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Beschichtung von Kunststoffen

Technik
Beschichtung von Kunststoffen

Kunststoffe im Baubereich sind in der Regel so konzipiert, dass sie nicht beschichtet werden müssen. Eigentlich! Die Praxis sieht manchmal anders aus. Und so zählt auch die Beschichtung von Kunststoffuntergründen längst zum Leistungsumfang für Maler- und Lackiererbetriebe.

Markus Lindenbaum, Brillux

Ob es um Kunststoffbauteile wie Verkleidungen, Fenster, Türen, Rohre, Dachrinnen oder kunststoffbeschichtete Oberflächen, zum Beispiel bei Innentüren, geht, gilt: Bei der Beschichtung von Kunststoff gibt es viel zu beachten. Angefangen bei der Frage: Aus welchem Kunststoff bestehen die Bauteile oder deren Oberflächen? Gibt es konstruktive bzw. bauteilbedingte Schwierigkeiten? Lassen die Wetter- und Nutzungsbedingungen eine Beschichtung zu? bis zur Frage: Ist die Kunststoffoberfläche des jeweiligen Bauteils gewährleistungsfähig mit marktüblichen Bautenlacken oder -farben zu beschichten?
Der Maler und Lackierer findet in der Praxis häufig verwitterte Kunststoffe mit matten, vergilbten, ausgebleichten oder kreidenden Oberflächen vor, die eine Beschichtung notwendig machen. Neben der Alterung der Oberfläche durch Witterungseinflüsse, mechanische Beschädigung, Oxidation oder Molekülabbau gibt es noch viele andere Gründe, weshalb Kunststoff beschichtet wird. Beispielsweise die Veredelung der Oberfläche oder deren Verbesserung für eine höhere Beständigkeit oder bessere Pflegemöglichkeiten.
Welche Kunststoffarten gibt es?
Bei Kunststoffen handelt es sich um polymere, organische Verbindungen. In einer chemischen Verknüpfung (Polymerisation / Polyaddition / Polykondensation) werden diese zu einem Makromolekül (Polymer). Rohstoffe für Kunststoff sind Erdgas und Erdöl sowie zur Erzielung bestimmter Eigenschaften Weichmacher, Pigmente, Füllstoffe und andere spezifische Stoffe. Kunststoffoberflächen lassen sich in drei Hauptgruppen, Plastomere (Thermoplaste), Duomere (Duroplaste) und Elastomere (Elaste), aufteilen.
Plastomere sind Kunststoffe, die je nach Art geeignete Beschichtungssysteme zulassen können. In diese Gruppe fällt auch der Kunststoff „Polyvinylchlorid“ (Hart-PVC u. Weich-PVC), das einen großen Anteil der am Bau verarbeiteten Kunststoffe in Deutschland stellt. Aus Hart-PVC-Kunststoffen werden unter anderem Verkleidungen, Profile, Dachrinnen sowie Tür- und Fensterrahmen produziert. Auch einige Kunststoffarten der Duomere finden wir häufig als Untergrund im Baubereich vor. Beispielhaft sind hier Melaminharz (MF) beschichtete Oberflächen (Bauplatten, Tür- und Möbeloberflächen) sowie aus glasfaserverstärkten Polyester (UP) hergestellte Verkleidungen, Rohre, Behälter usw. zu nennen.
Elastomere besitzen, wie es ihre Bezeichnung vermuten lässt, eine hohe Elastizität, sind also gummielastisch und lassen eine Überarbeitung mit für den Maler üblichen Bautenanstrichen in der Regel nicht zu. Beispiele hierfür sind elastische Dichtungsmassen oder Dichtungsprofile in Türen und Fenstern, die nicht beschichtungsgeeignet sind. Die Tabelle auf Seite 27 gibt einen Überblick, welche häufig verwandten Kunststoffarten im Baubereich für zu beschichtende Bauteile Anwendung finden und gemäß BFS-Merkblatt Nr. 22 „Beschichtungen auf Kunststoff im Hochbau“ prinzipiell überstreichbar sind.
Unerwünschte Reaktionen bei der Beschichtung
Werden Kunststoffoberflächen beschichtet, kommt es nicht selten zu ungewünschten Reaktionen; so führen beispielsweise Trennmittelrückstände auf Kunststoffoberflächen (z.B. Formtrennmittel wie Silikone oder Wachse) zu mangelnder Haftfähigkeit. Auch die statische Aufladung des Kunststoffes kann ein Hindernis bei der Beschichtung sein. Zu glatte Oberflächen setzen die Adhäsion der Beschichtung herab. Die in Kunststoff enthaltenen Weichmacher können in die Beschichtung wandern und diese beschädigen. Auch der Beschichtungsstoff seinerseits kann ungewünschte Reaktionen verursachen, nämlich dann, wenn in ihm Lösemittel sind, welche die Kunststoffoberfläche lösen. Generell kann gesagt werden, dass als geeignet ausgewiesene Kunststoffe wie Hart-PVC mit entsprechenden Beschichtungssystemen behandelt werden können. Prinzipiell nicht überstreichbar sind beispielsweise ausgewiesene Kunststoffe, wie Polyethylen (PE), Polyamid (PA) und Polypropylen (PP). (Siehe auch Tabelle)
Die neue VOB ATV 18363 definiert Anforderungen
Seit Oktober 2006 gibt es eine aktualisierte Fassung der VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen. Insgesamt 18 Allgemeine Technische Vertragsbedingungen (ATV) im Teil C wurden redaktionell und/oder fachtechnisch überarbeitet, zu denen auch die ATV DIN 18363 „Maler- und Lackiererarbeiten“ zählt. Hier wird unter Punkt 3.2.4 „Erstbeschichtung auf Kunststoff“ sowie Punkt 3.4.4 „Überholungsbeschichtungen auf Kunststoff“ Stellung genommen. Für die tägliche Praxis des Malers, insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung, ist vor allem die Aussage des Kommentars zur ATV DIN 18363 (Ausgabe 2002) von Bedeutung: „Für Beschichtungen auf Kunststoff sind nur Beschichtungsstoffe zu verwenden, die ausdrücklich für die Beschichtung des vorliegenden Kunststoffs empfohlen werden. Die Vorbehandlung ist nach Angabe des Beschichtungsstoffherstellers durchzuführen.“ Diese Aussage wird sicherlich auch als Kommentierung zur aktuellen VOB-Ausgabe weiterhin Gültigkeit behalten. Der Maler kann also für seine Leistung im Bereich Beschichtung von Kunststoffoberflächen nur dann gewährleisten, wenn ihm die Art des zu beschichtenden Kunststoff bekannt und der Beschichtungsstoffhersteller zu diesem Kunststoff eine klare Aussage macht.
Erkennung und Prüfung von Kunststoffuntergründen
Manche Kunststoffe sind dank einer aufgebrachten Kennzeichnung in Form der Kurzzeichen wie z.B. PVC oder PP leicht zu identifizieren. Schwierig wird es, wenn eine solche Kennzeichnung nicht vorhanden ist, denn mit dem bloßen Auge ist die Kunststoffart in der Regel nicht erkennbar. In diesen Fällen empfiehlt sich eine Nachfrage beim Hersteller, der Montagefirma oder beim Auftraggeber. Als letzte Möglichkeit bleibt nur eine Muster- bzw. Probefläche mit dem vorgesehenen Beschichtungsaufbau anzulegen und auf Eignung zu prüfen. Hand in Hand mit der Erkennung des Kunststoff geht die Prüfung des zu beschichtenden Untergrundes auf Verschmutzungen, Trennmittel, Verwitterungsprodukte und die Tragfähigkeit alter Beschichtungen. Gibt die Prüfung und/oder die Erkennung der Kunststoffart Anlass zu Bedenken, so sind diese in jedem Fall beim Auftraggeber unverzüglich schriftlich geltend zu machen (VOB Teil B, DIN 1961 § 4 Nr. 3).
Wie wird vorbehandelt?
Bevor Kunststoffoberflächen beschichtet werden können, muss natürlich die Oberfläche vorbehandelt werden. Die Art des Kunststoffs und das Ergebnis der Untergrundprüfung ergeben, welche Vorbehandlung an der Baustelle notwendig ist. Generell hat sich zur Vorbehandlung einer Kunststoffoberfläche die so genannte ammoniakalische Netzmittelwäsche (10 Liter Wasser, 0,5 Liter 25-prozentige Ammoniaklösung, 2 Kronenkorken Netzmittel) unter Zuhilfenahme eines Kunststoffschleifvlieses bewährt. Auf für Beschichtungen geeigneten Kunststoffen werden hierbei unter anderem Verschmutzungen sowie Trennmittelrückstände entfernt und die Oberfläche haftverbessernd aufgebaut. Alternativ werden zur traditionellen Netzmittelwäsche auch geruchlose, wasserverdünnbare Universalreiniger eingesetzt. Je nach Bauart, Konstruktion oder Oberflächenbeschaffenheit (beispielsweise abgewitterte Kunststoffoberfläche) werden weitere Reinigungsverfahren angewandt. Zum einen ist hier die Reinigung mit für den jeweiligen Kunststoff geeigneten Lösemitteln (z.B. Spiritus), zum anderen ein gründliches Anschleifen als baustellenüblich zu nennen. Da es beim Schleifen von Kunststoffoberflächen elektrostatische Aufladungen geben kann, sollte mit netzmittelhaltigem Wasser nachgereinigt werden. Vorhandene Altbeschichtungen müssen in bewährter Weise auf Trag- und Haftfähigkeit geprüft – Kratzprobe, Klebebandtest usw. – und entsprechend vorbehandelt werden. Die genannten Maßnahmen sind ein maßgebliches Kriterium für die dauerhafte Haltbarkeit einer Beschichtung auf Kunststoffoberflächen und sind, je nach Objektsituation, individuell zu vereinbaren und gesondert zu vergüten (siehe hier „Besondere Leistungen“ gemäß VOB Teil C, ATV DIN 18363).
Worauf ist bei der Beschichtung zu achten?
Bei der Auswahl des passenden Beschichtungssystems spielt neben der Art des Kunststoffes auch die zu erwartende Beanspruchung eine entscheidende Rolle.
Zur Verbesserung der Haftfähigkeit muss zunächst ein Haftvermittler, d.h. eine Haftbrücke zwischen dem Kunststoff und der als Anstrichstoff dienenden Beschichtung zum Einsatz kommen. Hier zeigen beispielsweise 2K-Epoxidharz-Grundierungen auf Kunststoffarten, wie Hart-PVC oder Melaminharz (MF) sehr gute Hafteigenschaften. Nachfolgend haben sich bei normaler Wetterbeanspruchung im Außenbereich, als Zwischen- und Schlussanstrich, beispielsweise auf Fenstern und Türen, aromatenfreie Alkydharzlacke gut bewährt. Abgestimmt auf die Nutzungsbedingungen können auf Verkleidungen und Dachrinnen aus geeigneten Plastomer- und Duomerkunststoffen für normale Wetterbelastungen auch Mischpolymerisatharzlacke im Systemaufbau eingesetzt werden. Im Innenbereich werden, je nach Belastungssituation, auf grundierten Kunststoffoberflächen wie Verkleidungen, Rohre, Tür- und Fensteroberflächen als Zwischen- und Schlußanstriche ebenfalls aromatenfreie Alkydharzlacke oder darüber hinaus 2K-PUR-Acryllacke verwendet.
Praxistipp: Details vor Ort beachten
Meist liegt der Schlüssel zum Erfolg im Detailwissen um gewisse Untergründe bzw. Bauteile. Daher soll hier beispielhaft auf zwei Punkte hingewiesen werden. Handelt es sich bei den zu beschichtenden Kunststoffflächen um weiße, insbesondere maßhaltige Kunststoffbauteile, wie Fenster und Außentüren, dürfen – um einen Aufheizeffekt zu vermeiden – nur weiße bzw. hell getönte Farbtöne zum Einsatz kommen. Nicht überstrichen werden dürfen gemäß dem Stand der Technik die Dichtungsprofile sowie elastischen Dichtstoffe an Fenstern und Türen. Am Beispiel von Fenstern und Türen, mit ihren scharfkantigen Ecken und Kanten, wird bei näherer Betrachtung schnell deutlich, dass zahlreiche Kunststoffbauteile nicht für eine Beschichtung konstruiert werden. Kantenflucht von Beschichtungsmaterialien und damit verbundene Probleme bei der Untergrundabdeckung – besonders bei kontrastreichen Anstrichaufbauten – können eine Folge sein. Besteht hieraus Anlass zur Bedenkenanmeldung so sollte man dies ebenfalls schriftlich anzeigen (VOB Teil B, DIN 1961 § 4 Nr. 3).
Fazit
Auf das „gewusst wie“ und das „ob überhaupt“ kommt es an. Erster Schritt ist immer die Erkennung, um welche Kunststoffoberfläche es sich handelt und die Prüfung des Untergrundes. Handelt es sich um einen beschichtungsgeeigneten Kunststoff, wäre der zweite Schritt eine Betrachtung der vorhandenen Konstruktion sowie der vorhandenen Beanspruchung vor Ort. Bestehen hier keine Bedenken, so kann nach dementsprechender Untergrundvorbehandlung ein vom Hersteller empfohlenes Beschichtungssystem verwendet werden.
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