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Wirklichkeit oder Visionen?

Technik
Wirklichkeit oder Visionen?

Infrarot-Farben, Mikrohohlkugeln, Nano-Hybrid: Was leisten innovative Fassadenbeschichtungen wirklich und wo liegen die Grenzen der neuen Technologien?

Franz Xaver Neuer, Caparol

Für Fassadenfarben werden unterschiedliche Technologien diskutiert, um wesentliche Problemfelder wie Verschmutzung sowie den Bewuchs mit Pilzen und Algen langfristig zu verhindern. Im Folgenden soll daher beleuchtet werden, was hinter den Innovationen tatsächlich an Leistungen steht und was möglicherweise lediglich unter Marketingaspekten relevant ist.
Zunächst ist festzustellen, dass die Wirkungsweise von Fassadenfarben vor allem bei der Überarbeitung von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) besonders auf die Probe gestellt wird. Da die dünne Putzschicht thermisch nahezu getrennt vom eigentlichen Mauerwerk ist, kühlt der Putz bei Kälte in der Nacht rasch ab. Bei Sonneneinstrahlung heizt sich der Putz schnell auf, aber eine Wärmespeicherung ist nahezu nicht möglich. Deshalb verschmutzen gedämmte Fassaden schneller als ungedämmte. Die Hülle des Hauses muss gegen alle Einwirkungen von innen wie außen schützen. Ob Wasserdampf von innen oder aufsteigende Feuchtigkeit bzw. Salze von außen: Gegen alles müssen Schutzfunktionen innerhalb des Fassadensystems vorhanden sein. Das gilt auch für Sonnenlicht, Wärme, Frost, Regen, Staub sowie Schmutz oder chemische und mechanische Einwirkungen. Die Technologie, welche diesen Einwirkungen am besten standhält, wird die Fassade am ehesten vor Verschmutzung, Verpilzung oder Veralgung und Abwittern schützen.
Verschmutzung von Fassaden
Die Fassadenverschmutzung hängt ursächlich von Struktur und Chemie der Oberfläche, den bauphysikalischen Einflüssen sowie den Randbedingungen für Algen- und Pilzbefall ab. Sofern eine Fassade rau und stark thermoplastisch ist und zur Kondensfeuchte neigt, wird sie immer leichter verschmutzen als andere Oberflächen. Deshalb gilt es, diese nachteiligen Faktoren möglichst auszuschließen. Durch extreme Hydrophobie (feuchteabstoßende Wirkung) wird versucht, die Feuchtigkeit möglichst nicht an die Oberfläche gelangen zu lassen. Praktische Beispiele und viele Testreihen haben jedoch gezeigt, dass dies als alleiniges Konzept nicht ausreicht, um Verschmutzung zu verhindern. Das zeigt sich besonders an stark befahrenen Straßen mit einer hohen Feinstaubbelastung. Eine mögliche Begründung liegt darin, dass die Wassertropfen nicht vollständig „ablaufen“, sondern zum Teil an der Oberfläche verbleiben. Dadurch sammelt sich Feinstaub an der Wasseroberfläche, der nach Abtrocknen auf der Fassade zurückbleibt.
Ein Lösungsansatz ist die Nutzung der Kapillarhydrophobie. Es bildet sich bei Regen ein dünner Wasserfilm auf der Oberfläche, so dass das Eindringen von Feuchtigkeit aufgrund der hydrophobierten Kapillare wirkungsvoll verhindert wird. Der hauchdünne Wasserfilm ermöglicht, dass die Oberfläche sehr schnell abtrocknet und sich wenig Feinstaub auf ihr ablagern kann.
Neben der Kapillarhydrophobie sind thermisch und hygrisch stabile Bindemittel vonnöten, um ein Verkleben von Schmutzpartikeln zu verhindern. Weitere Parameter, um Verschmutzung wirkungsvoll zu vermeiden, sind eine feinstrukturierte Oberfläche, die möglichst wenig Kontaktfläche für Schmutz bietet, eine fotokatalytische Wirkung durch Titandioxid, um abgelagerten Schmutz abzustoßen und keinen Nährboden für Pilze und Algen zu bieten.
Temperaturerhöhung
Um die Betauung an der Putzoberfläche zu vermeiden, rückt neben der Hydrophobie die Unterschreitung des Taupunkts in den Fokus. Dazu müsste die Temperatur der Fassade nachts oberhalb des Taupunktes gehalten werden. Wenn dies gelänge, würde sich das Risiko eines Bewuchses mit Algen und Pilzen gerade auf gedämmten Fassaden deutlich reduzieren. Folgende Ansätze werden dabei unter anderem in Betracht gezogen:
  • IR-Reflektion Infrarot (IR)-aktive Farben sollen die Wärmeabgabe in der Nacht durch spezielle Pigmente in der obersten Putzschicht reduzieren, um die Oberflächentemperatur oberhalb des Taupunkts zu halten. Wenn dies bis in die frühen Morgenstunden gelänge, könnte die Kondensation verhindert und dadurch auch das Bewuchsrisiko reduziert werden. Besonders im Frühjahr und Herbst mit warmen Tagen und kalten Nächten zeigt sich, dass dadurch die Taupunktunterschreitung verkürzt wird und geringer ausfällt. Da in den frühen Morgenstunden jedoch eine Unterschreitung des Taupunktes stattfindet, ist eine Betauung in der Regel gegeben. Diese lässt sich durch IR-aktive Farben nicht endgültig verhindern.
  • Mikrohohlkugeln als funktionelle Füllstoffe In manchen Fassadenfarben werden Leichtfüllstoffe in Form von Hohlkugeln aus Keramik, Glas oder Kunststoff eingesetzt. Diese bewirken entweder ein Vakuum, einen Unterdruck oder sind mit Inertgas gefüllt. Dabei wird neben der Reduzierung des Gewichts der Farbe auch die Wärmeleitfähigkeit stark reduziert. So soll die gespeicherte Wärme länger in der Farbe gehalten werden und die Putzschicht nicht so schnell abkühlen. Auch hier soll die Kondensation an der Putzoberfläche möglichst lange verhindert werden, um einen Befall mit Pilz und Algen zu verhindern. Es ist allerdings leicht vorstellbar, dass in einer Farbe mit Trockenschichtdicken von 100 bis 150 Mikrometern nur ein sehr geringer Wirkungsgrad dieses Effektes vorhanden ist.
  • Latentwärmespeicher: Phase Changing Materials (PCM) Latentwärmespeicher sind funktionelle Füllstoffe, die in der Lage sein sollen, Energie (Wärme) während des Tages zu speichern und beim Abkühlen nachts verzögert wieder abzugeben. Es handelt sich dabei um kunststoffumhüllte Wachskugeln mit einem individuell einstellbaren Schmelz- und Erstarrungspunkt zwischen null und dreißig Grad Celsius. Tagsüber schmelzen die Wachskügelchen aufgrund von Wärmeaufnahme und halten dabei die Temperatur während des Schmelzvorgangs konstant. Daher ist sogar in dieser Phase ein Kühlungsprozess vorhanden. Bei der Abkühlung nachts hält sich diese Temperatur so lange konstant, bis der Erstarrungsprozess vollständig ab- geschlossen ist. Die dünnen Farbschichten kühlen trotzdem zu schnell ab. Ein merklicher Effekt ist erst in höheren Schichtdicken durch größere Mengen an Wachskügelchen feststellbar. Die Kondensation erfolgt in nahezu gleichem Ausmaß, der Schutz vor Pilzen und Algen muss deshalb anders gewährleistet sein. Der Einsatz im Innenbereich ist eher vorstellbar, etwa in Form von Gipsputz oder Gipskarton.
  • Nano-Silber als Alternative für biozide Wirkstoffe? Mit Blick auf die Frage, ob Nano-Silber Biozide ersetzen kann, ist zunächst festzustellen, dass Nano-Silber antibakteriell wirkt. Die Wirksamkeit gegen Pilze und Algen ist aber nur gering und ausschließlich durch die Zugabe größerer Mengen vorhanden. Um einen Graustich in der Farbe zu verhindern, dürfen aber nur geringe Mengen an Nano-Silber zugegeben werden. Der Einsatz im Innenbereich ist eher vorstellbar als an der Fassade. Hier gibt es bereits Produkte, die sich bewährt haben.
Neue Bindemitteltypen
Neue Bindemittel erweitern überdies Eigenschaften und Nutzen von Fassadenfarben. Das ist mit einem silanisierten Reinacrylat gelungen, indem die mineralischen Eigenschaften einer Siliconharz-Fassadenfarbe mit der Farbtonvielfalt einer Reinacrylat-Fassadenfarbe kombiniert wurden. Um mit dem Anwendungsspektrum von Siliconharz-Fassadenfarben mithalten zu können, wurden Dispersionssilikat-Fassadenfarben mit Kieselsolen kombiniert. Dadurch ist auch eine Haftung auf organischen Altanstrichen gewährleistet. Diese so genannten Sol-Gel-Silikatfarben erweitern das Spektrum der Silikatfarben und deren Anwendung.
Die neueste Innovation auf dem Bindemittelsektor für Fassadenfarben sind die so genannten Nano-Hybride. Sie stellen eine nochmalige Verbesserung der Werkstoffe dar, um Fassaden noch länger vor Verschmutzung zu schützen. Mit diesen neuen Bindemitteln sind nicht nur Fassadenfarben machbar, sondern auch weitere Materialien wie Buntstein- und pastöse Putze.
Fazit
Die meisten der erläuterten Technologien sind heute noch nicht ausgereift. Es sind allerdings Visionen erlaubt, die – wie etwa IR-aktive Farben – künftig eine Rolle einnehmen könnten. Technologien, die auf Mikrohohlkugeln oder Latentwärmespeicher abzielen, kommen eher für den Innenbereich in Frage. Eine jetzt schon maßgebliche Innovation stellt das neue Bindemittel Nano-Hybrid für Fassadenfarben dar. Dessen Möglichkeiten sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Fungizide und Algizide in Fassadenfarben bleiben bei „kritischen“ Objekten nach wie vor unverzichtbar.

kompakt
Einige der beschriebenen Technologien werden heute bereits in Fassadenfarben umgesetzt. Das „Caparol Clean Concept“ (CCC) etwa nutzt die Kapillarhydrophobie, um ein schnelles Abtrocknen der Fassadenoberfläche zu ermöglichen. Daneben werden in den CCC-Produkten thermisch und hygrisch stabile Bindemittel eingesetzt, die ein Verkleben von Schmutzpartikeln verhindern. Weitere Parameter des CCC sind eine fein strukturierte Oberfläche, die möglichst wenig Kontaktfläche für Schmutz bietet, eine fotokatalytische Wirkung durch Titandioxid, um den Schmutz abzustoßen und somit keinen Nährboden für Algen und Pilze zu bieten.
Weitere Informationen zum Caparol Clean Concept erhalten Sie bei
Caparol
Tel.: (06154) 71-0/Fax: -1391
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