Teilweise war die Bewehrung der St. Judas Thaddäus in Tempelhof so stark geschädigt, dass die daraus resultierenden Volumenvergrößerungen zu Abplatzungen größerer Fassadenteile führten. An einigen Stellen war die
Bewehrung so stark korrodiert, dass Querschnittsverluste vorlagen. „Ziegelsplittbeton“, erklärt Marco Götze,
Geschäftsführer der mit der Instandsetzung beauftragten Tarkus IngenieurSanierung, „ist hier besonders anfällig. Durch die Ziegelsplittzuschläge ist er weniger dicht als andere Betone und karbonatisiert durch den nach dem Krieg geringeren Zementgehalt schneller durch. So gab es große Schäden am Turm.“ Zur langfristigen Erhaltung der Bausubstanz waren umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich.
Grundlage des Instandsetzungskonzeptes ist die Repassivierung. Dabei wird der Korrosionsschutz durch die Widerherstellung des alkalischen Milieus sichergestellt. Ein alkalisches Milieu schützt den Bewehrungsstahl vor Korrosion. Dabei wird durch den großflächigen Auftrag zementgebundener Instandsetzungsstoffe die Passivschicht auf der Betonstahloberfläche des Bestandsbaus wieder hergestellt. Sie sollte so ausgeführt werden, dass eine erneute Depassivierung ausgeschlossen werden kann. Auch bereits karbonatisierter Altbeton wird so wieder realkalisiert und bietet damit Schutz für den Bewehrungsstahl.
Ausführung
Der Beton wurde zunächst so weit abgetragen, wie er infolge der Korrosion der Bewehrung geschädigt war. In Bereichen, in denen die mittlere Karbonatisierungstiefe um mehr als 20 Millimeter hinter die oberflächennahe Bewehrung vorgedrungen war, entfernten die Mitarbeiter der Tarkus IngenieurSanierung den Beton bis zur Oberfläche der äußeren Bewehrungslage. Die Oberflächenvorbereitung der Bewehrung erfolgte gemäß DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie. Die Flächen wurden schließlich mit einem Trockenspritzmörtel (Beanspruchbarkeitsklasse M3) in drei Zentimeter Dicke geschlossen. Um die Dauerhaftigkeit zu gewährleisten, wurde in enger Abstimmung zwischen den Baubeteiligten eine zusätzliche Bewehrung aus Carbongewebe eingesetzt. „Dies gibt dem Beton, bei den enormen Temperaturspannungen eine größere Sicherheit bei der Rissüberbrückung, macht den Beton korrosionsbeständiger und ermöglicht die dünne Auftragsstärke“, begründet Marco Götze die Maßnahme. Damit konnte gleichzeitig das filigrane Erscheinungsbild des als gleichseitiges Dreieck mit Seitenlängen von jeweils
etwa 5,50 Metern angelegten Turmes
erhalten werden.
Denkmalgerechte Instandsetzung
Nach den Vorgaben des Landesdenkmalamtes Berlin sollte im Rahmen der Maßnahme neben einer nachhaltigen Instandsetzung der Turmoberflächen gleichzeitig die Oberflächenoptik der Entstehungszeit rekonstruiert werden. Dabei ging es vor allem um eine Nachstellung der ursprünglich auf der Fassade sichtbaren Struktur der Schalungsbretter, weniger um die Wiederherstellung der rötlich-grauen Farbigkeit.
Die Idee, die ursprüngliche Oberfläche ganzflächig mit Siliconmatritzen abzuformen und in neuer Verschalung wieder aufzubringen, wurde verworfen. Allein durch die Nutzung moderner
Betone wäre das Oberflächenbild ein anderes geworden. Außerdem wäre diese Lösung mit hohen Kosten verbunden gewesen. Die Neuverschalung hätte eine Verdickung des Turmes um vier bis sechs Zentimeter mit entsprechend hoher statischer Belastung bedeutet.
Künstlerischer Ansatz
Durchgesetzt hat sich schließlich der Ansatz einer Neuinterpretation. Marcus Nitschke, Geschäftsführer des Berliner Büros: „Wir können nicht 1958 spielen“, so das Argument des Theologen und Architekturhistorikers, „wir haben moderne Baustoffe mit anderen Verarbeitungseigenschaften zur Verfügung. Selbst wenn wir uns um eine noch so
genaue Imitation bemühen, das Ergebnis wäre in jedem Fall ein anderes. Deshalb müssen wir in der Denkmalpflege weg von der bloßen Imitation.“ Schließlich arbeite man nicht gegen, sondern mit dem Denkmal.
Der Berliner Künstler Klaus Zolondowski entwickelte dafür einen Vorschlag, der durch die Projektion eines abstrahierten biblischen Textes die
ursprüngliche senkrechte Gliederung der Fassade aufnimmt. Anschließend wurden die Texte gewichtet, geordnet und durch Reduktion der Schrift auf ihre Grundformen so weit abstrahiert, dass nur noch einzelne senkrechte und schräge Linien übrig blieben. „Über die gesamte Turmoberfläche gelegt“, so der Künstler, „erzeugen diese Felder eine rhythmisch, vibrierende Oberfläche.“
Umsetzung
Mit einer kleinen Kelle rieben die Handwerker den Beton der noch feuchten Oberfläche gegen eine Brettkante. So entstanden kleine, sehr stabile Grate, die über die gesamte Oberfläche verteilt, einem Verschalungsmuster ähnlich waren. Um die Umsetzung, die nur in Handarbeit geleistet werden konnte, zu vereinfachen, entwickelte der Künstler in Absprache mit den Verarbeitern ein Konzept, bei dem der Abstand der Linien zueinander auf drei Größen (fünf, acht und zehn Zentimeter) beschränkt war und ganz auf Schrägstriche verzichtet wurde. Realisiert wurde dieser
Ansatz auf Basis von Einzelplänen für die gesamte Turmoberfläche, die die
Abstände der Grate der einzelnen Felder angaben.
Simulierter Alterungsprozess
Nach Abschluss der Oberflächengestaltung wurden die gesamten Fassadenflächen sandgestrahlt, um einen leichten Alterungsprozess zu simulieren. Zum Schluss verklebten die Betoninstandsetzer die runden Pressglaslinsen, die sämtlich erneuert wurden. Insgesamt wurden 1.064 Stück verbaut.
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