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Die Wirkung der Farben

Farbgestaltung
Die Wirkung der Farben

Die Farbdesignerin Marion Timphus berichtet im Gespräch über ihre Erfahrungen mit Farbgestaltungen in der Industrie wie etwa in Büros und Werkhallen.

Autorin: Bärbel Bosch | Fotos: Marion Timphus

Sie sind seit 26 Jahren Farbdesignerin. Wie wichtig ist Farbe für das Arbeitsumfeld?

Marion Timphus: Aus farbpsychologischer Sicht sehr wichtig, denn monotone, schlimmstenfalls graue Arbeitswelten ermüden. Eintönige Flächen, die keinerlei Kontraste aufweisen, haben keine Tiefe. Ein Vorder- und Hintergrund entsteht erst durch Farbabstufungen und Hell-Dunkel-Kontraste. Das ist ebenso in der Natur und in der Malerei.

Was kann eine gute Farbgestaltung bewirken?

Marion Timphus: Sie regt das Raumerlebnis an und bietet Orientierung, ohne aufzuregen. Menschen sind bei der Arbeit aufgeweckt und motiviert, weil sie unterbewusst die Harmonie spüren, wie bei einem schönen Spaziergang. Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt von der Firmenleitung, weil man Ihnen dieses schöne Umfeld gönnt.

Was ist der wesentliche Unterschied zwischen Arbeits- und Privaträumen?

Marion Timphus: Gemeinsam ist beiden die Wertschätzung, die hier initiiert wird. Wenn ich gerufen werde, hat schon irgendjemand verstanden, dass hier eine andere Wertigkeit einen Wandel bewirkt. Im Privaten entwickle ich ein Farb- und Materialkonzept, welches sehr persönlich auf die Bewohner und deren Lebensstil eingeht und das Gebäude unterstreicht. Ob laute oder leise Farben, hängt vom Menschen ab. Wohlfühlen ist die Prämisse. Im Arbeitsumfeld gibt es andere Vorgaben. Soll Aufmerksamkeit betont oder Ruhe hervorgerufen werden in einem an sich unruhigen Umfeld? Müssen unter Umständen 60 Mitarbeiter in einem Großraumbüro untergebracht werden und soll dennoch Ruhe herrschen?Oder sind Arbeitsplätze neu zu ordnen für flexible Teams? Soll ein Autohaus eingerichtet werden, das trotz enormer Raumhöhe dezente Flüsteratmosphäre im Verkaufsgespräch wünscht? All das lässt sich über Material (bewusste Wahrnehmung) und Farbe (unbewusste Wahrnehmung) steuern.

Wie gehen Sie bei einer Farbgestaltung für Werkhallen vor?

Marion Timphus: Allem voran steht die Begehung mit einem ausführlichen Gespräch zur Ist-Situation und dem angestrebten Ziel. Dann erfolgen die Bedarfsermittlung und Analyse des Zustandes: Ich definiere mein Ziel, frage, was sich ändern soll, welche Anmutung entstehen wird. Dann kommen mir die Ideen für die Umsetzung. Um in die Entwurfsphase zu gehen, muss ich wissen, welche Parameter ich ändern darf. Wird eine Halle umgebaut, ändert sich oft auch der Bodenbelag. Das ist optimal, da er eine große Fläche ausmacht und viel reflektiert. Sind es nur Wandflächen und/oder Maschinen, muss ich anders vorgehen. Bestenfalls wird auch das Lichtkonzept erneuert. Das hatten wir vor zehn bis 15 Jahren immer zum Thema, denn viele Werkshallen waren noch mit grünlich flimmernden Neonröhren ausgestattet. Das ist für das Auge extrem anstrengend. Ausleuchtung-Reflexionsgrade der Oberflächen und Aufmerksamkeit vs. Ermüdung sind ein großes, oft unterschätztes Thema!

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, nachdem Werkhallen/Büros farbig neu strukturiert wurden? Was hat sich für Mitarbeiter verändert? Welche Rückmeldungen haben Sie erhalten?

Marion Timphus: Die schönsten Rückmeldungen bei Produktionshallen sind immer wieder, dass die Mitarbeiter enorm stolz sind auf ihren Arbeitsplatz, sie spüren die Freude täglich und wollen ihren Familien am liebsten IHRE Halle zeigen. Oft wurden extra Family-Days eingerichtet! Positive Identifikation entsteht und das ist ein großes Potenzial. Das Zweite ist, dass üblicherweise der gesamte Workflow optimiert wird, wenn Hallen umstrukturiert werden. Dabei kann dann ordnend die Farbgebung eine große Rolle spielen und darum bin ich gerne von Beginn des Prozesses an dabei.

Sie arbeiten derzeit an einem Projekt für die Räume einer Behindertenwerkstatt. Was sind hier die besonderen (Farb-)Anforderungen?

Marion Timphus: Die Lebenshilfe Werkstätten betreuen fast 400 psychisch und körperlich behinderte Menschen. d. h. alle, die hier arbeiten, haben ein deutliches Handicap. Das ist meistens begleitet von Seh- oder Sprach- und Hörstörungen. Ein Orientierungssystem muss hier auf ganz simple Weise funktionieren: Das heißt plakative Farbgebung, maximal ein Buchstabe oder eine Zahl zur Kennung. Bei den Farben an sich ist darauf zu achten, dass die Orientierungsfarben in gutem Kontrast stehen und die Raumfarben sanft und weich sind. Diese Menschen brauchen nichts Aufregendes, da die meisten eher zu schnell gereizt sind. Hier ist Vorsicht geboten und ich vermeide Überlagerung. In der Kantine arbeite ich mit großen Farbflächen.“

Was war für Sie selbst die überraschendste Erfahrung in Sachen Farbgestaltung?

Marion Timphus: Wenn ich viele Szenarien durchgehe und am Ende den Farbkanon auf zwei, drei Farbtöne reduziere, um das Optimum zu erreichen. So geschehen beim Neander-Bad in Düsseldorf-Erkrath. Bei der Renovierung mussten so viele Parameter übernommen werden, d. h. Steinzeug-Böden, blaue Fensterrahmen und blaues Tragwerk integriert werden, farbige Beckeneinfassungen und Umkleiden. Und am Ende setze ich das Ganze in zwei Farben, die im Innen- wie im Außenraum das Bad vollkommen verjüngt haben. Ein erdiges Gelb und ein rosiges Weiß. Das Spiel mit den Nuancen ist meine Lieblingsaufgabe.

Weitere Fotos:
www.malerblatt.de


PraxisPlus

Marion Timphus, seit 26 Jahren Farbdesignerin, ist in Erlangen tätig und bietet auch Fortbildungen, Farbseminare und Vorträge an. Die Workshops richten sich an Maler und Architekten. 1992 machte sie sich selbstständig, um die graue deutsche Häuserlandschaft fröhlicher zu machen. Timphus entwickelt seither emotionale Farbkonzepte für Geschäfts- und Privaträume, verantwortet psychologisch wirksame Farbkonzepte für Kindergärten und Schulen sowie Praxen und auch Kliniken. Im Industriehallen-Design machte sie sich einen Namen bei Siemens sowie Schuler-Automation, immer in Kooperation mit BL-Office als Möbelausstatter für Büros und Kantinen.

www.la-colorista-farbarchitektur.de

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