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Farbige Schutzhülle

Technik
Farbige Schutzhülle

Ein Fassadenanstrich dient nicht nur der farbigen Gestaltung eines Hauses. Die dünne Schicht vermag das Bauwerk vor Feuchtigkeit und anderen Umwelteinflüssen zu schützen – vorausgesetzt, das Anstrichsystem ist auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmt.

Susanne Sachsenmaier-Wahl

Selbstverständlich kann ein Anstrich bau- oder putztechnische Mängel nicht beseitigen. Er kann jedoch dazu beitragen, dass Mauerwerk oder Putz nicht durch Witterungseinflüsse beschädigt werden. Besonders die Wasser- und die damit verbundene Schadstoffaufnahme soll durch einen Anstrich verhindert werden. Denn zahlreiche Bauschäden werden – zumindest indirekt – durch Wasser verursacht. Neben Frostschäden zählen auch der Verlust der Wärmedämmung, die Fassadenverschmutzung und der Algenbefall zu den typischen Mängeln, die durch Feuchtigkeit hervorgerufen werden.
Die wichtigste Aufgabe eines Fassadenanstrichs ist es also, Wasser vom Mauerwerk fern zu halten – gleichzeitig aber die Wasserdampfdiffusion von innen nach außen zuzulassen. Nur so ist gewährleistet, dass Wasser, das sich im Mauerwerk befindet, auch wieder austrocknen kann. Denn selbst wenn der Anstrich noch so wasserabweisend ist, kann durch ein Temperaturgefälle Wasser im Mauerwerk auskristallisieren. Für die Beurteilung einer Fassadenfarbe sind also zwei Werte ausschlaggebend: der sd-Wert und der w-Wert.
Der sd-Wert ist das Maß für die Dampfdurchlässigkeit. Je kleiner dieser Wert ist, desto besser ist die Diffusionsfähigkeit. Der w-Wert gibt Auskunft über die Wasserabweisung des Anstrichstoffs. Ist der w-Wert klein, nimmt die Fassadenbeschichtung wenig Wasser auf. Eine gute Fassadenfarbe müsste also sowohl einen kleinen w-Wert (geringe Wasseraufnahme), als auch einen niedrigen sd-Wert (hohe Dampfdurchlässigkeit) aufweisen.
Dispersionsfarben
Der Großteil der Fassaden in Deutschland weist einen Dispersionsfarbenanstrich auf. Dies ist vor allem auf die einfache Verarbeitung dieses Beschichtungsstoffs zurückzuführen. Dispersionsfarben können auf nahezu allen Untergründen aufgetragen werden. Lediglich Luftkalkmörtel (Mörtelgruppe 1a) sollten nicht mit Dispersionsfarben beschichtet werden, da diese Putze ständig Kohlendioxid benötigen, um nicht mürbe zu werden. Allerdings trifft man reine Luftkalkmörtelputze heute nur noch sehr selten, z.B. an älteren Häusern, an. Dispersionsfarben sind mit Wasser verdünnbar und lassen sich durch Streichen, Rollen oder Spritzen verarbeiten. Ein weiterer Vorteil der Dispersionsfarbe ist, dass sie sich in beliebigen – auch sehr intensiven – Farbtönen herstellen lässt. Dispersionsfarben besitzen in der Regel einen relativ geringen w-Wert; der sd-Wert ist dagegen meist verhältnismäßig hoch, vor allem dann, wenn die Farbe über einen hohen Bindemittelgehalt verfügt.
Silikatfarben
Reine Silikatfarben – diese Bezeichnung darf nur für Farben auf Basis von Kali-Wasserglas ohne organische Zusätze verwendet werden – finden ihre Anwendung heute vorwiegend in der Denkmalpflege. Bevor die Silikatfarbe verarbeitet werden kann, muss sie aus den beiden Komponenten Fixativ und Pigmente nach Herstellervorschriften angerührt werden. Bei der Trocknung reagiert die Silikatfarbe mit den mineralischen Bestandteilen des Untergrundes chemisch (man spricht dann von einer „Verkieselung”). Auf gipshaltigen oder mit Dispersionsfarbe beschichteten Untergründen können Silikatfarben nicht eingesetzt werden, da dort die chemische Reaktion nicht stattfinden kann. Da Silikatfarben für Kohlendioxid durchlässig sind, sollten sie auch nicht auf Beton zum Einsatz kommen. Der Schutz des Armierungsstahls nimmt durch die Kohlendioxideinwirkung ab und es kann zu Betonschäden kommen. Problematisch ist die Verwendung auch auf Porenbeton, da Silikatfarben wasserdurchlässig sind. Wird das Wasser nun für längere Zeit in den Poren des Betons gespeichert, verringert sich dessen Wärmedämmvermögen stark. Silikatfarben benötigen, wenn sie auf Porenbeton eingesetzt werden sollen, daher unbedingt eine anschließende Silikonharzimprägnierung.
Universeller einsetzbar als die reine Silikatfarbe und heute meist gemeint, wenn von Silikatfarben die Rede ist, ist die Dispersions-Silikatfarbe, die bis zu fünf Prozent Dispersionszusätze enthalten darf. Bei ihr handelt es sich um ein einkomponentiges Anstrichsystem; das aufwändige Anmischen fällt also weg, die Farbe lässt sich einfacher verarbeiten. Die Dispersionszusätze bewirken eine bessere Haftung auf kritischen Untergründen, selbst auf alten Dispersionsfarbanstrichen ließe sich die Dispersions-Silikatfarbe einsetzen. Allerdings macht dies wenig Sinn, da die positiven Eigenschaften dieses Anstrichstoffs – etwa die gute Wasserdampfdurchlässigkeit – auf einem derartigen Untergrund verloren gehen. Silikatfarben, aber auch Dispersions-Silikatfarben, weisen meist einen geringen sd-Wert, dafür jedoch häufig einen hohen w-Wert auf.
Die Entwicklung der Silikonharzfarbe schließlich resultierte aus dem Bestreben, die positiven Eigenschaften der Silikatfarben (hohe Wasserdampfdurchlässigkeit, spannungsarmes Auftrocknen) mit denen der Dispersionsfarben (geringe Wasserdurchlässigkeit, einfache Verarbeitung, universelle Einsetzbarkeit) zu kombinieren. Tatsächlich sind bei gut formulierten Silikonharzfarben sd- und w-Wert gering. Allerdings sind Silikonharze teuer. Da der prozentuale Mindestanteil an Silikonharzen im Verhältnis zu den außerdem enthaltenen Kunstharzdispersionen in Silikonharzfarben nicht geregelt ist, treten hier starke Qualitätsunterschiede auf. Übersteigt der Dispersionsanteil den Anteil an Silikonharzen, darf eigentlich nicht mehr von einer Silikonharzfarbe gesprochen werden. Statt dessen handelt es sich dann um eine mit Silikonharzen modifizierte Dispersionsfarbe.
Dauerhaft saubere Fassaden?
Da der Laie eine Fassade in der Regel nach optischen Gesichtspunkten beurteilt, sorgte 1999, nicht nur bei Malern und Architekten, sondern insbesondere auch beim Endverbraucher, die Präsentation einer Fassadenfarbe mit „Lotus-Effekt” für Furore. Eine vom Lotusblatt übernommene Mikrostruktur an der Oberfläche, sollte, in Kombination mit einer starken Hydrophobierung, eine extreme Unbenetzbarkeit dieser Farbe mit Wasser bewirken. Auf einer trockenen Fassade bilden sich keine Algen und hafte der Schmutz nicht; statt dessen werde er, laut Herstellerangaben, mit dem Regen sofort wieder abgewaschen. Dass der Abperleffekt an einer stark beregneten Wetterseite funktionieren mag, leuchtet ein. Der Lotus-Effekt ist jedoch an einer weniger exponierten Lage, unter einem großen Dachüberstand oder an der wettergeschützten Fassade, wo eine direkte Beregnung nicht möglich ist, stark eingeschränkt oder gar unmöglich. Selbst an beregneten Häuserfronten können große Überstände, z.B. an Fensterbänken, dazu führen, dass die Fassade ungleichmäßig verschmutzt und sich unter den Fenstern dunklere Stellen bilden. Und schließlich wird von Seiten der Kritiker des Lotus-Effekts immer wieder betont, dass eine starke Hydrophobie häufig mit einer Klebrigkeit der Oberfläche verbunden sei, die die Verschmutzung dann noch verstärke. Diese Klebrigkeit der Oberfläche ist generell bei stark wasserabweisenden Fassadenfarben, also auch bei herkömmlichen Siliconharzfarben, zu beobachten. Es kommt also entscheidend auf die gesamte Rezeptur der jeweiligen Farbe an – eine hohe Hydrophobie alleine macht noch keine gute Fassadenfarbe aus.
Hydrophil statt hydrophob
Neuere Entwicklungen bei den Fassadenfarben setzen statt auf eine hohe Hydrophobie auf das Gegenteil: auf Hydrophilie in Verbindung mit Fotokatalyse. Durch die fotokatalytische Wirkung der Fassadenfarbe wird der Schmutz, der meist organischen Ursprungs ist, an der Oberfläche abgebaut. Damit er anschließend durch Regenwasser abgetragen werden kann, ist es notwendig ihn zu unterspülen. Daher ist die Benetzbarkeit durch Wasser bei fotokatalytischen Fassadenfarben von so großer Bedeutung. Dass ein Zusammenhang zwischen Hydrophilie und geringer Verschmutzungsneigung bestehen muss, lassen auch Silikatfarben vermuten. Diese verschmutzen im Vergleich zu anderen Farben deutlich weniger.
Innovative Bindemittelklasse
Beim Rohstoffhersteller BASF ist man sich dagegen relativ sicher, dass ein innovativer Bindemitteltyp die Fassadenfarben in den nächsten Jahren revolutionieren wird: die wässrige Nanokompositdispersion. Die Oberflächen von Nanokompositfilmen seien hydrophil, hart und, selbst bei hohen Temperaturen, nicht klebrig – allesamt Voraussetzungen für eine gute Anschmutzungsresistenz. Die Kreidung der Anstriche verhalte sich dagegen wie bei einer Reinacrylatfarbe, sei also gering. Wer also von einer verstärkten Kreidung als Ursache für die gute Anschmutzungsresistenz ausgeht, liegt falsch. Derzeit sind Farben, die auf dieses Bindemittel beruhen, allerdings noch nicht erhältlich. Aber vielleicht wird in den Farbküchen ja schon fleißig gekocht…
Ewige Sauberkeit gibt es nicht
Trotz der hochwertigen Fassadenfarben, die heute auf dem Markt erhältlich sind bzw. zukünftig sein werden, sollte man dennoch eines nicht vergessen. Wie jeder andere Baustoff auch, unterliegen Fassadenbeschichtungen einem Alterungsprozess. Die Verschmutzung oder der Algenbefall sind eine natürliche Erscheinung, die nichts mit der Beschichtung selbst oder deren Minderwertigkeit zu tun haben. Algen und Schmutz findet man schließlich auch auf Kunststoffelementen, Glas oder Steinen. Doch während man sie dort als Selbstverständlichkeit hinnimmt oder schlichtweg regelmäßig entfernt, verlangt man von einer Fassadenbeschichtung häufig das Unmögliche – nämlich ewige Sauberkeit und Beständigkeit.

Aspekte, die bei der Auswahl des Anstrichstoffs zu beachten sind
  • Die Wasseraufnahme eines Anstrichstoffs (vgl. w-Wert) sollte möglichst kleiner als die des darunter liegenden Baustoffs sein, höchstens aber gleich hoch.
  • Die Wasserdampfdurchlässigkeit eines Anstrichstoffs (vgl. sd-Wert) sollte möglichst größer sein als die des darunter liegenden Baustoffs, maximal aber gleich hoch.
  • Reine Kalkputze müssen mit einem Anstrichsystem versehen werden, das durchlässig für Kohlendioxid ist.
  • Stahlbeton sollte durch ein möglichst kohlendioxidundurchlässiges Anstrichsystem geschützt werden.
  • Filmbildende Anstriche (z.B. Dispersionsfarben) können in der Regel mit porösen, mineralischen Systemen nicht überarbeitet werden; mineralische Anstriche lassen sich dagegen mit filmbildenden Systemen überstreichen.
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