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Dekorationsmaler

Farbe & Inspiration
Dekorationsmaler

Beim Salon 2014 für Dekorationsmaler in Seattle stand der Austausch im Vordergrund.

Friederike Schulz

Vom 1. bis 4. Mai 2014 kamen sie wieder alle zusammen: eine Gruppe der weltweit besten Dekorationsmaler. In diesem Jahr fand der 1995 ins Leben gerufene Salon in einem geschichtsträchtigen Ort im amerikanischen Seattle statt. Die Union Station, ein altes Bahngebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert, stand über 30 Jahre leer und wurde kurz vor dem kompletten Zerfall gerettet und saniert. Ein guter Ort also, um traditionelles Handwerk zu präsentieren, denn die Geschichte des Gebäudes spiegelt in gewisser Weise auch das Schicksal der alten Handwerkskunst wider.
Der Salon wurde vor 19 Jahren ins Leben gerufen, um den Beruf des Dekorationsmalers zu stärken. Es geht vorrangig um den Austausch von alten und neuen Techniken aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt. Dazu fanden sich in Seattle über 60 Teilnehmer zusammen, die zum größten Teil aus den USA und Europa kamen, aber auch Asien war vertreten. Holz- und Marmorimitationen, Grisailletechniken, Lasuren, Ornamentik und auch Panoramamalerei in vielen Facetten waren zu bestaunen.
Der Salon ist ein reines Non-profit-Projekt das von seinen Mitgliedern organisiert wird und jedes Jahr in einem anderen Land stattfindet. Dieses Mal war Cathy Conner die Gastgeberin. Die Amerikanerin hat ihr Handwerk in Paris erlernt und sich vor 15 Jahren in Seattle damit selbständig gemacht. Neben der Malerei beherrscht sie unzählige Marmorino- und Spachteltechniken. Das Besondere an dem Ausstellungskonzept ist das gemeinschaftliche Auftreten und der offene Umgang mit dem Austausch von Wissen. Durch unzählige Live-Demonstrationen kann man den Könnern des Handwerks bei der Entstehung verschiedenster Musterflächen über die Schulter schauen und persönlich mit den Malern in Kontakt treten.
Regionale Einflüsse
Beim genaueren Betrachten und Vergleichen erkennt man anhand der Techniken die regionalen und überregionalen Einflüsse. Susan Arnild aus Dänemark verbindet in ihrer Arbeit skandinavische Tradition mit französischer Maltechnik. Ihre Imitation von Delfter Kacheln ist eine Mischung aus Acryl- und Ölmalerei. Die Muster werden mit Acrylfarbe deckend auf einen weißen Untergrund mit feinem Pinsel gemalt. Die Tiefe und die Feinheiten entstehen erst durch den Auftrag einer bräunlichen Öllasur und die darin eingezogenen Linien und Unebenheiten. Ähnlich gearbeitet hat sie auch bei ihrem Ausstellungsstück: einem Abbild einer Spitzendecke. Wenn man genau hinguckt, sieht man wie grob sie den Hintergrund mit Acrylfarben mit verschiedenen Grün- und Blautönen in Strichlackmanier changiert und darauf das Weiß der Spitzendecke gemalt hat. Die Details wie Licht und Schatten wurden auch hier erst im Zuge der Öllasur hinzugefügt. In der skandinavischen Dekorationsmalerei bediente man sich auch gerne der klassischen Bierlasur mit reinen Pigmenten und legte zum Schluss eine Öllasur über die komplette Fläche.
Traditionelle Techniken
Auf diese Kombination schwört auf großen Flächen auch Jean Sablé. Der Franzose stammt aus einer Dekorationsmalerfamilie und ist sehr stark verwurzelt mit den traditionellen Techniken. Die Tiefe im Marmor zum Beispiel, sagt er, wäre am besten zu erzielen durch die Kombination von Bier und Öl. Auf kleinen Flächen und in der Trompe l’oeil-Malerei greift er mittlerweile fast ausschließlich auf Acrylfarben zurück. Den Umgang mit neuen Materialien vermittelt er, neben dem mit klassischen Farben, auch in seiner Schule in Versailles. Jean Sablé selbst hat seine Ausbildung noch in Brüssel bei Clémont Van Der Kelen gemacht, ebenso wie sein Landsmann Pierre Finkelstein. Beide sind auch stolze Besitzer der Goldmedaille „Meilleurs Ouvriers de FRANCE“, die höchste Auszeichnung, die man in Frankreich in seinem Handwerk erlangen kann.
Wichtiges Fachbuch
Pierre Finkelstein ist mit dem Titel im Gepäck in die USA ausgewandert und leitet seit über 20 Jahren mit „Grand Illusion“ einen der führendsten Dekorationsmalerbetriebe. Mit „The Art of Faux“ hat er 1997 eines der bis heute wichtigsten Fachbücher herausgebracht. Seine Art Marmor zu malen ist einzigartig. Er arbeitet auf Fußleisten und kleineren Flächen ausschließlich mit Acrylfarben und legt mehrere Schichten übereinander. Sein Trick ist das Anlegen sehr markanter Adern, auf denen er mit weiß arbeitend die gewünschte Tiefe erreicht. Das ist sehr plakativ beim genauen Betrachten, aber sehr effektvoll auf der Distanz. In Seattle hat er live die Kunst des Licht- und Schattenmalens vorgeführt. Dabei legt er die Lasuren in immer schmaler werdenden Strichen übereinander.
Pierre Finkelstein arbeitet, wie auch andere Dekorationsmaler eng mit dem amerikanischen Betrieb „Golden Artist Colors“ zusammen. Ihr Besitzer Mark Golden entwickelt in seiner Firma neben klassischen Acrylfarben spezielle Produkte für besondere Wandgestaltungseffekte. Dazu gehört vor allen Dingen die Proceed-Serie. Neben lang offen stehenden Acrylfarben und Lasuren sind nicht nur die Metallic-Farben besonders herausstechend sondern auch die Glass Bead Texturen. Glasperlen in ein Medium gebunden als finalen Effekt einer Flächengestaltung. Das Material kann dünn mit dem Spachtel aufgezogen werden oder mit einem Modler als eine Art ungleichmäßigen Strichlack. Durch die Lichtreflexionen im Glas entstehen unglaubliche Effekte. Die enge Zusammenarbeit des Farbenherstellers mit den Nutzern ist zu einem wichtigen Teil des Salons geworden. Aktuelle Produkte werden hier genauso zum Ausprobieren präsentiert, wie absolute Neuigkeiten oder auch die vielgeliebten Golden Fluids, die sich durch feine Pigmente auszeichnen und durch ihren viskosen Flüssigkeitsgrad perfekt zu dosieren sind.
Gemeinsame Arbeit
Golden unterstützt zudem seit Jahren das jährliche Gemeinschaftsbild. Hier entsteht auf über zehn Quadratmeter eine Wandmalerei zum Thema der Stadt an der alle Teilnehmer des Salons mitmalen können. Dieses gemeinsame Werk von Individualisten auf einer so großen Fläche ist jedes Mal wieder eine Herausforderung und auch ein großes Glück, denn das gemeinsame Arbeiten schafft Zusammenhalt und bringt viel Spaß. Und das überträgt sich auf die ganze Gruppe.
Jan Berghuis, einer der Mitbegründer des Salons, hat gemeinsam mit seinem niederländischen Kollegen Michiel van de Laar eine Entwurfsskizze angelegt nach der erst stringent und zum Ende hin freier auf der Fläche gearbeitet wurde. Auch hier ein Zusammenspiel aus Acrylmalerei und Öl. Vor allem das Uhrwerk in der Mitte erlangte nach dem Überzug mit der Öllasur in einem kurzen Arbeitsprozess eine wahnsinnige Tiefe, die noch durch das „freiwischen“ der Lichtpunkte erhöht wurde. Solchen Prozessen beizuwohnen bringt auch dem Zuschauer ein beachtliches an Wissen. Wenn man die vier Tage des Salons nur der Entstehung des Gemeinschaftsbildes zuschaut, kann man sehr viel lernen über den Umgang mit Farben und Formen und den kollegialen Umgang miteinander.
Tradition und Moderne
Das Lernen und vor allen Dingen das Dazulernen ist dem Niederländer Jan Berghuis sehr wichtig. Er ist die dritte Generation einer Malerfamilie und ein Vertreter der neuen Moderne. Er beherrscht alle Facetten der Wasser- und Öltechniken. Sein Marmor ist in mehreren Schichten aufgebaut, in Manier der holländischen Malschule, und seine Tiefe in den Bildern erlangt er durch klassische Ölmalerei. Er vermengt Tradition und Moderne wie kein anderer und löst sich immer wieder von der klassischen Form der Wandmalerei.
Das steht ganz im Gegensatz zu einem der jüngeren Teilnehmer. Marco Massimiami aus Rom ist auf dem Salon der Spezialist für die barocke Malerei. Seine Grotesken sind von einmaliger Brillanz. Seit nunmehr 15 Jahren verziert er mit seinen Assistenten Villen in der ganzen Welt mit feinsten Pinselstrichen. Sein Steckenpferd ist das Umsetzen traditioneller Techniken mit modernen Farben.
Weniger Öllasuren
Genau wie der Italiener lösen sich viele Dekorationsmaler von dem Malen mit Öl. Das wird mit jedem Jahr ersichtlicher. Auch wenn der Effekt durch Öllasuren auf wasserbasierten Untergründen einmalig zu sein scheint, versucht man immer mehr umzudenken. Klassisch gelernt haben alle Teilnehmer mit Ölfarben zu arbeiten. Einige Jahre zurückgeschaut konnte man auf dem Salon mehr Dekorationsmaler mit Ölfarben hantieren sehen als heute. Es wurde viel ausprobiert im letzten Jahrzehnt. Die traditionellen Techniken werden beibehalten aber neu gedacht. Das ist auch für den Deutschen Markt interessant. Durch das Arbeiten mit Acryl- oder anderen Wasserfarben wird das Finish einfacher, da weniger Dreck durch Staub auf die Oberfläche gelangt. Auch klassische Strichlacke und Lasuren sind durch die länger offen stehenden neuen Acrylfarben leicht umzusetzen.
Für die Teilnehmer und Besucher des Salon 2014 in Seattle war es nicht nur in der Union Station ein tolles Erlebnis. Die Stadt hat sich mit Sonnenschein und vielen Galerien in einem spannenden Umfeld zwischen Downtown und Chinatown von ihrer besten Seite gezeigt. Man kann gespannt sein auf das kommende Jahr.
Lecce/Italien 2015
Mitte Mai 2015 gibt es dann nämlich erneut eine Möglichkeit live dabei zu sein. In der Barockstadt Lecce in Italien wird Marco Massimiami als Gastgeber fungieren. Und man darf gespannt sein auf den Salon im sogenannten „Florenz des Südens“ und auf viele neue Techniken, Farben und Künstler des Dekorationsmalerhandwerks.
Denn eines ist auch nach diesem Salon wieder klar geworden: der Austausch von Fertigkeiten fördert das Handwerk und bewahrt alte Traditionen und Techniken, die gerade für die nachfolgende Generation von unschätzbarem Wert sind.
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