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Gigantischer Markt

Betrieb & Markt
Gigantischer Markt

Der Bauten- und Korrosionsschutz bietet für zukunftsorientierte Betriebe jede Menge Chancen. Inzwischen gibt es einen Onlinekurs zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung mit diesem Schwerpunkt. Das Malerblatt sprach über den neuen Ausbildungsgang mit den Dozenten Hans Schühle und Jörg Holzwarth, die als Meister und Führungskräfte viele Jahre Erfahrung bei Betonsanierung, -instandsetzung und Stahlschutz sammeln konnten.

Der Bauten- und Korrosionsschutz bietet ein großes Potenzial an lukrativen Aufträgen. Warum kümmern sich bislang viel zu wenig Maler- und Stuckateurbetriebe um diesen Bereich?

Hans Schühle: Auf den ersten Blick ist das vielleicht wenig attraktiv, doch das täuscht gewaltig. Ich sage es mal salopp: auf die fürs Auge „schönen“ Arbeiten, da gehen alle drauf wie die Fliegen. Die meisten machen lieber Spachteltechniken oder kümmern sich um Seidentapeten. Seit vielen Jahren sehe ich jedoch, dass es dort ertragsmäßig nicht weitergeht. Allerdings geht es bei einem Beruf nicht nur immer ums Geld, sondern vielmehr um Herzblut und darum, eine qualifizierte Ausbildung zu machen. Für viele junge Menschen bietet der Bauten- und Korrosionsschutz eine wirkliche Alternative zu einer herkömmlichen Ausbildung zum Malermeister – es wäre eine fachliche Wiederbelebung. Früher gab es ja eine ähnliche Fortbildung schon, doch jetzt gibt es diese erstmals wieder.
Jörg Holzwarth: Nicht wenige lassen sich zwar davon abschrecken, dass dieser Bereich im Arbeitsalltag zuerst einmal hart und schmutzig ist. Aber dieser Bereich bietet die Möglichkeit, in neue Kundenkreise hineinzukommen und Fachwissen anzuwenden, über das noch nicht viele Führungskräfte in unserem Gewerk verfügen.
Sie heben beide auf die Ertragsmöglichkeiten im Bereich Bauten- und Korrosionsschutz ab. Gibt’s dazu von Ihnen ein plakatives Beispiel? Jörg Holzwarth: Nehmen wir doch mal die oft zitierte Raufasertapete, hellbeige gestrichen, als Standard-Malerleistung. Wer Glück hat, bekommt dafür sechs Euro pro Quadratmeter. Was bitte bleibt da beim Betrieb noch hängen?
Hans Schühle: Und ich nehme da das Beispiel einer anspruchsvollen Beton- sanierung. Dort sind wir gleich in einer Preisregion von 150 Euro pro Quadratmeter. Aber auch hier sage ich noch einmal: Man darf nicht nur immer Umsätze und Erträge sehen. Es ist einfach eine neue und hochkarätige Ausbildung. Die spezialisierten Meister können auf dem Markt mit Wissen punkten, das noch kaum einer im Malergewerk hat.
Wie sieht es aber mit dem Risiko für den Malerbetrieb bei solchen Arbeiten aus? Jörg Holzwarth: Die Chancen sind größer, die Risiken natürlich auch. Das ist immer so. Man muss es vielleicht so sehen: Wenn ein Maler ein Zimmer tapeziert und er nimmt die falsche Tapete, dann kostet ihn das, wenn er die Arbeit noch einmal macht, vielleicht 2.000 Euro. Wenn wir eine Brücke sanieren und nehmen einen falschen Mörtel, dann kann das nachher 100.000 Euro kosten. Das Geschäftsfeld ist zwar lukrativ, doch können eben auch Risiken durch Haftungsfragen entstehen.
Hans Schühle: Aber die Möglichkeit zur absolut interessanten Rendite ist gegeben – und zwar eine viel bessere als mit Standardmalerarbeiten. Wer qualifiziert ist in fachlichen Dingen, der kann sich auf den Kuchen stürzen. Der neue Meisterkurs schafft hier Sicherheit.
Das Thema Beton scheint Sie beide zu faszinieren und die Verdienstmöglichkeiten bei dessen Schutz und Sanierung sowieso. Warum schoben Sie dann eine neue Meisterausbildung an? Schaffen Sie sich damit nicht eigene Konkurrenz? Jörg Holzwarth: Das ist einfach ein gigantischer Markt, kaum vorstellbar für jemanden, der sich damit noch nicht auseinandersetzte. Bautenschutz wurde Jahrzehnte fahrlässig vernachlässigt. Viele Tragwerke sind so angegriffen, dass die Statik beschädigt wurde, dass ein Abriss und ein Neuaufbau die einzige Lösung ist. Viele Brücken und Tunnel sind aber noch zu retten, doch müssen die Arbeiten zügig vergeben und ausgeführt werden.
Hans Schühle: Ich zitiere hier Dr. Carl-Heiner Schmid, der in solchen Fällen sagt: Ein intelligenter Wettbewerb ist mir lieber als ein dummer. Und wieso? Der intelligente Konkurrent hat vernünftige Preise, zu denen man arbeiten und mit denen man gut leben kann. Der dumme Wettbewerber geht mit den Preisen immer weiter in den Keller, macht den anderen das Geschäft kaputt und überlebt das mit dem eigenen Betrieb mittelfristig selber gar nicht. Ein weiterer Grund ist auch, dass Heinrich Schmid selber in den nächsten Jahren für eine Online-Meisterklasse vielleicht eine Hand voll Schüler stellen kann. Und so wird die Meisterausbildung nur weiter gedeihen, wenn auch andere Unternehmer aus der Branche diesen Weg einschlagen und Nachwuchs-Führungskräfte zu Experten im Bauten- und Korrosionsschutz ausbilden lassen.
Die von Ihnen mitkonzipierte Online-Meisterausbildung ist anders gewichtet als diejenige der Gestalter. Wie kam es dann letztlich zu den Inhalten der Meisterausbildung im Bauten- und Korrosionsschutz und hier zum Online-Modell? Hans Schühle: Wir sagten, wir brauchen für den Bauten- und Korrosionsschutz andere Malermeister als diejenigen, die bislang auf den Meisterschulen ausgebildet werden, weil beispielsweise auch eine ganz andere DIN für uns zuständig ist. Und dann kam der Herr Pfeffer, Geschäftsbereichs- und Projektleiter in der Führungsakademie der Unternehmensgruppe Heinrich Schmid, dessen Frau schon erfolgreich eine Online-Meisterschule mit Sitz in Allensbach betreibt, und brachte die Idee einer Online-Meisterausbildung im Bereich des Bautenschutzes, damit die Meisterschüler nicht völlig von der Baustelle weg sind. Wichtig ist allerdings, dass nicht nur dieses „Online“ in den Köpfen hängenbleibt: Das Ausbildungskonzept ist ja eine Kombination aus drei Dingen, nämlich aus Präsenztagen, bei denen gemeinsam im Klassenzimmer gelernt wird, dann aus technischen Kursen mit viel Praxis in der Werkstatt und auf der Baustelle. Und dann eben der Online-Unterricht in Form eines Konferenz-Systems vor den Bildschirmen. Genau diese Mischung macht’s!
Wie lange dauerte es, die Sache auf den Weg zu bringen? Hans Schühle: Der gesamte Prozess dauerte ein starkes halbes Jahr. Die Gliederung erarbeiteten wir gemeinsam, Jörg Holzwarth kümmerte sich um den Stoff für Korrosionsschutz, bei mir war’s in erster Linie die Betonsanierung und die Bodenbeschichtung. Mit dem Lehrplan waren wir immer wieder beim Prüfungsausschuss, bis die optimale Variante stand.
Jörg Holzwarth: Wir mussten natürlich auch zuerst einen Partner suchen, bei dem wir die praktische Ausbildung und die praktische Prüfung machen können. Wir kooperieren bei der Online-Meisterschule mit dem Bauzentrum in Gerad-stetten, rund 20 Kilometer von Stuttgart entfernt.
Was ist jetzt der nächste Schritt für Sie? Jörg Holzwarth: Wir wollen den Meisterbrief schnell in der Breite bekanntmachen und kommunizieren, dass dieser Meisterbrief wie alle andern auch von der Handwerkskammer ausgestellt wird. Er ist eben absolut auf Bauten- und Korrosionsschutz ausgerichtet.
Hans Schühle: Ganz wichtig ist für uns noch, dass wir einen weiteren wichtigen Nutzen vermitteln und klar eines angeben: Während des Meisterkurses wird die SIVV-Schein-Prüfung abgelegt. SIVV steht für Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen. Das ist ein Schein, den viele machen wollen, doch Angst davor haben, weil die meisten einfach mit der Materie Beton, Zement, Bewehrungsstahl noch nichts anfangen können.
Wie sieht das bei der massiven Zunahme der Subunternehmer aus mit diesem SIVV-Schein? Hans Schühle: Ja, da muss man wegen der Haftung aufpassen. Unternehmen aus Rumänien werden den Schein nicht haben, weil es diesen dort nicht gibt. Wer die Arbeiten ausführt, muss auf der Baustelle Fachpersonal einstellen. Genau das ist aber für die qualifizierten Betriebe mit einem auf Bauten- und Korrosionsschutz spezialisierten Meister eine weitere Chance.
Wir redeten über Brücken und Großprojekte. Lohnt sich ein Meister mit einer solchen Spezialisierung auch für kleinere Betriebe? Hans Schühle: Ich bin überzeugt, dass es sich auch für ein klassisches Malergeschäft lohnt. Vielleicht habe ich dann im Betrieb schon einen „Gestaltungsmeister“ und baue mir ein zweites Standbein auf mit beispielsweise zwei Gesellen und einem Vorarbeiter. Wenn dann Gebäude modernisiert werden, die Schäden an den Balkonen haben, dann kann auch das fachmännisch in Angriff genommen werden, ohne das externe Spezialisten eingeschaltet werden müssen.
Jörg Holzwarth: Genau, wenn ein Betrieb Komplettleistungen anbieten kann, dann ist er für den Kunden oder für den Planer ein ganz anderer Ansprechpartner. Du kriegst einen Auftrag in dem Moment, wenn du fachspezifisch ein hohes Wissen nachweisen kannst. Und wenn du dem Kunden über seine Balkone erzählen kannst, warum die jetzt marode sind, weil nämlich die Karbonisation fortgeschritten ist und dadurch die Bewehrungseisen angegriffen werden, dann wird er doch sagen: genau das ist mein Maler.
Staat, Länder und Kommunen haben laut aktuellen Berichten einen unglaublichen Sanierungsstau. Allein marode Brücken sollen kurzfristig für über eine Milliarde Euro saniert werden. Bereits dieses Bruttovolumen müsste doch dem einen oder anderen Betrieb Appetit auf die neue Meisterausbildung machen, oder? Hans Schühle: Selbstverständlich. Wer die Zahlen kennt, auch die aus dem privaten Sektor, der weiß, dass er mit dem entsprechenden Know-how seine Rendite deutlich erhöhen kann und dann auch nicht immer gegen Dutzende andere Betriebe antreten muss, die nichts anderes beherrschen, als immer noch billiger anzubieten.
Jörg Holzwarth: Um sich die Chancen noch deutlicher vor Augen zu führen, sollte man realisieren, dass es im Endeffekt gerade auch im privaten Bereich jede Menge zu tun gibt, sprich, beim Kunden des Malers, den er von anderen Aufträgen schon kennt. Es geht um Balkone, und wenn man sich ein Haus anschaut, was da alles aus Beton besteht, dann finden sich Gartenmauern, Garageneinfahrten, betonierte Keller, in die das Wasser reindrückt, Kellerdecken und, und, und … Beton ist ja allgegenwärtig.
Es drängt sich hier die Frage auf, wieso Maler und Stuckateure sich bislang noch nicht intensiv um diese Aufgaben kümmerten. Jörg Holzwarth: Das Hauptproblem beim Bautenschutz ist eben, dass man den Beruf bislang nicht erlernen konnte. Das Thema ist normalerweise beim Stahlbetonbauer, vielleicht noch ein bisschen beim Maurer angesiedelt – aber klassisch gibt’s diesen Lehrberuf nicht. Wenn wir jetzt aber auf einen Meisterbrief mit Schwerpunkt Bauten- und Korrosionsschutz aufbauen können, dann bietet das ganz neue Perspektiven.
Hans Schühle: Wer sich diese Chancen anschaut, wer offen ist, einen freien Kopf hat und nicht zu den Schmalspurdenkern gehört, der sieht ganz schnell, welche Ertragskraft dieses Fachgebiet zu bieten hat. Vielleicht werden in diesem Bereich in den nächsten Jahren auch wieder Lehrlinge ausgebildet – das wäre ein weiterer Schritt nach vorne bei uns im Malerhandwerk. Die spezialisierten Meister würden sich bestens als Ausbilder eignen. Sie sind einfach kompetent und zukunftsorientiert.
Herr Holzwarth, Herr Schühle, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ulrich Schweizer.

PRAXISPLUS

Meisterkurs Bauten- und Korrosionsschutz
Im November 2014 beginnt der nächste Vorbereitungskurs für die Meisterprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk mit Schwerpunkt Bauten- und Korrosionsschutz. Der theoretische Unterricht erfolgt in abendlichen Live-Online-Sitzungen. Die praktische Ausbildung findet in Schulungsstätten im Raum Stuttgart statt. Der berufsbegleitende Kurs dauert rund neun Monate und bereitet auf die Meisterprüfungsteile I und II vor. Die Schüler des der- zeitigen Kurses legen im Juli 2014 ihre Prüfung vor der Handwerkskammer Stuttgart ab. Mehr Infos unter
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