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Frische Kräfte für das Handwerk

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Frische Kräfte für das Handwerk

Bei einem Spaziergang durch seinen Berliner Kiez blieb Saidou Nouhou fasziniert vor einer Baustelle stehen. Ein Maler sprühte Farbe an die Fassade. „Eine Airless-Spritze – das fand‘ ich cool! Ich kannte vorher nur Pinsel und Farbrolle“, sagt der 23-Jährige. Eine Entdeckung, die ihn in seinem Berufswunsch bestätigte: Saidou will Maler werden.

David Krenz

Häuser modern und schön machen, kreativ sein können – das wäre eine Arbeit, die ich lieben würde“, sagt Saidou Nouhou. Schon damals im Niger, seinem Heimatland, hat er die Wände seines Zimmers in Gold und Blau gestrichen. Geld verdiente er an der Nähmaschine einer Textilfabrik.
Seit seiner Flucht nach Deutschland vor zwei Jahren war er die meiste Zeit zum Nichtstun verdammt, endlich kann er sich wieder die Hände schmutzig machen: In schwarzer Arbeitsjacke tunkt er einen Rundpinsel in den Farbeimer, in den Übungskabinen neben ihm werkeln Sheko, ein kurdischer Schafscherer, und Yaya, ein 18-jähriger Beniner. Die drei durchlaufen den „Übungswerkstätten-Parkour“ des Berliner Projekts Arrivo, das Flüchtlingen bei der Integration in den Arbeitsmarkt hilft.
Die Parkour-Teilnehmer schnuppern jeweils für zwei Wochen in verschiedene Handwerksberufe, die Station „Maler und Lackierer“ führt in die Lehrwerkstatt der Berliner Malerinnung, einem Partner des Projekts. „Unsere Übungen entsprechen dem Niveau erstes Lehrjahr“, sagt Ausbilder Peter Stolz. „Ich vermittle die Grundlagen: sauber arbeiten, Fußböden abdecken, nicht wirr loslegen, sondern vorher einen Plan machen.“ Der 34-jährige Malermeister engagiert sich freiwillig im Arrivo-Projekt.
Grundfertigkeiten
Deutschlandweit sind parallel zum rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen ähnliche Integrationsprojekte gestartet, etwa die Lernwerkstatt Halle 36 in einer ehemaligen Münchner Kaserne oder das Projekt „Asü“ – Ausbildung und Arbeit für Asylbewerber in Südthüringen. Die Teilnehmer lernen handwerkliche Grundfertigkeiten und Fachbegriffe, werden über duale Berufsausbildung und deutsche Arbeitskultur aufgeklärt. Dank guter Kontakte in die Praxis helfen die Projekte bei der anschließenden Vermittlung von Praktika und Ausbildungsplätzen.
Chance für das Handwerk
Das Handwerk kann frische Kräfte gut gebrauchen: 17.000 offene Stellen wurden im Vorjahr gemeldet. Die meisten Flüchtlinge sind jung, haben einen Schulabschluss und wollen arbeiten, Geld verdienen. Damit beide Seiten zusammenkommen, ist Qualifizierung nötig. „Wir brauchen keine Schubkarrenschieber, wir brauchen Fachkräfte“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer im Februar auf einer Pressekonferenz zur beruflichen Integration von Asylbewerbern.
Spätestens seit den Neunzigerjahren, als viele Balkanflüchtlinge und Spätaussiedler in den Betrieben unterkamen, hat das Handwerk einen guten Ruf als Integrationsmotor. Doch in der aktuellen Flüchtlingskrise kommt er nur langsam auf Touren. „An den Betrieben liegt es nicht, die sind bereit. Es sind die gesetzlichen Hürden, die es sehr schwer machen“, sagt Julia Gustavus, Geschäftsführerin der Berliner Malerinnung. ZurZeit darf ein Flüchtling in den ersten drei Monaten nach seiner Einreise nicht arbeiten. Anschließend gilt die Vorrangprüfung, also die Nachweispflicht, dass es keinen Deutschen oder EU-Ausländer gibt, der die Stelle besetzen könnte. Hinzu kommt, dass wegen langer Bearbeitungszeiten viele der Flüchtlinge keinen klaren Status haben, die Unternehmen also nicht wissen, ob ihr Bewerber nicht bald wieder abgeschoben wird.
Die Malerfirma Kaminski und Brendel im Süden Berlins hat es dennoch gewagt. Chef Michael Brendel nahm Kontakt zu Arrivo auf, im November fing ein ehemaliger Teilnehmer als Lehrling an, ein 20-jähriger Marokkaner, der per Duldung in Deutschland lebt.
Wie geht es weiter?
„Wir wollten helfen, einen Beitrag leisten“, sagt Susanne Johannsen, die Ausbildungsbeauftragte des Betriebs. Inzwischen hat der Azubi die Probezeit gemeistert. „Mit ihm läuft es sehr gut, er ist fleißig, lernt zügig Deutsch, die Meister loben ihn“, sagt Johannsen. Wie es nach der Lehre weitergeht, bleibt fraglich: Seit die Bundesregierung Marokko zum sicheren Herkunftsstaat erklären will, droht jedem ohne Aufenthaltstitel die Abschiebung.
Qualifizierungsprogramm
Was Projekte wie Arrivo im Lokalen bieten, ist nun im großen Stil geplant: Bundesbildungsministerium, Bundesagentur für Arbeit und Zentralverband des Deutschen Handwerks entwickelten ein Qualifizierungsprogramm: 10.000 Flüchtlinge unter 25 Jahren sollen auf eine Handwerkslehre vorbereitet werden.

Was MalerBetriebe Wissen sollten Interview mit Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit
Was MalerBetriebe Wissen sollten
Interview mit Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit
Malerblatt: Herr Ebsen, wenn ich als Inhaber eines Malerbetriebs einen Flüchtling einstellen möchte, an wen wende ich mich im ersten Schritt?
Ebsen: Manche Chefs gehen in Erstaufnahmelager, zielführender und weniger umständlich ist, sich an die Arbeitsagentur zu wenden. Je nach Status des Geflüchteten gelten andere Auflagen, wenn das Asylverfahren noch läuft, muss die Ausländerbehörde ihre Erlaubnis erteilen. Wir versuchen, vornehmlich Arbeitskräfte zu vermitteln, die bereits eine positiven Asylbescheid haben. Sie dürfen ohne Einschränkungen arbeiten.
Malerblatt: Viele Betriebe dürfte der bürokratische Aufwand schrecken.
Ebsen: Bei anerkannten Flüchtlingen ist der Prozess meist innerhalb einer Woche erledigt. Bei Bewerbern mit laufenden Asylverfahren dauert es länger, weil die Vorrangprüfung noch ergeben muss, ob nicht ein Bürger aus Deutschland oder der EU ebenfalls auf die Stelle passt. In Süddeutschland geschieht das meist sehr schnell, weil es dort viele unbesetzte Stellen gibt.
Malerblatt: Können Betriebe eine Förderung erhalten?
Ebsen: Die Betriebe können ihre Bewerber zunächst kennenlernen, zum Beispiel über eine Einstiegsqualifizierung vor der Ausbildung. Dafür gibt es Zuschüsse.
(auf der Startseite das Feld „Arbeit und Ausbildung für Asylsuchende“ anwählen).

praxisplus
Arrivo, gegründet im Dezember 2014, ist eine Ausbildungs- und Berufsinitiative zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Träger sind die Senatsverwaltung für Arbeit, die Handwerkskammer Berlin und das Netzwerk für Bleiberecht, Bridge. Arrivo vermittelt Schnupperpraktika in Firmen und bietet berufsbezogene Sprachkurse an. In einer Übungswerkstatt können Flüchtlinge ihre handwerklichen Fähigkeiten
verbessern.
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