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Sto Stiftung Denkmalcamp in Rümänien

Aus- & Weiterbildung News
Sto-Stiftung Denkmalcamp

Zwanzig Auszubildende des zweiten Lehrjahrs nutzen im August 2021 die Chance, beim Projekt Handwerkerschule Martinsdorf in Siebenbürgen/Rumänien historische Mal- und Restaurierungstechniken zu üben.

Autor I Fotos: Martin Mansel

Während die Denkmalcamp-Teilnehmer nebenan in die Tagesbesprechnung vertieft sind, stehen wir gemeinsam mit Wolfgang Weigl im Pfarrgarten in Martinsdorf. Der Zimmerermeister aus München und stellvertretende Vorsitzende der Handwerkerschule Martinsdorf erläutert uns, wie es dazu kam, dass heute versucht wird, die Kirche in Mardisch und das alte Pfarrhaus zu erhalten und dort Seminare für Handwerker durchzuführen.

Ein Zimmermann war auf der Walz und wanderte durch das Tal hier in Siebenbürgen, begeistert von den mittelalterlichen Strukturen, die er dort vorfand. „Zurück von der Walz ging er an die Zimmererschule in München, an der ich auch tätig bin, um dort seinen Meister zu machen“, sagt Weigl. Zu dieser Zeit suchte die Stadt München Partnerstädte für „Erasmus+ Projekte“. „Erasmus+“ ist das Programm für Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union. „Der Zimmermann berichtete, er wüsste da was“, so Weigl. Das Projekt startete, nachdem mit der evangelischen Kirche in Rumänien die Modalitäten geregelt waren.

Das Kirchengebäude in Mardisch war ziemlich verfallen. Beinahe 100 Jahre hatte es reingeregnet. Dringlichste Aufgabe war also, das Dach dicht zu bekommen. Mit den damals beteiligten Meisterschülern habe man eine Übernachtungsmöglichkeit gesucht, stieß auf das einigermaßen regendichte Pfarrhaus in Martinsdorf, so Weigl weiter.

„Im Dachgeschoss wurden Feldbetten aufgestellt, einige ganz harte Burschen haben draußen gezeltet. Mit einem selbst organisierten Bus ging es dann immer auf die Kirchenbaustelle ins acht Kilometer entfernte Mardisch.“

In den ersten Jahren haben die Handwerker laut Wolfgang Weigl hart gearbeitet, um etwas zu bewegen und zu erreichen, dass das Kirchengebäude sicher war. Nach vier Jahren Bestandserhaltung wurde dann damit begonnen, am Pfarrhaus in Martinsdorf zu arbeiten. Hier fanden sich unterschiedliche Erhaltungszustände und Baustile, Teile des Pfarrhauses sind bis zu 300 Jahre alt.

In den Nebengebäuden, den früheren Stallungen befindet sich jetzt eine Metallwerkstatt, später soll eine Schreinerwerkstatt dazukommen. Etwas entfernt steht das alte Backhaus, direkt daneben ein Brunnen, aus dem man noch heute das Wasser bezieht. Mit Wasser muss man jedoch sehr sparsam umgehen. Auf der Wiese ein Stück weiter finden sich Plumpsklos, die frühere Workshopteilnehmer selber errichtet haben. Die Waschmöglichkeiten sind in einem Container untergebracht. „Wer vom Flughafen in Sibiu nach Martinsdorf fährt, reist alle zehn Kilometer zehn Jahre in der Zeit zurück“, sagt Weigl.

Denkmalcamp für Maler

Die gemeinnützige Sto-Stiftung unterstützt unterschiedlichste Förderprojekte in den Bereichen Architektur und Handwerk. Eines davon ist das Denkmalcamp für angehende Maler- und Lackierer im zweiten Lehrjahr. Im Jahr 2019 hat die Stiftung 20 jungen Stuckateur- und Maler-Azubis ermöglicht, an der denkmalgeschützen Fassade des Max-Liebling-Hauses in Tel Aviv mitzuarbeiten.

Das Denkmalcamp 2021 bot jungen Malern und Malerinnen die Möglichkeit, in verschiedene Aspekte des Denkmalschutzes hineinzuschnuppern. Ursprünglich geplant für den Sommer 2020, konnte das Denkmalcamp aufgrund der Corona-Unsicherheiten nicht in Rumänien stattfinden. 20 junge Frauen und Männer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz konnten sich im August nun unter der Anleitung von:

  • Fachlehrer Gregor Botzet, Ferdinand-Braun-Schule,
  • Seniorexperte Michael Doll, Landesinnungsverband Bayern,
  • Malermeisterin Astrid Robra,
  • Farb- und Lacktechniker Matthias List,
  • Kirchenmalermeisterin Bettina von Boch
  • und Farb- und Lacktechniker Lukas Keller

auf den Weg machen. Angereist ist die Gruppe mit dem Flugzeug und weiter mit einem Reisebus bis Martinsdorf. Geschlafen wird im Dachbereich des Pfarrhauses. Im Dorfgemeinschaftshaus werden alle Mahlzeiten gemeinsam eingenommen, gekocht wird von Frauen aus dem Dorf.

Techniken im historischen Bestand

Folgende Techniken können geübt und später am Pfarrhaus bzw. in der Kirche Mardisch am Objekt ausgeführt werden:

  • Freilegen und Einstimmen alter Kaseinmalereien
  • Befunduntersuchungen
  • Erstellen einer Dokumentation des Befundes
  • Rekonstruktion der Decken- und Wandmalereien im Pfarrhaus
  • Maltechnik und Schablonierung

In der morgendlichen Teambesprechung erklärt der Meister beziehungsweise die Meisterin die Grundzüge der Technik. Die Teilnehmer bekommen anschließend die Möglichkeit, diese zu üben. Nachmittags geht es dann, am Beispiel der Kirche Mardisch sogar per Pferde-Taxi, ans Objekt, hier an die Freilegung alter Farbschichten. Diese Arbeit stieß bei den Teilnehmer auf große Begeisterung. Viele hätten gerne mehr Zeit auf dem Gerüst vor der Empore in der alten Kirche verbracht, weil die Freilegung fast einer Schatzsuche glich. Unter der grünen Deckschicht, die irgendwann aufgetragen wurde, kommt unter Zuhilfenahme eines Heißluftföns die ursprüngliche Bemalung zum Vorschein. Florale Muster, Schriftzüge und Hinweise auf die Spender dieser Arbeiten schmücken die hölzernen Füllungen.

Kirchenmalermeisterin Bettina von Boch erläutert: „Die Azubis erhitzen mit dem Heißluftfön vorsichtig die oberste Farbschicht. Beginnt diese sich zu lösen, helfen sie, nur mit dem Eigengewicht des Skalpells, behutsam nach.“

Nachdem die vier Teams unter der Leitung der jeweiligen Meister ihr Tagespensum absolviert haben, beginnt das Freizeitprogramm, das, auch mangels Möglichkeiten, immer um das Pfarrhaus herum stattfindet. Ein großer Hit ist die Tischtennisplatte, an der jeden Abend wacker gekämpft wird. Bei Dunkelheit kommt die Gruppe dann immer um das Lagerfeuer zusammen. Außerdem gibt es noch Ausflüge, so zum Beispiel zur Kirchenburg in Klein-Schenk oder zu einer Stadtführung in Sibiu (Hermannstadt).

Entschleunigen und reinschnuppern

Wer mit nach Martinsdorf kommt, begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit. Auf vieles, das uns in Deutschland selbstverständlich erscheint, müssen die jungen Leute hier verzichten. Das ermöglichte ihnen aber auch einen neuen Blick auf das Handwerk.

Wie Fachlehrer und Sto-Stiftungsrat Gregor Botzet beschreibt, mussten einige der jungen Teilnehmer zu Beginn des Denkmalcamps erst lernen, zu entschleunigen. Viele werden bereits in der Ausbildung darauf getrimmt, Meter zu kloppen und fieberten darauf, im Pfarrhaus oder in der Kirche richtig loszulegen.

Darum geht es bei diesem Projekt nicht. Ziel ist es vielmehr, junge Menschen in diesem Auslandspraktikum an Land, Baugeschichte, Handwerkstechniken heranzuführen und ihnen zu ermöglichen, in der für sie ungewohnten Gruppe neue Handwerkserfahrungen abseits des Berufsalltags zu machen. Dass die Uhren in Rumänien etwas langsamer ticken, unterstützt diesen Prozess.

Das bestätigt Betreuer Matthias List, der auch Bundestrainer des Maler-Nationalteams ist. Er sagt zum Camp: „Allein die Möglichkeit, hierhin zu fahren und unter ganz anderen Bedingungen an einer Schulung teilzunehmen, ist etwas Besonderes. Da finden die Teilnehmer wirklich zusammen. Wenn man die irgendwo in Deutschland in einen Raum gesetzt und gesagt hätte, so, jetzt machen wir Graumalerei oder schablonieren, wäre das nicht so intensiv. Auch dass man hier vieles improvisieren muss, erhöht den Lerneffekt.“

Auch Till Stahlbusch, Vorsitzender des Stiftungsvorstands und Schatzmeister der Sto-Stiftung, der gemeinsam mit Vorstandsmitglied Carlo Stotmeister das Denkmalcamp besucht hat, zieht ein positives Fazit: „Neben der fachlichen Fortbildung geht es der Sto-Stiftung bei all ihren Fördermaßnahmen auch darum, den berühmten Blick über den Tellerrand zu ermöglichen. Landesgeschichte, Baukultur, Materialkunde standen deshalb gleichberechtigt neben dem Erlernen spezieller Techniken in Rumänien auf dem Programm. Ich glaube, dass wir das ganz gut hinbekommen haben.“

Rückschläge

Allerdings gibt es für die Verantwortlichen auch Rückschläge: Da das Pfarrhaus nur drei- bis viermal pro Jahr jeweils zwei Wochen bewohnt ist, wenn Gruppen an der Sanierung arbeiten und ansonsten leer steht, werden witterungsbedingte Schäden manchmal erst nach Monaten bemerkt. Auch dass die heutigen Einwohner von Martinsdorf größtenteils orthodoxen Glaubens sind, macht die Arbeit nicht einfacher. Die evangelische Gemeinde besteht nur aus wenigen Personen, die einmal pro Monat Gottesdienst im Pfarrhaus feiern. So fehlt in der Bevölkerung der Rückhalt für das Projekt. Die Projektverantwortlichen sind jedoch zuversichtlich, dass in etwa zwei Jahren das Haus für regelmäßige Seminare genutzt werden kann.

Wer die Handwerkerschule in Martinsdorf/Siebenbürgen e.V. unterstützen möchte, findet weitere Informationen online (siehe unten).

Fazit

Die 20 jungen Malerinnen und Maler, die am Denkmalcamp 2021 in Siebenbürgen teilgenommen haben, waren auf jeden Fall durchweg begeistert und haben in den zehn Tagen viele neue Anregungen bekommen und ein Kollegennetzwerk aufgebaut, von dem sie noch lange profitieren können.

Weitere Informationen:
www.handwerkerschule.eu

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