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Trockeneis-Kur

Technik
Trockeneis-Kur

Die Trinkhalle in Baden-Baden erstrahlt nach einer schonenden Reinigung in neuem Glanz.

Sie ist Zeuge des Aufstiegs der Stadt zur „Sommerhauptstadt Europas“ im 19. Jahrhundert und zählt zu den architektonischen Wahrzeichen des Kurortes: die Trinkhalle in Baden-Baden. Im Rahmen der derzeit stattfindenden Restaurationsmaßnahmen werden unter anderem die Zuganker im Deckenbereich von Farbe und Rost befreit und anschließend mit einer passivierenden Rostschutzfarbe versehen. Das Besondere dabei: Die Reinigung der filigranen, gusseisernen Zuganker erfolgt im Trockeneisverfahren. Die nach Osten offene Halle im romanischen Stil wird von 15 korinthischen Säulen getragen und zeigt 14 Wandbilder von Jakob Götzenberger, die Szenen aus Mythen und Sagen der Region darstellen. Die Fassade wird von Pilastern akzentuiert, deren unterbrechender Charakter sich auch im Deckenbereich wiederfindet. Der flach ausgeprägte Segmentbogen in den Arkaden des vorderen Gebäudeteils setzt sich im Gewölbe des Baus fort. Zur statischen Tragfähigkeit kommen Zuganker aus Gussstahl zum Einsatz, die auch optisch ein verbindendes Element zwischen Arkade und Pilaster darstellen.

Um dieses kulturelle Erbe zu bewahren und einen langfristigen Korrosionsschutz zu erzielen, führen die ARGE Restauratoren Thomas Wieck und Georg Schmid derzeit umfassende Restaurationsarbeiten der Raumoberflächen und der Zuganker durch. Neben der denkmalgerechten Aufbereitung der Terrakottaelemente und der Putzflächen wird auch die Architekturpolychromie erfasst und in ihren historischen Farbigkeiten wiederhergestellt. Obwohl vor Schlagregen geschützt hat der Zahn der Zeit auch an den gusseisernen Zugankern seine Spuren hinterlassen: Sie weisen Rost auf und sollen einen neuen Anstrich erhalten. Zuvor sollten aber die einzelnen, filigranen Elemente oberflächenschonend gereinigt werden. Zum Entrosten und Entfernen der losen Farbschichten entschieden sich die ausführenden Restauratoren für das Trockeneisverfahren.
Da die Reinigung während der normalen Besuchszeiten bei Publikumsverkehr durchgeführt wird, wird in zehn Meter Höhe auf einem Gerüst gearbeitet. Zudem erfolgt die Restaurationsmaßnahme in zwei Schritten, sodass nach einem Abschnitt die Gerüste umgestellt werden. Zum Einsatz kommt dabei das Trockenstrahl-Gerät „IB 7/40 Advanced“ von Kärcher. Mit Druckluft und Trockeneispellets reinigt es Flächen von Fetten, Farben und Rost. Die bis zu drei Millimeter großen Trockeneispellets werden mit Druckluft auf über 150 Meter in der Sekunde beschleunigt. Beim Auftreffen auf die zu reinigende Fläche wird diese stark abgekühlt. Durch die hohe Geschwindigkeit und Temperatur von minus 79 Grad Celsius gefriert der Schmutz und bekommt Risse. Die Pellets dringen in die Risse ein, explodieren im mikroskopischen Bereich und sprengen die Verunreinigung ab. Diese Sublimation – der unmittelbare Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand – trägt neben der kinetischen Energie der Pellets und der Lockerung und Versprödung der Verunreinigung entscheidend zur Reinigungswirkung bei. Die geringe Härte der Trockeneispellets sorgt dabei für eine minimale Abrasion. Ihre Mohs’sche Härte entspricht in etwa der von Gips. Gearbeitet wird in der Trinkhalle mit einem Trockeneisdurchsatz von 25 bis 30 Kilogramm in der Stunde und einem Druck von 10 bar. Im ersten Abschnitt werden elf Träger gesäubert. Mit rund 350 Kilogramm Trockeneis werden so am Tag vier Unterzüge von Farbe und Rost befreit. Besonders effektiv erweist sich der Einsatz von Rundstrahldüsen mit vorgeschaltetem, sogenanntem „Scrambler“, der die Trockeneispellets auf µm-Größe zerkleinert und auch für sehr empfindliche Oberflächen geeignet ist. Ein weiterer Vorteil des Trockeneisverfahrens ist die zeitsparende Reinigung von filigranen Elementen. Eine Reinigung mit herkömmlichen Methoden – wie Drahtbürste, Schleifpapier oder Winkelschleifer – ist extrem zeitaufwendig und hinterlässt zumeist Strahlgut. Als chemie- und rückstandsfreies Verfahren ist das Trockeneisverfahren besonders umweltfreundlich. Denn während bei anderen Partikel-Strahlverfahren zum Beispiel Glasgranulat auf der Oberfläche zurückbleibt und die einzelnen Elemente nach der Reinigung nachbearbeitet werden müssen, entfällt beim Trockeneisstrahlen dieser Arbeitsschritt. Auch dieser Faktor ermöglicht erhebliche Zeitersparnisse bei der Reinigung der filigranen, dreidimensionalen und oftmals zerklüfteten Elemente. Die eingesetzten Trockeneispellets lösen sich nach dem Strahlen vollständig in Kohlenstoffdioxid auf. Die in der Trinkhalle verwendete Rostschutzfarbe, die auch im Schiffsbau eingesetzt wird, haftet gut auf den gereinigten Zugankern.
Die Trockeneis-Reinigung ermöglicht das Entfernen von Rost und Farbschichten, ohne dass die Substanz angegriffen wird.
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