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Schlanke U-Werte statt dicker Pakete

Technik
Schlanke U-Werte statt dicker Pakete

Steigende EnEV-Anforderungen und zunehmende Nachfrage nach Null- oder Plus-Energiehäusern verlangen leistungsfähigere Dämmlösungen. Innovative Dämmstoffe mit besonders kleiner Wärmeleitfähigkeit können verhindern, dass die Dicken der Dämmpakete ins scheinbar Unendliche wachsen.

Markus Hoeft

Mehr Leistung beim Wärmeschutz kann im Grundsatz mit größeren Dämmstoffdicken oder einer verringerten Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffs erreicht werden. Die Erhöhung der Dicke scheint zunächst der einfachere Weg, der sich aber nicht in jedem Fall gehen lässt. An der Fassade zum Beispiel aus architektonischen Gründen, wenn der sehr dicke Dämmstoff die Gebäudeproportionen verzerrt, massive Eingriffe in Anschlusssituationen und Dachüberstände erfordern würde oder aber die Belichtung der Räume über die Fenster durch den Schießscharteneffekt zu stark einschränkt. In anderen Einbausituationen kann der Platz auch objektiv fehlen, etwa in Form der begrenzten Raumhöhe bei der Fußboden- und Deckendämmung oder auch als nicht hinnehmbarer Nutzflächenverlust bei der Innen- oder Untersparrendämmung.
In solchen Fällen sollte der Einsatz leistungsfähigerer Dämmstoffe erwogen werden werden, deren Wärmeleitfähigkeit noch unter den derzeit gängigen Werten von Polystyrol, Mineralwolle oder auch Polyurethan liegt. Nachdenkenswerte Alternativen können etwa Resol-Hartschäume, Vakuumdämmplatten oder Aerogele sein. Deren im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen kleinere Wärmeleitfähigkeit erlaubt einen verbesserten Wärmeschutz bei gleicher Schichtdicke. Oder je nach Anwendung auch einen gleichen Wärmeschutz mit weniger
Dicke. Um wie viel Zentimeter Einsparung es sich dabei genau handelt, kann leider nicht allgemein gültig angegeben werden. Der erreichbare U-Wert muss unter Berücksichtigung der weiteren Schichten stets für ein konkretes Bauteil berechnet und dann unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit sowie den technischen und ästhetischen Folgen bewertet werden. Denn in der Regel sind die leistungsfähigeren Lösungen auch die teureren. Der Planer muss also zum Beispiel überlegen, ob die Innovationen tatsächlich für komplette Gebäude verwendet werden sollen oder nur für spezielle Problembereiche an einzelnen Bauteilen. Wobei in die Wirtschaftlichkeitsabwägung auch Folgekosten einer dickeren Dämmung einzubeziehen sind, etwa umzubauende Dachüberstände oder veränderte Raumhöhen und Anschlusssituationen. Im konkreten Einzelfall kann dann der teurere Dämmstoff mit seinem Gewinn von einigen Zentimetern Aufbauhöhe selbst auf einer größeren Bauteilfläche die wirtschaftlichere Lösung sein.
Resol-Hartschaum
Ein Hartschaum mit besonders niedriger
Wärmeleitung ist Resol, ein Phenolharz, das je nach Produkt und Dicke Lambda-
Werte zwischen 0,021 und 0,025 W/(mK) erreicht. Resol wird bereits in Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) angeboten. Zugelassene WDVS mit Resoldämmung sind beispielsweise „StoTherm Resol“ oder „weber.therm plus ultra“. Darüber hinaus bietet Kingspan Insulation unter dem Namen „Kooltherm“ verschiedene Platten für die Dämmung von Fußböden, Decken, zweischaligem Mauerwerk oder vorgehängten hinterlüfteten Fassaden an. Für Dächer kann Resol-Hartschaum als „Permo therm“ Aufdachelement von Klöber eingesetzt werden.
Der Vorteil aller Resol-Anwendungen ist sicherlich, dass die Dämmung grundsätzlich wie bei anderen gängigen Hartschäumen geplant und ausgeführt werden kann. Es muss sozusagen keine neue Anwendungstechnik erfunden werden.
Vakuum-Paneele
Dies verhält sich etwas anders bei den Dämmsystemen auf der Basis von Vakuum-Paneelen. Sie bestehen aus einem druckstabilen, mikroporösen Kernmaterial, das mit einer Barrierefolie gasdicht verpackt und evakuiert, d.h. luftleer gepumpt, ist. Die Wärmeleitfähigkeit dieses
Vakuums beträgt in der ungestörten Paneelfläche theoretisch etwa 0,004 W/ (mK) und damit weniger als ein Zehntel der gängigen Dimension luftgefüllter Dämmstoffe. Weil aber im Randverbund der Platten ein gewisser Wärmebrückeneffekt auftritt und außerdem Zuschläge für die Alterung zu berücksichtigen sind, wird der Bemessungswert in den Zulassungen meist mit 0,007 W/(mK) festgelegt. Das ist der beste Wert für momentan einsatzbereite Dämmstoffe überhaupt, der allerdings mit einigen Nachteilen erkauft wird. Neben dem vergleichsweise hohen Preis ist dies z.B. die Unmöglichkeit eines Zuschnitts auf Baustelle. Der gasdichte Folienmantel darf im robusten Baustellenalltag nicht zerstört werden und muss auch in der Nutzungsphase dauerhaft gegen Perforation, z.B. durch nachträgliche Befestigungen, geschützt sein.
Genau an diesen Nachteilen setzt die Entwicklungsarbeit der Hersteller an, die die inzwischen schon einige Zeit verfügbaren, zunächst jedoch meist „nackten“ Vakuum-Paneele in praktisch anwendbare Bauprodukte verwandeln. So hat Variotec für sein „VIP/QASA-Dämmsystem14“ bauaufsichtlich zugelassene Deckschichten entwickelt, die zum einen das Vakuum schützen und zum anderen die Montage und die weitere Beschichtung auf der Baustelle vereinfachen. Zu den Deckschichten gehören u.a. verschiedene Dämmstoffe wie EPS oder XPS, außerdem Holzwerkstoffe oder Trittschalldämmungen. Die Sandwichpaneele weisen Kantenschutzbänder oder XPS- und PU-Kanten auf, womit die geschützte und dichte Verlegung der Paneele auch an den Stirnkanten sichergestellt werden soll. Vakuumdämmungen mit verschiedenen Deckschichten und Kantenlösungen gibt es auch in den Sortimenten von Porextherm sowie va-Q-tec.
Für Boden, Wand und Decke
Neben den Vakuum-Paneelen, mit oder je nach Anwendung auch ohne Deckschichten, stehen Systemlösungen für bestimmte Bauteile zur Verfügung, für die viele Fragen der Anwendungstechnik, Verarbeitung und Befestigung bereits durch den Anbieter gelöst wurden, was den Planungsaufwand reduziert. So hat zum Beispiel Lindner in Kooperation mit Variotec aus dem Vakuum-Dämmstoff Norit-Elemente für Fußbodenheizungen und Trockenestriche mit besonders niedriger Aufbauhöhe entwickelt. Unter der Bezeichnung „Vacupad 007“ bietet Isover verschiedene dämmtechnische Lösungen auf der Basis von Vakuum-Paneelen an, u.a. für Innendämmungen, den Dachausbau, Leibungen sowie für Decken und Fußböden. Auf den jeweiligen Einsatzzweck abgestimmte Oberflächen und Kantenausbildungen schützen zum einen die Paneele und sorgen zum anderen für eine sichere Verarbeitung und Befestigung. Saint-Gobain Weber hat mit „LockPlate“ ein Innendämmsystem und ein WDVS entwickelt, bei denen die Vakuum-Paneele allseitig von EPS umschlossen sind. Der Randüberstand des EPS ermöglicht eine einfache Befestigung und in bestimmten geometrischen Grenzen sogar einen Baustellenzuschnitt der Dämmelemente. Damit trotz des vakuumfreien Randes keine Wärmebrücken entstehen, wird die Wärmedämmung so in zwei Lagen verlegt, dass sich die Vakuum-Paneele stets überlappen.
Für alle hier genannten Vakuum- Dämmsysteme ist zu beachten, dass die jeweiligen Oberflächen und Kaschierungen die Dicke des Aufbaus erhöhen, ohne die ausgezeichnete Wärmedämmung des Vakuums zu bieten. Oder anders formuliert: Die extrem geringe Wärmeleitung von 0,007 W/(mK) gilt stets nur für den Kern der Elemente. Es ist dies ein Kompromiss, der für das sichere Handling der Platten eingegangen werden muss, der aber in der Summe trotzdem zu geringeren Gesamtdicken führt, als dies bei konventionellen Dämmstoffen der Fall wäre.
Aerogele auch als Platten
Statt des Vakuums können auch bestimmte Nanostrukturen einen wärmedämmenden Effekt haben, was bei Aerogelen auf der Basis von amorpher Kieselsäure ausgenutzt wird. Zum Beispiel bei dem von Innodämm vertriebenen Aerogel-Granulat, einem bauaufsichtlich zugelassenen Einblas-Dämmstoff mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,021 W/(mK). Gerade besonders schmale Hohlschichten ab 1,5 Zentimetern sind damit verfüllbar, für die sich andere Einblas-Dämmstoffe oft nicht eignen. Nach Herstellerangaben wird Aerogel-Granulat wegen der hohen Kosten meist nur in Luftschichten von bis zu 2 Zentimetern Stärke eingesetzt, was dem Fingerspalt hinter Klinkerfassaden entspricht. Bei Anwendungen mit nur sehr wenig Platz für den Dämmstoff, z.B. im Trockenbau, lassen sich außerdem die nur 10 Millimeter dünnen „Spaceloft-Matten“ von Innodämm einsetzen. Sie basieren ebenfalls auf Aerogelen, die hier sogar eine Wärmeleitfähigkeit von nur 0,013 W/ (mK) erreichen.
Die Idee der Aerogele ist von den Einblas-Dämmstoffen und Matten auch schon auf plattenförmige Materialien übertragen worden, die in der Planung und Verarbeitung den gewohnten Dämmstoffen entsprechen und praxistauglich für einen normalen Baustellenalltag sind. Zu diesen Produkten gehört zum Beispiel „Aerorock“, eine Kombination von Steinwolle und Aerogel mit einer Wärmeleitfähigkeit von nur 0,019 W/(mK). Rockwool bietet das Material in Dicken zwischen 10 und 40 Millimetern zuzüglich jeweils 10 Millimeter Gipskarton- bzw. Gipsfaser-Kaschierung für die Untersparrendämmung und die Innendämmung von Außenwänden an. Eine Dampfbremse ist in die Elemente integriert, die Oberflächen werden wie im Trockenbau üblich verspachtelt. Ein weiteres Innendämmsystem mit Aerogel-Technologie ist „StoTherm In Aevero“. Die 10 bis 40 Millimeter dicken unkaschierten Platten haben eine Wärmeleitfähigkeit von nur 0,016 W/(mK) und funktionieren zusammen mit dem systemzugehörigen Kleber als kapillaraktive Innendämmung ohne Dampfsperre. Die raumseitigen Oberflächen werden mineralisch verputzt. Eine dritte und abermals andere Variante der plattenförmigen Aerogel-Werkstoffe für den Bausektor hat Evonik mit „Calostat“ entwickelt. Die Wärmeleitstufe des diffusionsoffenen, nicht brennbaren und selbsttragenden Dämmstoffs auf Basis einer pyrogenen Kieselsäure wird mit 0,021 angegeben. Evonik und FKN Fassaden haben auf der Deubaukom 2014 gerade den ersten Prototypen einer Elementfassade vorgestellt, deren Sandwiches aus „Calostat“ und Vakuum-Paneelen bei einer Aufbaustärke unter 15 Zentimetern den Passivhausstandard erreichen.
Von der Idee zum Bauprodukt
Die für die Aerogel-Technologie, aber auch für die Vakuum-Paneele oder Resoldämmungen jeweils angegebenen Wärmeleitfähigkeiten zeigen, dass Materialien für eine Reduzierung der Dämmstoffdicke bereits vorhanden sind. In vielen Fällen gibt es bereits komplette Dämmsysteme mit ausgearbeiteter Anwendungs- und Verarbeitungstechnik. Gerade bei diesen Übergängen von der Dämmstoffidee zum praxistauglichen Bauprodukt sind sicher Weiterentwicklungen zu erwarten.
In welchem Maße sich diese Lösungen im Markt auf Dauer etablieren, dürfte wesentlich von wirtschaftlichen und energiepolitischen Fragen abhängen: Welche Leistungsfähigkeit wird vom Wärmeschutz der Gebäudehülle künftig gesellschaftlich erwartet und wie viel Dämmstoffdicke bzw. welche Kosten werden dafür akzeptiert?
Bei den Übergängen von der Dämmstoffidee zum praxistauglichen Bauprodukt sind sicher Weiterentwicklungen zu erwarten.

praxisplus

Weitere Informationen zu den im Text genannten innovativen Dämmlösungen finden Sie auf den Websites der Hersteller:
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