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Richtig kritisieren

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Richtig kritisieren

Stellen wir uns vor, in einem Betrieb beginnt die Arbeitszeit regelmäßig um 7.00 Uhr. Das ist die allgemeine Regel. Und alle halten sich daran. Alle – außer einem Mitarbeiter, nennen wir ihn Kurt. Kurt kommt immer mal wieder erst um 7.17 Uhr. Seine Kollegen haben dann das Fahrzeug schon eingeräumt. Er hat nicht geholfen, denn er war ja zu spät. Manchmal mussten die Kollegen sogar auf Kurt warten. Das erzeugt natürlich Unmut. Der Chef sagt lange nichts. Er denkt sich, dass das die Mitarbeiter untereinander ausmachen sollen. Die haben ja auch keine Lust, immer auf den Kurt zu warten. „Die werden dem schon Beine machen“, meint der Chef.

 

Feedback

Und wieder einmal ist Kurt zu spät. Um zehn nach sieben sagt der Chef zu den Kollegen: „Was steht Ihr denn noch hier? Hat der Kurt mal wieder verpennt? Kein Wunder, dass Ihr nie die Termine schafft.“ Dann steigt er in sein Auto und fährt zu einem Kundentermin. Gerade hat unser Chef viel falsch gemacht und vielleicht auch die Motivation kaputt. Zunächst einmal hat sich unser Chef – zu recht – über Kurt geärgert. Es kann nicht sein, dass ein Mitarbeiter wiederholt zu spät im Betrieb erscheint. Dadurch entsteht Unmut bei den Kollegen, die ja auf Kurt warten müssen. Es verstreicht ungenutzt teure Arbeitszeit. Der Arbeitsablauf wird gestört. Da ist es verständlich, dass unser Chef sich ärgert. Und diesen Ärger muss er auch nicht in sich hineinfressen. Der darf ruhig ausgesprochen werden. Ein offenes Wort ist immer gut. Aber dieses offene Wort muss an Kurt adressiert sein und nicht an die Kollegen. Kurt hält sich nicht an die Regeln. Also muss Kurt genau das gesagt bekommen. Das nennt man Feedback. Es bedeutet, dass jemand eine Rückmeldung zu seinem Verhalten bekommt. Die kann positiv oder negativ sein. Was unser Chef macht, hat mit Feedback nichts zu tun. Er tadelt die Kollegen von Kurt in der Hoffnung, dass diese Kurt zurechtweisen werden. Das ist den Kollegen gegenüber ungerecht. Die können nichts für Kurts Verspätung. Deren Aufgabe ist es auch nicht, Kurt zu tadeln. Das ist Chefsache. Feedback ist immer direkt auf den gerichtet, den es angeht.

Kritische Rückmeldung

Die meisten Menschen lassen sich nicht gerne kritisieren. Und zwar unabhängig davon, ob die Kritik berechtigt oder unberechtigt ist. Kritik erträgt keiner gerne. Kritik greift immer das Selbstwertgefühl an: „Sie haben etwas falsch gemacht!“ Dieser einfache Satz löst eine Menge aus. Wer etwas falsch macht, der kann es nicht richtig. Der hat sich gegen die Regeln verhalten. Der steht außerhalb derer, die es richtig machen. Wer etwas falsch macht, der schadet den anderen. Dahinter steht jahrtausendealtes in unserem Gehirn verankertes Gruppendenken. Man will dazugehören, Teil der Gruppe sein. Wer aber etwas falsch macht, der steht außerhalb der Gruppe. Ohne ihn explizit auszusprechen, kennt jeder Mensch diesen Zusammenhang. Deshalb haben viele Menschen genauso große Probleme damit, andere Menschen zu kritisieren, wie selbst kritisiert zu werden. Denn unterbewusst wissen wir alle, dass derjenige, der kritisiert, sich unbeliebt macht.

Der Chef in unserem Beispiel hat lange nichts zu Kurt gesagt. Er will sich bei Kurt nicht unbeliebt machen. Und als ihm dann der Kragen platzt, da sagt er es lieber den Kollegen, als auf Kurt zu warten. Das beschreibt genau die psychologische Situation, in der sich Führungskräfte immer wieder finden. Man traut sich nicht, direkte Kritik zu üben. Also wird keine oder Kritik an der falschen Stelle geübt.

Psychologie der Kritik

Dabei ist das Kritisieren eines anderen gar nicht so schwer – wenn man sich die psychologischen Zusammenhänge klar macht und berücksichtigt. Zunächst einmal sollte sich der Führende immer im Klaren darüber sein, dass er, der Menschen führt, auch nur ein Mensch ist. Und das bedeutet, dass er selbstverständlich Fehler machen wird. Es bedeutet aber auch, dass er seine Mitmenschen achten muss. Eine kritische Rückmeldung sollte so verpackt werden, dass sie beim Mitarbeiter richtig ankommt. Es geht darum, eine Veränderung des Verhaltens bei einem gleichzeitig positiven oder zumindest neutralen Effekt auf die Leistungsmotivation zu erreichen. Wer den anderen „vor den Kopf stößt“, der wird erleben, dass sein Gegenüber sich von ihm abwendet und so sehr mit seiner Kränkung beschäftigt ist, dass er die Arbeit vergisst. Die folgenden Feedbackregeln helfen, genau das zu verhindern:

· Ich- statt Du-Botschaften Es macht einen Unterschied, ob der Chef zu Kurt sagt: „Ich wünsche mir, dass alle Mitarbeiter um 7.00 Uhr hier sind“ oder ob er sagt: „Kurt, Du kommst immer zu spät“. Die zweite Formulierung wird bei Kurt wie ein Angriff ankommen. Kurt wird versuchen, sich zu verteidigen. Wer aber damit beschäftigt ist, sich zu verteidigen, der kann nicht verstehen.

· Beschreiben statt werten Wenn unser Chef sagt: „Kurt, Du warst in der letzten Woche zweimal erst um 7.15 Uhr hier“, dann ist das eine nicht zu widerlegende Feststellung. Ganz anders klingt es, wenn der Chef sagt: „Es geht nicht, dass Du immer zu spät kommst“. Diese Formulierung enthält eine Wertung und wird Kurt ganz anders herausfordern als die erste.

· Konkret statt generalisiert Kurt war in der letzten Woche zweimal zu spät und genau das sollte der Chef ansprechen. Eine Aussage wie „Du kommst immer zu spät“ generalisiert zu stark. Diese Aussage wäre falsch. Kurt würde sich das nicht bieten lassen. Und wieder würde er in Verteidigungsstellung gehen.

· Zeitnah statt sammeln Wenn Kurt zu spät kommt, dann muss unser Chef das ansprechen. Es macht keinen Sinn, die Verspätungen im Stillen zu sammeln und Kurt irgendwann die große Rechnung zu präsentieren. Das wird dann schnell zur „Abrechnung“ und die zielt nicht mehr auf die Veränderung des Fehlverhaltens, sondern auf das Ende der Arbeitsbeziehung hin.

· Direkt statt indirekt Natürlich reden Menschen gerne über andere Menschen, die gerade nicht zugegen sind. Der Klatsch und Tratsch ist menschlich und er kommt wohl überall vor. Aber wer das Fehlverhalten eines Mitarbeiters abstellen will, der sollte genau das mit diesem Mitarbeiter besprechen. Unser Chef macht einen großen Fehler, wenn er nicht mit Kurt spricht, sondern mit dessen Kollegen über Kurt. Zunächst einmal haben die Kollegen keine Lust, ihr gutes Verhältnis zu Kurt zu gefährden. Sie wollen Kurt nicht kritisieren und sich bei ihm unbeliebt machen. Obwohl Kurt eine Ermahnung in den Augen der Kollegen verdient hätte. Aber das steht ihnen nicht zu. Das erwarten sie vom Chef. Und auch für die Globalkritik „Ihr schafft Eure Termine nicht“ haben sie kein Verständnis. Das empfinden die Mitarbeiter als ungerecht. „Welche Baustelle meint er denn?“, werden sie denken. „Warum werden wir kritisiert, wenn Kurt doch zu spät kommt?“ wird der zweite Gedanke lauten. „Unser Chef ist ungerecht“, ist dann der dritte Gedanke. Und einen ungerechten Chef achtet man nicht. Aber wen man nicht achtet, für den setzt man sich auch nicht ein. So verliert man gute Mitarbeiter.

Gespräch statt Pranger

Kritik zielt auf die Änderung eines Verhaltens ab. Es geht darum, etwas zu verbessern, und nicht, jemanden an den Pranger zu stellen. Da versteht es sich von selbst, dass eine kritische Rückmeldung an einen Mitarbeiter eine nicht-öffentliche Sache ist. Nichts ist verheerender für das Selbstwertgefühl eines Menschen, als wenn er öffentlich kritisiert wird. Das putzt das Selbstwertgefühl herunter und macht die Motivation kaputt. Bessere Leistungen kann man danach kaum noch erwarten. Das Gespräch sollte von menschlicher Wertschätzung geprägt sein und in jedem Fall ist eine klare sachliche Aussage gefragt.

Unser Chef sollte Kurt einfach mal ins Büro bestellen. Am Abend könnte er beispielsweise sagen: „Kurt kommst Du zu mir rein, wenn Ihr das Auto ausgeräumt habt“, und dann würde er mit Kurt die morgendlichen Verspätungen besprechen. Er würde Kurt das Problem erklären. Und Kurt würde vom kranken Vater berichten, den er betreuen muss und der halt nicht immer so mitspielt. Der Chef und Kurt würden ein gegenseitiges Verständnis entwickeln und man würde sich darauf einigen, dass Kurt in Zukunft anruft, wenn er wieder mal nicht pünktlich sein kann. Dann würden die Kollegen vorausfahren und Kurt käme direkt auf die Baustelle. Kurt wäre froh, über diese Lösung. Und der Chef hätte weiterhin einen Mitarbeiter, der sich für ihn einsetzt.

Thomas Scheld
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