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Architektur in Farbe

Farbe & Inspiration
Architektur in Farbe

Der Mut zur farbigen Gestaltung lässt erkennen, dass Farbe nicht nur architektonische Konzepte unterstützt, sondern echte Lebensräume schaffen kann – lebendig, individuell und differenziert.

Susanne Mandl

Seit einigen Jahren ist Farbe wieder zu einem wesentlichen Faktor der Gestaltung und integralen Bestandteil der Vermittlung von Architektur geworden. Farbe kann architektonische Elemente differenzieren, hervorheben oder zusammenfassen, die Klarheit und Lesbarkeit eines Bauwerks oder Stadtraumes unterstützen und zur Maßstäblichkeit der Strukturen beitragen. Durch eine starke Farbgebung verschafft man Bauwerken Aufmerksamkeit, mittels farbiger Konzepte ihre Einbindung in die Umgebung.
Ein gelungenes Beispiel für monochrome Gestaltung ist die Fassade eines Einfamilienhauses in der Schweiz. Wie ein wertvoller Stein liegt das goldfarben beschichtete Gebäude in der Landschaft und fügt sich erstaunlich selbstverständlich in die Architektur und Farbigkeit der Umgebung ein. Die farbige Gestaltung des kompakten Solitärs war ein besonderes Anliegen des Architekten, eine metallisch-glänzende Lasur sollte die monolithische Körperhaftigkeit des Gebäudes verstärken. Zusammen mit der Firma Keimfarben wurde der Fassadenaufbau mit einem deckenden mineralischen Grundanstrich in rötlichem Beige und zwei Lagen Gold als Silicat-Lasuranstrich entwickelt. Die goldene Fassade verändert je nach Tageszeit und Lichteinfall ihre Farbigkeit und den Gebäudecharakter. Selbst bei trübem Wetter sorgt die Goldlasur durch ihren Glanz für interessante, lebendige und leuchtende Oberflächenwirkungen.
Farbspiel
Maßgeblich für die Farbwirkung sind nicht nur der jeweilige Farbton, sondern seine Nuance, sein Flächenanteil, seine räumliche Zuordnung sowie das Zusammenspiel von Architektur, Material, Licht und städtebaulicher bzw. landschaftlicher Umgebung. Differenzierte Farbwahrnehmung ist immer vom Licht abhängig. Lichtfarbe, Farbintensität und Lichteinfallwinkel verändern das Erscheinungsbild einer Farbe. Auch die Form und Beschaffenheit der Trägeroberfläche ist entscheidend.
Farbe im Kontext
Farbe an sich gibt es nicht; sie existiert nur im Kontext. Ein gelungenes Farbkonzept muss daher berücksichtigen, dass Farben sich wechselseitig beeinflussen – und wie sie das tun. Nur eine sorgfältige Analyse des Kontexts unter Berücksichtigung der komplexen Wechselwirkung aller Faktoren – Farbigkeit des gebauten Umfelds, der umgebenden Landschaft und Ausrichtung des Gebäudes – ermöglicht eine farbige Gestaltung mit überzeugender Wirkung. Eine neue Farbgestaltung kann nicht losgelöst von den vorhandenen Farbtönen eines Baukörpers entwickelt werden.
Die Fassaden-Neugestaltung des Hotels „Wikinger“ auf der Insel Usedom zeigt, wie Farbe ein Gebäude neu definieren und durch einen individuellen Ausdruck seinen Mehrwert erhöhen kann. Zu DDR-Zeiten als Ferienheim errichtet, wurde der Bau 1993 nach Entkernung und Neuaufbau als Hotel wiedereröffnet. 2011 entschloss man sich zu umfangreichen Umbauarbeiten und beauftragte das Keim-Farbstudio mit der Entwicklung eines Konzepts zur Neugestaltung der Fassade. Das Team ließ sich bei seinem Entwurf von der Landschaft inspirieren und schwelgte in kühlen Blau- und warmen Sandtönen in bewegten, wellenförmigen Farbflächen, die sich über die ganze Fassade ziehen und dem Gebäude eine ganz neue, unverwechselbare Ausstrahlung geben.
Die Kombination von Flächen und Linien in luftig-frischen Farbtönen bindet das Hotel in die umgebende Landschaft ein und reduziert zugleich optisch die Größe des Baukörpers. Das Blau der Fassade geht über in das Blau des Himmels, während ein sanftes Ocker den unteren Fassadenbereich in den Vordergrund rückt und das Gebäude erdet. Ausgeführt wurde der Entwurf mit Keim Soldalit, einer hochwertigen und äußerst langlebigen Fassadenfarbe auf Silicatbasis.
Farbwirkung
Weil unser räumliches und emotionales Empfinden ganz erheblich durch Farbe beeinflusst wird, ist das Wissen um die Wirkung der Farben Grundlage eines professionellen Farbentwurfs. Die Assoziation, die eine Farbe auslöst, hängt immer auch von ihrem Kontext
und von den individuellen Erfahrungen und Vorlieben des Betrachters ab. Darüber hinaus gibt es Gesichtspunkte, die zur Orientierung dienen können: So werden zum Beispiel Rot, Orange und Gelb als warm, aktiv und anregend wahrgenommen. Ein warmer Farbton tritt räumlich nach vorne und mit ihm das Bauelement, das ihn trägt, während kühle Farben wie Blau, Türkis und Blauviolett introvertiert und konzentriert erscheinen, eher zurückweichen und Bauteile leichter und weiter erscheinen lassen. Auch die Intensität von Farben wirkt sich auf unsere räumliche Wahrnehmung aus – ein leuchtender Farbton tritt gegenüber einer gleich hellen, aber weniger gesättigten Farbe in den Vordergrund. Eine harmonische Farbgestaltung sollte das Verhältnis von kalten zu warmen, leuchtenden zu stumpfen und aktiven zu passiven Farbflächen aufeinander abstimmen.
Beispielhaft für eine polychrom-harmonische Gestaltung ist das Farbkonzept für 22 Gebäude der Theodor-Suhnel Siedlung in Mülheim an der Ruhr, einem stadtnahen Wohnviertel, das in den 1920er-Jahren vom Architekten Theodor Suhnel erbaut wurde. Die Gebäude sind formal differenziert, zeigen aber dennoch alle die Handschrift des Architekten und bilden durch sich wiederholende Stilmittel und Fensterformate ein Ensemble. Die Mülheimer Farbgestalterin Annette Kamieth-Flöer von FarbOffice schlug dem Bauherrn bei der Modernisierung und Sanierung der Fassade eine farblich fein abgestufte Gestaltung mit Keim Soldalit vor, um die facettenreiche Architektur zu unterstreichen. Obwohl sie mit allen Farben des Farbkreises arbeitet, wirkt die Farbkomposition aufgrund des geringen Sättigungsgrades und der leichten Vergrauung aller Farbtöne nicht bunt, sondern nuanciert und harmonisch.
Farbe und Material
Die Fassade als größte Fläche prägt das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes wesentlich und schützt die Bausubstanz vor Witterungseinflüssen. Eine gute Fassadenfarbe sollte nicht nur schön, sondern auch wirtschaftlich, bauphysikalisch sinnvoll und langlebig sein. Mineralische Fassadenfarben vereinen alle Pluspunkte. Einer ihrer wesentlichen Vorteile ist die sogenannte „Verkieselung“. Silicatfarben bilden keinen Film auf der Oberfläche, der sich mit jeder Neubeschichtung verstärkt und allmählich zu einer Dampfsperre verdickt, sondern verbinden sich durch eine chemische Reaktion unlösbar mit dem Untergrund – höchstbeständig und säurestabil.
Tuchmatte Silicatoberflächen schaffen dabei eine elegante und angenehme optische Wirkung und sind überdies „patinafähig“, d.h. sie altern mit Würde und werden auch nach Jahrzehnten nicht unansehnlich.

praxisplus
Wohnhaus Schweiz Architektur Adrian Christen www.ch-arch.com
Hotel Wikinger, Usedom www.hotel-wikinger.de
Farbgestaltung: Keim Farbstudio, Dipl.-Designer Petra Götz, Christine Seibold, Paul Wallner
Ausführender Betrieb: Malerbetrieb Zillmann, Lühmansdorf www.maler-zillmann.de
Mülheimer Wohnungsbau eG www.mwbeg.de
Farbgestaltung: FarbOffice Annette Kamieth-Flöer, Mülheim www.farboffice.de
Produkte: Keimfarben www.keimfarben.de
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