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Lametta statt Lamento

Betrieb & Markt
Lametta statt Lamento

Werner Schledt

Angst vor Armut. Dieses Lamento hört man jetzt dauernd. Dazu lässt endlich eine namhafte Universität in einer Studie nicht nur Zahlen, sondern Menschen sprechen. Und die sagen, dass sie längst nicht so viel Abstiegsangst haben, wie man uns dauernd suggeriert: Während vor rund zehn Jahren noch mehr als 60 Prozent der Erwerbstätigen sozialen Abstieg befürchteten, sind es jetzt nur noch gut 30 Prozent, also die Hälfte. Rund 70 Prozent, darunter bestimmt auch viele unserer ordentlich bezahlten Maler mit sicheren Arbeitsplätzen, gaben zuletzt bei einer weiteren sozialwissenschaftlichen Befragung an, sie seien „gerecht“ am Wohlstand beteiligt. Mut statt Unmut – ein guter Wunsch fürs neue Jahr.

Auch die Zahlen zählen

Lassen wir uns nichts erzählen. Auch die Zahlen zählen. Denen zufolge werden die durchschnittlichen Alterseinkommen der heute 20- bis 65-Jährigen bei fast 83 Prozent ihres letzten Bruttoeinkommens liegen. Die Altersversorgung steht längst auf drei Beinen: Der gesetzlichen Rente, der Förderung, z. B. durch Riesterverträge, und der sogenannten Betriebspensionen, über die inzwischen mehr als 16 Prozent verfügen und die mit durchschnittlich zu erwartenden 575 Euro von den geförderten Varianten das meiste abwerfen. (Dagegen nimmt sich die Zusatzversorgung durch unsere ZVK eher bescheiden aus.) Auch Riester, mittlerweile von rund 16 Millionen Menschen abgeschlossen, bringt, je nach Altersklasse, zwischen rund 300 und 400 Euro, für die Jüngeren sogar fast 400 Euro. Durch die drei Bausteine wird der Rückgang der gesetzlichen Rente ausgeglichen. Also kein Grund zur Angst vor Altersarmut. Bleibt zu wünschen, dass es so bleibt.

Mehr Dampf statt Dämpfer

Auch ein Wunsch für das kommende Jahr: mehr Dampf statt Dämpfer für die Dämmung. Handwerk, Industrie und auch der Gewerkschaftsbund machen bei der energetischen Modernisierung Dampf. Sie schlagen eine auf zehn Jahre angelegte Förderung vor, innerhalb derer Eigentümer die Aufwendungen von der Steuerschuld abziehen, also nicht nur bei der Ermittlung des zu versteuernden Betrages absetzen können. Auch für die Förderung von eigengenutzten Immobilien gibt es gute Gründe: Rund 75 Prozent unseres Wohnungsbestandes schlucken mit 90 Prozent der Heizenergie mehr als doppelt so viel, wie bei Neubauten zulässig ist. Weil wir rund die Hälfte unserer Energie für das Heizen und Kühlen von Gebäuden verbrauchen, will auch die alte Bundesregierung, dass jährlich zwei Prozent des Gebäudebestandes gedämmt werden, also doppelt so viele wie bisher. Es gibt also für die Förderung der energetischen Modernisierung starke Argumente. Auch gegen die Verunsicherung potenzieller Auftraggeber nach dem verheerenden Brand in London muss man fundiert argumentieren: Polystyrol war ja, wie sich inzwischen herausgestellt hat, nicht der Brandbeschleuniger, weil an dem Hochhaus gar nicht verbaut. Im Verkaufsgespräch sollte man auch mit Zahlen belegen können, dass die Angst vor WDVS unbegründet ist: Bei uns brennt es, zu 95 Prozent durch menschliches Versagen in Zimmern, etwa 180.000 Mal im Jahr. Dabei haben ganze sieben Mal, das entspricht 0,04 Prozent, mit Polystyrol gedämmte Fassaden mitgebrannt. Gute Argumente also gegenüber unseren Auftraggebern. Gute Argumente führen zu guten Aufträgen. Und die wünschen wir uns. Die Wärmedämmung ist seit eh und je unser Metier. Schließlich wurde sie von einem Maler erfunden.

Schöne Bescherung

Weil der Versandhandel blüht und expandiert, gibt es neben der DHL inzwischen schon mehr davon. Mich als Parterrebewohner und „Daheimbleiber“ beschäftigen inzwischen schon vier, nahezu täglich – und natürlich unentgeltlich. Die brauchen bzw. missbrauchen mich. Egal, ob ich im Garten bin, beim Essen oder beim Mittagsschlaf, die klingeln. Sie wissen genau, dass man aufmacht. Könnte ja sonst wer an der Tür sein. Während sich Arbeitsrechtler und -psychologen noch streiten, ob man bei Mitarbeitern nach Feierabend noch anläuten darf, verlangt man hier weit über den Feierabend hinaus Präsenz und Einsatz. Abends kommen dann die Nachbarn, um ihre Pakete abzuholen, vorausgesetzt, der Zusteller hat sich die Zeit genommen, ihnen eine Nachricht in den Briefkasten zu werfen. Andernfalls muss ich raus oder runter und zustellen. Offensichtlich wird das Geschäftsmodell kontinuierlich rationalisiert. Während Handwerker um Parkerlaubnis nachsuchen müssen – kostenpflichtig versteht sich – entladen die Zustelldienste ungestraft auch im absoluten Halteverbot, wo andere nicht einmal anhalten dürfen, um nach dem Weg zu fragen.

Rentner, die sich rentieren

Inzwischen gibt es einen weiteren Rationalisierungsschritt: Bei Adressaten im dritten oder vierten Stock wird erst gar nicht geklingelt – er könnte ja zuhause sein. Dann müsste man warten, bis er runterkommt oder gar selbst die Treppe hoch. Also die Arbeit besser gleich an den Parterrepartner delegieren. Kundendienst wäre, dann zuzustellen, wenn die Besteller zuhause sind, also abends. Aber das wäre teurer. Am raffiniertesten ist die „Rekrutierung der Rentner“. Die können sich, der guten Nachbarschaft wegen, gar nicht verweigern. Und dass die Poststellen, denen für die Aufbewahrung nicht direkt zustellbarer Sendungen vertraglich ein Entgelt zusteht, in die Röhre gucken, ist wohl auch einkalkuliert. Eine tolle Geschäftsidee: bezahltes Personal minimal – Tausende unentgeltlich beschäftigte Aushilfskräfte und fantastische Wachstumsprognosen. Jetzt schon über drei Milliarden Pakete im Jahr, immer mehr Einkäufe via Internet, immer mehr Pakete – und immer mehr Rentner, die sich rentieren. Verpackungsrücknahme? Fehlanzeige. Gott sei Dank. Sonst würden die Hilfskräfte beim Abholen auch noch rausgeklingelt. Deshalb beteiligen sie sich lieber an den Kosten für zusätzliche Mülltonnen. Das Ganze ist ungefähr so, als würden wir die Nachbarn unserer Kunden jeweils bitten, mal schnell Werkzeug und Material abzuladen und hinterher auch noch den Schutt zu beseitigen – während unsere Leute Frühstück machen.

Auf dem Bierdeckel

Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber in dem Brief des Finanzamtes steht tatsächlich, dass künftig keine Belege mehr eingereicht werden müssen. Wie beim U-Bahnfahren vertraut man darauf, dass jeder einen gültigen Fahrschein hat und kontrolliert nur noch gelegentlich. Notorische Schwarzfahrer haben längst ausgerechnet, dass man „ohne“ billiger fährt und besser Bußgeld zahlt – weiß das Finanzamt das nicht? Oder ist es tatsächlich der erste Schritt zur Steuererklärung auf dem Bierdeckel. Wünschenswert wär’s ja.

Immer auf die Handwerker

„Das Weiße da oben auf dem Gerüst? Es bewegt sich doch -also sind’s Tauben, nicht die Maler.“ Uralter Witz, aber stand in der Zeitung. Kolumnen richten sich unverhältnismäßig oft gegen Handwerker. Heute lese ich im selben Blatt unter der Überschrift Spieltrieb: Wenn man die vielen Autos von Elektrikern, Anstreichern und Installateuren am helllichten Tag auf den Parkplätzen der Spielhallen sieht, bekommt man ein ganz neues Gefühl dafür, warum Handwerker so selten ihre Termine einhalten.“ Dass uns solche Ergüsse im neuen Jahr erspart bleiben, ist wohl ein frommer Wunsch. Ob ich mir auch was wünsche? Natürlich: Endlich das App-Spiel, dass Kids vieltausendfach für unser Handwerk begeistert. Bin gespannt.


praxisplus

Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und
Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk.

Werner Schledt

Gangstraße 35 c

60388 Frankfurt/Main

Tel.: (06109) 34208

werner@schledt.de

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