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Position beziehen!

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Position beziehen!

Jochen Stotmeister, der Vorstandsvorsitzende der Sto SE & Co. KGaA, schrieb nach unseriösen Angriffen einzelner Medien auf Wärmedämm-Verbundsysteme auf Polystyrolbasis einen offenen Brief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung, der viel Aufmerksamkeit in der Branche bekam. Das Malerblatt befragte ihn dazu und zum WDVS-Markt insgesamt.

Herr Stotmeister, in den letzten Monaten wurden immer wieder die Wärmedämm-Verbundsysteme auf Polystyrol-Basis sogar von öffentlich-rechtlichen Sendern journalistisch fragwürdig unter Beschuss genommen. Jochen Stotmeister: Ja, anscheinend ist der Boulevard-Journalismus jetzt auch bei diesen Anstalten notwendig, um sich zu differenzieren und um mehr Einschaltquote zu bekommen.

Vielleicht geht es auch nicht nur um Einschaltquoten, sondern um eine lancierte Kampagne von interessierter Seite, die dem Image von Polystyrol-basierten WDVS schaden will. Schauen wir uns kurz den deutschen Markt an. Wie groß ist der denn?
In den letzten Jahren wurden in Deutschland insgesamt um die 40 Millionen Quadratmeter Wärmedämm-Verbundsysteme jährlich ausgeführt, davon rund 75 Prozent auf Basis des Dämmstoffs EPS, Expandiertes Polystyrol, das beim Endverbraucher unter der Markenbezeichnung Styropor bekannt ist.
Welchen Marktanteil hat dabei in etwa das expandierte Polystyrol? Ich würde sagen, das Verhältnis ist etwa 80 zu 20, also 80 Prozent EPS zu 20 Prozent sonstigen Dämmstoffen.
Was denken Sie, warum es zur Negativberichterstattung kam? Wer oder was gab da die Initialzündung?
2010 kam ein Buch heraus von zwei Architekten, die sich mit Baukultur beschäftigt hatten. Daraus sind vermutlich von den Medien etliche Stichworte und Themen übernommen worden. Was sich inzwischen abzeichnet ist, dass das Umfeld für die Gegner der Wärme-dämm-Verbundsysteme größer geworden ist.
Diese beiden Autoren hatten ja einen rein ästhetischen Ansatz, denen gefiel die Optik der gedämmten Häuser nicht. Ich glaube schon, dass Architekten, wenn sie bewusst durch die Welt ziehen und dann auch die vielen Quadratmeter betrachten, dass sich der eine oder andere die Frage stellt, was mit historischer Bausubstanz passiert und ob der Dämmansatz insgesamt der richtige ist.
Sehen Sie Alternativen zu unserem derzeitigen Dämmverhalten? Man mag vielleicht im einen oder anderen Fall Innendämmungen anbringen, da gibt es ja genügend Angebote. Die kostenoptimierte Variante ist jedoch, die Dämmung auf die Außenhülle zu bringen.
Es gibt allerdings auch wirklich schreckliche Beispiele, weil einfach die Dämmung nicht gut ausgeführt wurde. Die Qualität der Systeme selber ist bekanntermaßen gut – die sind ja lange schon auf dem Markt und oft genug verarbeitet worden. Die Industrie liefert aber nur die Halbfabrikate. Erst der Umgang der Planer und Fachhandwerker mit den Materialien verwandelt diese in eine Fassadendämmung. Und die allermeisten dieser Umsetzungen können sich wahrlich sehen lassen. Doch wir sind es unserer Baukultur schuldig, auch künftig alles dafür zu tun, dass bauphysikalische Verbesserung und Ästhetik Hand in Hand gehen. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass die Baubeteiligten auch noch Geld damit verdienen können. Denn wenn das nicht mehr gewährleistet ist, drohen Desinteresse und Pfusch.
Sie haben gesagt, trotzdem muss noch Geld verdient werden können. Das ist für mich der Knackpunkt, weil der Handwerker im Zweifelsfall einfach nochmal ein bisschen vom Preis runtergeht, um unbedingt einen Auftrag zu ergattern. Wieso kam es zu dieser Entwicklung? Es gab ja in der Verkaufspolitik insgesamt alle möglichen Entwicklungen bis hin zu der „Geiz-ist-geil-Mentalität“, sicherlich teilweise bedingt durch die generelle Marktsituation. Das führte nicht unbedingt dazu, dass Vertrauen bestand und der Kunde viel Geld investieren wollte. Gottseidank ist die politische, ist auch die gesellschaftliche Bewusstseinsebene so, dass jeder weiß, ja, wir bräuchten eigentlich eine konsequente weitere Energieeinsparung, um unsere Energiewende hinzubekommen.
Ich komme noch einmal auf den Preis zurück und damit auf den Ertrag. Denken Sie nicht, dass Maler und Stuckateure, die gute Qualität liefern, sich teilweise einfach nicht gut verkaufen? Ich glaube, die Betriebe, die keine Auslastungsprobleme kennen, die haben es verstanden, tatsächlich auf die gesamte Klaviatur ihrer Stärken zurückzugreifen. Und die verkaufen ihre Leistungen auch gut. Aber mit Blick auf die Wärmedämm-Verbundsysteme will das Handwerk vielleicht nicht aktiv Partei ergreifen für einen Lösungsansatz, der aufgrund der Berichterstattung und der öffentlichen Meinung etwas ins Gerede gekommen ist. Und viele Handwerker möchten sich der Konfrontation auch nicht stellen. Also, sagen wir’s so, unternehmerisch aufzutreten und auch mal Position beziehen, das fällt vielleicht dem einen oder anderen schwer. Das gilt verstärkt noch bei Produkten oder Techniken, die in den Medien eine Zeit lang unter Beschuss stehen. Die Verarbeiter hoffen dann, dass es die Verbände in die Hand nehmen.
Da will ich gleich nachhaken. Zwar ist das nun kein Verband, doch die Initiative „Dämmen lohnt sich“, die Sie mit drei anderen Herstellern angeschoben haben, um den möglichen Image-Schaden zu kompensieren, der durch die Negativ-Berichterstattung im WDR und auch in der FAZ entstanden sein könnte. Sahen Sie da eine Krise auf die Branche zukommen, weil Sie hier aktiv agierten? Wir hatten ja die Situation, dass es bereits im letzten Jahr einen Rückgang von acht bis zehn Prozent gab. Sie wissen ja selbst, dass wir letztes Jahr eine relativ lange Sauregurkenzeit hatten. Die Profipartner, beispielsweise die Wohnungswirtschaft, die legen ein eher gelassenes Verhalten an den Tag, wenn es mal zu einer kritischen Berichterstattung aus ihrem Arbeitsfeld kommt. Aber dort, wo halt die Verunsicherung am größten ist, also beim privaten Bauherrn, da gibt es dann negative Auswirkungen. Der Bauherr macht sich ja heutzutage auch übers Internet schlau und investiert da unglaublich viel Zeit – da ist es manchmal ein bisschen schwierig fürs Handwerk, die richtigen Argumente zur richtigen Zeit parat zu haben.
Nach der nicht ganz seriösen Berichterstattung im Fernsehen erschien ja dann auch noch ein ebenfalls fragwürdiger Artikel in der Frankfurter Allgemeinen, der Sie zu einem offenen Brief veranlasste, in dem Sie zum Thema Wärmedämmung einige Dinge zurechtrücken. Ja, als die FAZ nach der Fernsehberichterstattung im Artikel eine Art Zusammenfassung brachte und wieder angefangen hat, da nervte mich das massiv. Und da dachte ich, jetzt müssen wir uns irgendwie zumindest mal entsprechend öffentlich äußern.
Ihren Brief stellten wir ja auch in den Malerblatt Online-Newsletter. Noch nie bekamen wir bei einer Newslettermeldung so viele Klicks wie auf Ihren offenen Brief. Sie scheinen doch sehr vielen aus der Seele gesprochen zu haben. Hoffentlich! Es gibt so viele, die ihr Haus gedämmt haben, die positive Erfahrungen machten. Es gibt eine Menge Menschen, die von dieser Energiewende sprechen, die davon begeistert sind. Und denen ist es bestimmt auch klar, dass, bevor wir die Energiewende schaffen, wir erst mal versuchen müssen, den Verbrauch zu reduzieren. Und da ist es nun einmal so, dass das Haus halt immer noch einen großen Anteil am Energieverbrauch hat und hier am effektivsten Energie gespart werden kann.
Wenn Sie jetzt mit dem zeitlichen Abstand zurück schauen und diese negativen Berichte Revue passieren lassen, gibt es dann Punkte, bei denen Sie sagen, wir sollten zumindest von der Kommunikation her manches anders machen? Ja, wir hatten sicherlich in Zusammenarbeit mit den Feuerwehren keine ausreichende Basis geschaffen und uns nicht entsprechend abgestimmt über das Thema Brandschutz an der Fassade. Eine enge Zusammenarbeit mit der Feuerwehr ist da schon sinnvoll. Wir haben ja auch selber eine Werksfeuerwehr, doch es kam trotzdem niemand in den ganzen Jahren auf die Idee, allgemein Kontakt aufzunehmen und mit den Wehren zusammenzusitzen und so etwas einmal zu thematisieren. Da haben wir in gewisser Weise eine Institution ausgelassen, bei der wir vielleicht viel früher etwas aufklärender hätten wirken können, insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion, die es gibt bei Polystyrol versus Mineralwolle.
Herr Stotmeister, es gibt nach dem ganzen Medienstress um die Polystyrol-Wärmedämmung noch andere Themen in unserer Branche, die mindestens gleich interessant sind. Ich hätte gerne noch ein paar Sätze zu den Sto-Auslandsaktivitäten. Ihr Unternehmen agiert sehr erfolgreich zum Beispiel in Frankreich. Viele Jahre setzte man bei unserem westlichen Nachbarn nahezu nur auf Innendämmung, obwohl man da auf vermietbare oder verkaufbare Wohnfläche verzichtete. Kann das mit der „Philosophie“ der Franzosen zusammenhängen, dass über Elektroheizungen möglichst schnell die Luft in den Wohnräumen erwärmt werden soll?
Das ist natürlich Spekulation. Ich kann das nicht beurteilen, doch es hängt damit zusammen, dass im Innenbereich viel Gipskarton mit kaschiertem Styropor verwendet wurde. Das war nun mal gang und gäbe. Ich glaube, erst durch das Bewusstsein, dass die Dämmstärken durch Vorgaben von Brüssel zunehmen und damit noch mehr Fläche innen wegfällt, hat ein Umdenken eingesetzt. Wir hatten damals bei der Zunahme der Dämmstärken gesagt, dass das in Frankreich Folgen haben wird. Und wir sehen, dass die außen gedämmten Flächen massiv stiegen und noch steigen.
Dann gewinnt die Außendämmung in Frankreich auch immer mehr an Fahrt, so wie wir das in Deutschland erlebten? Also, wenn man jetzt natürlich den Pro-Kopf-Verbrauch von Wärmedämm-Verbundsystemen im Vergleich zu Deutschland hat oder im Vergleich zu Österreich, dann gibt es dort noch ein Riesenpotenzial. Ob es aber so weit kommen wird, sei mal dahingestellt. Es kann, doch es muss nicht so sein.
Gibt es in Frankreich staatliche Förderungen für Dämmmaßnahmen?
Die Förderungen sind unter Präsident Hollande zurückgegangen, da gab’s schon eine Auswirkung auf den Markt.
Wenn Sie einen Ausblick wagen, in welche Richtung werden die Aktivitäten bei Sto gehen? Wir werden uns als Unternehmen so verhalten, dass wir die Veränderung der Einstellung pro Dämmung weiter betreiben. Ich sehe natürlich auch, dass das ein Prozess ist, der einige Jahre dauern wird. Insofern muss man bewusst mit allen Argumenten umgehen und immer versuchen, Lösungen zu finden.
Herr Stotmeister, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ulrich Schweizer.

PRAXISPLUS

Sto SE & Co. KGaA
Ehrenbachstr. 1 79780 Stühlingen
Tel.: (07744) 57-1010 Fax: (07744) 57-2010
Eine Rückkehr zu sachlicher Information in der öffentlichen Debatte um Wärmedämmung fordert Jochen Stotmeister, Vorstandsvorsitzender von Sto, in einem offenen Brief an die Medien.
Der Brief ist auf der Website sto.de zu finden oder direkt über den Kurzlink
http://bit.ly/sto-brief
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