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Erlebnisbohren

Farbe & Inspiration
Erlebnisbohren

Dünenlandschaft statt steriler Raumflucht – hoch über dem Berliner Kurfürstendamm wartet eine ganz besondere Zahnarztpraxis auf Patienten.

Armin Scharf

Dass die rundum weiße, sterile Praxis ausgedient hat, dürfte sich inzwischen weitgehend herumgesprochen haben. Ist Farbe als stimulierender Akzent oder Hintergrund also akzeptierter Standard, so setzen Graft Architekten mit ihrem Interieur einer Berliner Zahnarztpraxis nochmals neue Maßstäbe. Hier erinnert nichts an einen medizinischen Betrieb – der Raum wölbt sich, verwinkelt sich, Decken gehen in Wände und in Böden über. Ein Kaminfeuer knistert, ein domestizierter Wasserfall plätschert irgendwo aus dem Hintergrund und Kaffeeduft liegt in der Luft. Keine Spur vom giftigen Surren der Bohrer, von berstenden Zähnen oder gluckernden Absauginstrumenten. Hier ist alles anders. Hier könnte auch eine trendbewusste Werbeagentur residieren, ein Café oder ein Showroom. „Es ist nicht wichtig, was es ist“, sagt Wolfram Putz von Graft. „Wir wollen eine hybride Architektur schaffen, die sich nicht klassifizieren lässt.“
So innovativ die architektonische Konzeption, so setzt auch der Praxisbetrieb von KU64 selbst neue Signale. Fünf Ärzte arbeiten hier an sieben Tagen in der Woche, angeschlossen sind Dentallabor und Prophylaxeräume auf zwei Etagen mit rund 1.000 Quadratmetern Grundfläche.
Den Architekten ging es darum, mit dem Interieur positiv belegte Assoziationen hervorzurufen – was liegt da näher als das Bild einer Dünenlandschaft aufzugreifen. Also wellige Formen, die an Urlaub, Unbeschwertheit und Gelassenheit erinnern – ungefähr genau das Gegenteil dessen, was gemeinhin eine Zahnbehandlung bedeutet. Die Idee sieht umgesetzt so aus: In der Behandlungsebene löst sich die übliche Trennung zwischen Wänden, Boden und Decken auf, rechte Winkel werden durch Rundungen ersetzt, hoch angesetzte Glasbänder sorgen für Transparenz zu den Behandlungsräumen. Alles ist in ein warmes Gelb getaucht, dazu kommen punktgerasterte Bilder menschlicher Figuren, die sich weiß über die Wellenformen legen und nur von bestimmten Standpunkten aus erkennbar sind.
In den Dünenwellen integrieren sich Sitz- und Ruheplätze, der Wartebereich ist als Lounge ausgebildet, mit vorgelagertem Sonnendeck, Liegen, einem frei hängenden Kamin, Bar, Kinderbereich und WLAN-Service, alles umspült von unaufdringlicher Musik.
Erstellt wurde die Praxis-Landschaft komplett per Trockenbau, eine komplexe Aufgabe, bei der man so weit wie möglich auf vorgeformte Elemente zurückgriff. Spezielle, per Stahlbau gefertigte Unterkonstruktionen stützen die raumgreifenden Wellen ab, der Deckenbereich ist mit einer konventionellen Konstruktion unterfüttert. Von wesentlicher Bedeutung war die Umsetzung der Architektenpläne in Ausführungspläne – keine leichte Aufgabe, die der Hersteller des Trockenbau-Systems übernahm.
Die allumfassende gelbe Farbgebung greift das Sonnenmotiv auf und wurde mit den Mitarbeitern der Praxis abgestimmt. Für die Beschichtung, die nahtlos wie die Formen vom Boden in die Schräge überzugehen hatte, wählte man ein mechanisch belastbares Polyurethan-Material aus dem Industriebodenbereich. Darauf applizierte man die figurativen Rastermotive und versiegelte ganzflächig mit Klarlack.
Das dentalfremde Gestaltungskonzept geht auf – die Metropolenpatienten aus Berlin scheinen angetan von Service und Ambiente, erhält der Gang zum Zahnarzt doch einen gänzlich anderen Rahmen. Hier geht es nicht mehr um solch banale Fragen wie Karies, Bohren oder Extrahieren – hier steht die Zahngesundheit und das Gesamt-Wohlbefinden im Vordergrund. Damit ist die Praxis ein Prototyp für das neue, von Gesundheitsbegleitung geprägte Verständnis, bei dem der Patient nicht mehr Patient, sondern Kunde ist.

Bauherr: Dr. Ziegler, Berlin
Architekten: Graft Architekten, Berlin
Trockenbau: Frömmig & Scheffler, Lichtenstein
Grafiken: Strauss & Hillegaart, Cottbus
Standort: Kurfürstendamm 64, Berlin
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