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Nebelarme Spritztechnologie: effizient zu hoher Oberflächenqualität

Nebelarme Spritztechnologie
Den Griff zur Pistole wagen

Spritzen ist rationell und liefert erstklassige Oberflächen. Nebelarme Technologien ermöglichen die Spritzapplikation auch in Innenräumen und machen sie auf kleineren Flächen rentabel. Das Malerblatt hat eine nebelarme Spritztechnologie getestet – und fragt sich, warum sie nicht mehr Malerbetriebe einsetzen.

Autorin / Fotos: Susanne Sachsenmaier-Wahl

Vielleicht haben Sie in letzter Zeit eine Kassettentür lackiert. Oder einen Lamellen-Fensterladen oder eine Holzdecke beschichtet. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, welch zeitaufwendiges Unterfangen das war. Zumindest, falls Sie klassisch mit Pinsel und Rolle gearbeitet haben. Aber vermutlich haben Sie die Spritzlackierung dennoch nicht in Erwägung gezogen. „In Deutschland werden Lackierarbeiten nur zu etwa 20 Prozent im Spritzverfahren ausgeführt“, weiß Malermeister Yannick Heil, technischer Produktmanager bei Caparol. Woran das liegt, kann er sich nur schwer erklären, zumal sich in anderen Ländern ein völlig anderes Bild zeigt. „In den USA etwa ist das Verhältnis von Spritz- und Handlackierung genau umgekehrt, dort wird zu 80 Prozent gespritzt“, sagt Heil.

Vor allem im Renovierungsfall, vor Ort auf der Baustelle, kommen Spritzgeräte hier eher sporadisch zum Einsatz. Dabei stehen seit einigen Jahren nebelarme Spritzverfahren zur Verfügung, die gemäß den Herstelleraussagen die Spritzapplikation auch in Innenräumen problemlos ermöglichen, da der Overspray minimal ist. Türstöcke, Holzdecken, Treppengeländer oder Einbauschränke ließen sich damit – ohne großen Abdeckaufwand – rationell und qualitativ hochwertig beschichten. Doch auch Türblätter oder Fensterläden könnten bequem vor Ort lackiert werden, der Transport in die Werkstatt entfiele.

Woher rühren die Vorbehalte?

Warum also haben die deutschen Maler so große Vorbehalte gegenüber der Spritztechnologie? Liegt es nur daran, dass man hierzulande nicht so technikverliebt ist wie jenseits des großen Teichs? Oder schneidet die Spritztechnologie am Ende hinsichtlich Zeitaufwand und Ergebnisqualität gar nicht besser ab als die Handlackierung? Ist das Handling der Spritzausrüstung zu kompliziert? Sind die Anschaffungskosten für ein entsprechendes Spritzgerät zu hoch? Ist die Reinigung zu aufwendig? Oder scheitert letzen Endes doch alles am Spritznebel?

Diese Fragen habe ich mir gestellt, als ich mich mit der „maschinengestützten Lackier-Unlust“ der hiesigen Maler auseinandergesetzt habe. Immer, wenn ich es genau wissen will, wage ich den Selbstversuch. Mit Caparol habe ich deshalb einen Termin vereinbart, an dem ich die „NAST“-Technologie, die nebelarme Spitztechnologie des Farbenherstellers genau unter die Lupe nehmen wollte. Eines vorweg: Meine Voraussetzungen als Malermeisterin, die seit Jahren nicht mehr „an der Wand“ steht, stattdessen meist den Schreibtisch hütet, liegen sicherlich weit hinter denen, die jeder „aktive“ Maler mitbringt.

Perfekt aufeinander abgestimmt

Die Abkürzung „NAST“ steht schlicht für nebelarme Spritztechnologie. Denn die Spritznebelreduzierung war das entscheidende Kriterium für Caparol, als das NAST-Verfahren entwickelt wurde. Yannick Heil erinnert sich: „Auf der Suche nach einem Spritzgerät, mit dem es sich nebelarm lackieren lässt, sind wir auf das Niederdruckgerät „Finish Control 5000“ von Wagner gestoßen. Das Gerät hat uns spontan zugesagt, allerdings war uns der Overspray noch zu hoch.“ Also habe man gemeinsam mit Wagner daran gearbeitet, die Düse zu optimieren und so den Overspray zu reduzieren. Die speziell für das NAST-System entwickelte Front-End-Düse stellt ein besonders gleichmäßiges, feines Spritzbild sicher. „Die Ergebnisse wurden deutlich besser, ganz zufrieden waren wir aber immer noch nicht“, lässt Heil die NAST-Entstehungsgeschichte Revue passieren. „Schließlich war uns klar, dass wir unsere Beschichtungsstoffe auf das Verfahren abstimmen müssen“, fasst der Malermeister zusammen.

Inzwischen bietet Caparol drei NAST-Beschichtungsstoffe an: einen Haftprimer und zwei PU-Lacke (matt und seidenglänzend). Alle drei Produkte sind wasserbasiert, denn das System soll ja auch in Innenräumen zum Einsatz kommen und hier haben Wasserlacke sich mittlerweile als Standard etabliert. Die NAST-Lacke sind eine Weiterentwicklung bestehender Standardprodukte. Der Namenszusatz NAST kennzeichnet auf dem Etikett die spezielle Spritzqualität. Bernhard Linck, Experte für Lacke und deren Applikation, erklärt: „NAST-Lacke weisen eine besondere Strukturviskosität auf, die auf die aerodynamischen Verhältnisse am Düsenaustritt exakt abgestimmt sind. Im Gegensatz zu einem Universallack, der für Pinsel-, Roll- und Spritzverarbeitung eingestellt ist, bedeutet das: Der NAST-Lack hat beim Spritzen die Eigenschaft, nicht in Millionen kleinste Lackpartikel zerrissen zu werden, die als sogenannter Overspray am Objekt vorbeifliegen oder von diesem zurückprallen. Der NAST-Lack wird im Luftstrom besser zusammengehalten und zur Fläche transportiert, kommt also nahezu verlustfrei dort an, wo er hin soll – auf der zu beschichtenden Fläche.“ Die Lacke sind werksseitig auf die passende Viskosität eingestellt und dürfen deshalb nicht verdünnt werden. Yannick Heil: „Ansonsten käme es wieder zum unerwünschten Overspray.“ Aufgrund der speziellen Viskosität eignen sich die Lacke auch nicht zur Verarbeitung mit Pinsel oder Rolle. Hierfür sollte auf die Standardqualität zurückgegriffen werden.

Natürlich sind die drei NAST-Produkte nicht für alle Anwendungen geeignet. Mit dem Spritzgerät lassen sich auch andere Materialien applizieren, allerdings rät Heil dazu, ausschließlich wasserverdünnbare Lacke einzusetzen und stellt klar: „Der Spritznebel wird bei anderen Produkten in jedem Fall höher ausfallen.“

Spritzen statt streichen oder rollen

Bevor ich das nebelarme Spritzverfahren testen darf, gibt mir Yannick Heil eine kurze Einweisung, erklärt mir, wie das Gerät eingestellt werden sollte, denn die korrekte Einstellung von Luft- und Materialmenge ist entscheidend für die Zerstäubung und Farbnebelbildung. Das Niederdruckgerät arbeitet mit einem Druck von etwa 0,2 bar. Die speziellen NAST-Produkte sollten mit etwa 2/3 der Luftmenge gespritzt werden. An der Luftregulierung des Geräts entspricht das der Einstellung 7–8. Die Materialmengenregulierung sollte ebenfalls auf etwa 8 eingestellt sein. Anders als beim Airless-Spritzen beträgt der empfohlene Spritzabstand zum Werkstück bei der NAST-Technologie nur etwa zehn Zentimeter. Auch die Geschwindigkeit, mit der die Pistole über das Lackierobjekt bewegt wird, sollte langsamer als beim Airless-Spritzen sein. Da wasserbasierte Lacke relativ schnell anziehen, empfiehlt Caparol nicht, wie üblich, im Kreuzgang zu lackieren, sondern stattdessen in Bahnen, die zur Hälfte überlappt werden.

Nebelarme Spritztechnologie: Test mit Bravour bestanden

Prall gefüttert mit jeder Menge Informationen geht es endlich los: In einen wahrhaft „figurschmeichelnden“ Lackieranzug verpackt und mit einer Atemschutzmaske ausgestattet, darf ich zur Pistole greifen. Zur Spritzpistole mit NAST-Front-End versteht sich. Ich hatte so ein Gerät niemals zuvor in der Hand. Dennoch fordert mich Yannick Heil auf, gleich einen Lamellenfensterladen von Blau auf Rot umzulackieren. Wenn das mal gut geht …

Als ich die Pistole schließlich in die Hand nehme, stutze ich kurz. Im Vergleich zu einer Airlesspistole ist die NAST-Pistole zunächst etwas schwer und unhandlich, was nicht zuletzt auf den Saugbecher, der immerhin über ein Fassungsvermögen von einem Liter verfügt, zurückzuführen ist.

Dafür bin ich vom Lackiervorgang sofort positiv überrascht. Der Spritzstrahl lässt sich sehr gezielt einsetzen. Mithilfe eines Rundstrahls beschichte ich zunächst den Übergangsbereich zwischen Rahmen und Lamellen. Dann wähle ich den senkrechten Flachstrahl. Durch das langsame Bewegen der Pistole, das anfangs etwas ungewohnt ist, lassen sich die Bahnen sehr exakt ziehen und die empfohlene Überlappung von einer halben Bahn kann zuverlässig umgesetzt werden. Pluspunkte sammelt aber vor allem das Ergebnis: Aufgrund der relativ hohen Schichtstärke, die sich mit dem Verfahren erzielen lässt, sehe ich nach der Lackierung ausschließlich Rot. Der blaue Untergrund des Fensterladens ist komplett abgedeckt, auch an den Rundungen der Lamellen. Gleichzeitig sind nirgendwo Läufer zu entdecken, was bei einem Lamellenfensterladen durchaus eine Leistung ist. Die Lackfläche ist außerdem wunderbar glatt.

Minimaler Spritznebel

Im Anschluss an meinen Fensterladen-Selbstversuch demonstriert Yannick Heil, wie einfach und qualitativ hochwertig sich eine Füllungstür mit dem NAST-System beschichten lässt. In diesem Fall entscheidet er sich für senkrechte Spritzbahnen. Auf die Frage, warum, antwortet er: „An den Rändern des Türblatts wird der Spritznebel in die Umgebung verteilt. Ziel der Spritztechnologie ist aber, den Overspray so gering wie möglich zu halten. Beim senkrechten Beschichten entstehen weniger Bereiche, in denen über das Werkstück hinausgespritzt wird und somit reduziert sich der Spritznebel ganz automatisch.“ Dabei ist dieser ohnehin sehr gering. Auf dem Abdeckpapier hinter dem Türblatt schlägt er sich maximal auf 15 bis 20 Zentimetern außerhalb des Werkstücks nieder.

Während ich noch staune, wie unproblematisch sich die Profile der Füllungstür in nur einem Arbeitsgang überarbeiten lassen (ein gesondertes Vorlegen mit Lack wie bei der Handlackierung ist nicht notwendig), gibt mir Yannick Heil weitere Praxistipps wie diesen etwa: Fehlstellen in der Lackfläche sollte man während der Trocknungsphase auf keinen Fall versuchen nachzubessern. „Das Material zieht extrem schnell an, weshalb die Fläche nicht mehr verlaufen kann und die Oberfläche würde rau werden. Besser ist es, man lässt den Lack trocknen – das dauert nur etwa ein bis zwei Stunden – und überarbeitet noch einmal die gesamte Fläche.“

Deutliche Zeitersparnis durch die nebelarme Spritztechnologie

Nach rund vier Minuten ist das Türblatt fertig lackiert. Im Vergleich zu einer Handlackierung mit Pinsel und Rolle, die bei einem routinierten Verarbeiter etwa 20 Minuten in Anspruch nimmt, also deutlich schneller. Doch selbstverständlich ist nicht die reine Applikationsdauer ausschlaggebend, sondern die gesamte Arbeitszeit inklusive Rüstzeiten. Das Einrichten der Baustelle hält sich bei dem Verfahren jedoch in Grenzen. Das Motorgebläse erinnert in seiner Größe und auch hinsichtlich des Gewichts (ca. 8 Kilogramm) an einen Haushaltsstaubsauger. Es kann also bequem von einer Person transportiert werden. Die Inbetriebnahme ist unkompliziert: Motorgebläse an das Stromnetz anschließen, Luftschlauch einstecken und diesen am anderen Ende mit der Pistole verbinden. Schon kann gespritzt werden – sofern bereits Lack in den Saugbehälter gefüllt wurde. Da der Lack verarbeitungsfertig eingestellt ist, genügt es, diesen lediglich aufzurühren. Wer sich auch das Umfüllen noch sparen möchte, kann auf einen Dosenadapter zurückgreifen, mit dem direkt aus der Farbdose (750 bzw. 1000 Milliliter) gearbeitet werden kann.

Und wie sieht es mit der Reinigung nach getaner Arbeit aus? Hier spielen die eingesetzten Wasserlacke wieder ihre Vorteile aus. Der Farbbecher sowie sämtliche Einzelteile der Pistole, die sich unkompliziert zerlegen lässt, können unter fließendem Wasser gereinigt werden. Ein kleines Bürstchen, das im Lieferumfang enthalten ist, sorgt dafür, dass keine Lackreste zurückbleiben. Nach etwa fünf Minuten ist die Pistole sauber und kann wieder zusammengebaut werden. Wesentlich schneller sind Pinsel und Rolle auch nicht gereinigt. „Die Pistole muss bei Arbeitspausen nicht unbedingt ausgewaschen werden. Es genügt, wenn man die Öffnungen der Spritzdüse mit einem Stück Klebeband verschließt. So kann man nach einer Arbeitsunterbrechung sofort weiterarbeiten“, rät Yannick Heil außerdem.

Unter dem Strich ergibt sich also eine deutliche Zeiteinsparung. Im Falle der Füllungstür beträgt diese rund 30 Minuten, da die Tür bei der Handlackierung in der Regel zweimal beschichtet werden muss. Bei dem Lamellenfensterladen wäre die Arbeitszeiteinsparung sogar noch wesentlich höher.

Konkurrenz fürs Airless-Gerät?

Die Vorteile, die die  nebelarme Spritztechnologie mit sich bringt, liegen auf der Hand und müssten jeden Maler, der gute Qualität abliefern und dabei noch Geld verdienen möchte, sofort überzeugen. Zu diesem Schluss bin ich bei meinem Test zweifellos gekommen. Auch die Anschaffungskosten dürften wohl kaum abschrecken. Mit rund 850 Euro für das Grundgerät plus spezieller NAST-Front-End-Düse ergibt sich ein durchaus günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Yannick Heil vermutet, dass das Gerät eher als „Konkurrenz“ zum Airless-Gerät, das ja bereits in den meisten Malerbetrieben vorhanden ist, gesehen werden könnte. Doch dies weist Caparol entschieden zurück. Das nebelarme NAST-Spritzverfahren mit den speziell dafür entwickelten Lacken empfiehlt sich für das Beschichten kleiner bis mittelgroßer Flächen. Für Flächen also, für die der Maler kein Airless-Spritzgerät verwenden würde, weil dessen Einsatz aufgrund des Reinigungsaufwandes unwirtschaftlich wäre. Für NAST-Anwendungen bietet sich z.B. das Lackieren von Garagentoren, Heizkörpern oder Türzargen an. Aber auch auf kleinflächigen Bauteilen wie Treppengeländern ist die Anwendung der nebelarmen Spritztechnologie sinnvoll, weil die Verwendung eines Airless-Gerätes zu viel Spritznebel verursachen würde. Als Faustformel lässt sich sagen: NAST bis zu 50 Quadratmeter Fläche und überall dort, wo nur geringe Spritznebelbelastung akzeptabel ist; Airless-Geräte sind auf größeren Flächen ab etwa 50 Quadratmetern nach wie vor die bessere Wahl – zumindest unter wirtschaftlichen Aspekten.

Denn für den Handwerker bedeutet eine geringere Spritznebelbildung auch eine wesentlich angenehmere Arbeitssituation. Das macht sich vor allem bei Über-Kopf-Arbeiten bemerkbar, z. B. beim Beschichten von Holzdecken. Auch unter beengten Verhältnissen und in schlecht belüfteten Räumen erweist sich die handliche nebelarme Spritztechnologie häufig als vorteilhafter.

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