuellen Anforderungen. Wolfgang Hoffmann erklärt, warum man sich für die genannten Eigenschaften entschieden hat: „Wir wollten bewusst mit einer matten Innenwandfarbe der Nassabriebklasse 3 an den Start gehen. Das ist der Massenmarkt und so können wir testen, ob Nachhaltigkeit in dem Segment Innenwandfarben ankommt.“ Die Frage nach weiteren Glanzgraden beantwortet der Markenbotschafter wie folgt: „Technisch ist es zurzeit schwierig, eine seidenglänzende Qualität nach dem PlantaGeo-Prinzip herzustellen. Der Markt entscheidet jedoch, ob es bald weitere Glanzstufen geben wird.“

Angeboten wird die innovative Innenfarbe ab Werk ausschließlich in Weiß. Das bedeutet aber nicht, dass andere Farbtöne nicht möglich sind. „Abtönen ist ohne Probleme mit handelsüblichen Volltonfarben möglich“, sagt Wolfgang Hoffmann. „Um den Aufwand des Selbertönens zu erleichtern, bieten wir auf unseren Tönanlagen eine eingeschränkte Tönung aus Weiß an. Das bedeutet, dass bis zu einem Hellbezugswert von 70 problemlos auf der Anlage getönt werden kann. Damit ist das Spektrum der meist- getönten Innenfarbtöne zu 80 Prozent abgedeckt.“ Eine kleine Einschränkung muss Hoffmann dann aber doch einräumen: „Intensiv dunkle Farbtöne sind im Moment nicht möglich.“

Umweltfreundlich und nachhaltig

Neben der bewährten Qualität bekommen der Handwerker und der Endkunde aber noch etwas obendrauf: ein gutes Gewissen, denn PlantaGeo ist umweltfreundlich und nachhaltig, weil die Stärke ja eigentlich ein Abfallprodukt aus der Nahrungsmittelproduktion ist. „Bevor Unternehmen Kartoffeln zu Pommes frites oder Chips verarbeiten, werden sie geschält und gewaschen“, erklärt Dr. Johannes Westmeier. Dabei gelangt viel Stärke ins Wasser. Diese wird von einem DAW-Lieferanten zurückgewonnen und als Ausgangsstoff für das neuartige Bindemittel verwendet. Die Herstellung der neuen Innenfarbe steht somit in keiner Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Westmeier ist stolz auf das Ergebnis. „Wir haben den Anspruch, einen Beitrag dazu zu leisten, von fossilen Rohstoffen wegzukommen“, betont der Experte: „Nachhaltigkeit heißt, die Versorgung der Zukunft sicherzustellen.“

Der Trend hin zu ressourcenschonenden Produkten ist ungebrochen. „Immer mehr Verbraucher konsumieren bewusst“, weiß Wolfgang Hoffmann. Und dieser Trend beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Nahrungsmittel. Umweltverträglichkeit und Unbedenklichkeit hinsichtlich Schadstoffen und Konservierungsmitteln bei gleichzeitig hoher Qualität – das ist es, was sich Konsumenten heute in allen Lebensbereichen wünschen. „Das gilt auch für die eigenen vier Wände“, sagt Hoffmann. Schließlich spiele die Wohngesundheit eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden. 

Kundenwünsche erfüllen

Was hat der Handwerker davon, wenn er die Farbe auf Kartoffelstärkebasis einsetzt? Nach Hoffmanns Meinung profitiert auch der Malerprofi definitiv von der Innovation. „Einerseits will der Profi seinen Kunden sichere Produkte anbieten, andererseits will er bei seiner täglichen Arbeit selbst unbedenkliche Produkte verwenden“, erklärt Hoffmann. Hinzu komme, dass die Nachfrage der Endverbraucher steigen werde. Damit erhöhe sich zugleich der Druck auf die Handwerker. Wer die Kientel, für die Umweltschutz und Nachhaltigkeit eine hohe Priorität besitzt, bedienen möchte, tut also gut daran, entsprechende Produkte anzubieten. „Wer sich von vorneherein mit diesem Thema auskennt, beschert seinen Kunden ein gutes Gewissen“, fasst Wolfgang Hoffmann zusammen.

Ist der Kunde aber auch bereit, für dieses gute Gewissen tiefer in die Tasche zu greifen? „Leider gelten die Gesetze der Marktwirtschaft auch für „grüne“ nachhaltige Produkte“, bedauert Wolfgang Hoffmann. „Ist der Preis zu hoch, sinkt die Bereitschaft zum Kauf. Daher ist ein Preispremium von maximal fünf Prozent die Zielmarke.“ Dieser Mehrpreis sei durch die teureren Rohstoffe und die aufwendigere Produktion unumgänglich, so Hoffmann.

Vom Acker in die Lackdose

Die Innenwandfarbe mit Kartoffelstärkebindemittel ist nicht das erste Produkt aus Ober-Ramstadt, das auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. Neben einem Fassadendämmstoff aus Hanf bietet der Hersteller seit Kurzem auch einen Lack, eine Lasur und ein Holzöl an, deren Bindemittel aus Leindotter gewonnen wird (siehe Malerblatt 4/2019, S. 20 ff.). Sollen weitere Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen folgen? „Das ist erst der Beginn einer vermutlich langen Reise“, ist sich Wolfgang Hoffmann sicher. „Ich gehe davon aus, dass in zehn oder 15 Jahren die Mehrzahl unserer Innenwandfarben auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden.“

https://www.caparol.de/

 

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