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Farbatlas Zürich

Farbe & Inspiration
Farbatlas Zürich

Der Farbatlas Zürich soll die komplette öffentliche Farbigkeit des Baubestandes der Stadt dokumentieren, damit künftig die konkrete Farbgestaltung von neuen oder bestehenden Bauten auf kontextuell stabileren Beinen steht.

Das Projekt wird vom Haus der Farbe mit Studierenden betreut und vom Amt für Städtebau unterstützt. Das erste, bereits fertige Teilprojekt analysiert den Stadtteil Schwamendingen und die dort angetroffenen Farben. Beispielhafte Bauten werden dabei auf Tafeln mit den Farbquantitäten dargestellt. Grundlage ist ein zuvor zusammengestellter, 111 Farben umfassender Farbfächer. Die weiteren Stadtteile sollen sukzessive folgen.

kompakt
Projektleitung:
Lino Sibillano und Stefanie Wettstein, Schulleitung Höhere Fachschule für Farbgestaltung
Jürg Rehsteiner, architektonische Beratung, Amt für Städtebau Zürich
Projektpartner:
Amt für Städtebau Zürich, Schweizerische Zentralstelle für Baurationalisierung CRB, VASP datatecture GmbH
Kontakt:
Haus der Farbe – Höhere Fachschule für Farbgestaltung
Langwiesstrasse 34, CH-8050 Zürich

Die Farben von Zürich
Ist Zürich wirklich so grau wie man sagt? Oder eher blau, rot, grün, bunt gemischt? Das Haus der Farbe will es genau wissen und erstellt einen Farbatlas der eidgenössischen Metropole. Die ersten Ergebnisse liegen vor.
Ulrich Binder
Um sich von der Stadt ein Bild zu machen, gibt es viele Möglichkeiten: Man studiere den Stadtplan, steige auf den Hausberg, chartere einen Zeppelin oder zoome sich per Google Earth heran. Doch wenn man sich von der Farbigkeit ein Bild machen möchte, wird es schwieriger. Bei den Ansichten aus der Luft dominiert das Ziegelrot der Dächer, bei Modellen, Stadtplänen und Baudokumentationen sind die Farbtöne erst gar nicht aufgenommen. So bleibt nichts anderes übrig, als sich in die Straßen zu begeben, sie abzuwandern und die Farbtöne der Fassaden sukzessive aufzunehmen. Genau dies tun die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Forschungsprojektes Farbatlas Zürich. Das Vorhaben, vom Haus der Farbe und dem Amt für Städtebau initiiert, soll einen flächendeckenden Katalog der Farben von Zürich erstellen.
Man ist seit Jahren in der eigenen Stadt unterwegs und kann dennoch nicht davon ausgehen, alle Straßen je erwandert, alle Fassaden je eines Blickes gewürdigt zu haben. Und doch weiß man – ohne sich darum bemüht zu haben – um etwas Ganzes. Dass dies so ist, bemerkt man zum Beispiel bei der Rückkehr auf der Rolltreppe am Flughafen, nach der Auszeit in New York oder dem Urlaub auf Stromboli. Mit einem Mal ist dieser Plot wieder da, die jahrelange Erfahrung verdichtet sich in einer Empfindung.
Auch beim Farbatlas geht es nun um das Ganze. Es ist der modellhafte Versuch, eine Stadt farblich zu erfassen. Der Schwerpunkt liegt auf den Fassaden der Häuser, mit all ihren Akzenten. Die mobilen Bestandteile der Stadt – Menschen, Verkehr, Blumen und vorbeiziehende Wolken – die sich bei dieser Langzeitaufnahme nicht abzuzeichnen vermögen, werden mit dem Medium Video eingefangen.
Es erstaunt, dass es angesichts der Gesetzes- und Dokumentationsdichte eine farbliche Erfassung der Gebäude bisher nicht gibt. Fragt man die Menschen vor Ort nach den Farben ihrer Stadt, erfährt man mit Gewissheit zweierlei: dass ihre Umgebung sowohl zu grau als auch viel zu bunt sei.
Entsprechend begrüßen nur die einen, was sich in den letzten fünf bis zehn Jahren veränderte – die vermehrte Anwendung satter Farben im Außenraum. So kann von einem Boom durchaus gesprochen werden, er wird in Fachzeitschriften diskutiert und dringt sogar bis auf die „bunten“ Seiten der Tagespresse vor. Man beglückwünscht sich gegenseitig zum Mut und setzt die neue Farbigkeit mit einem Aufbruch in die Lebensfreude gleich, vor dem Hintergrund der farblosen Bestände der Vergangenheit.
Eine Frage der Sättigung
Bei einem konkreten Bauprojekt spiegelt sich diese Aufbruchstimmung meist in zwei Geschichten mit unterschiedlichem Radius. Die eine beginnt im unmittelbaren Umfeld und wird von den Anwohnern inszeniert: Sie würden möglicherweise bestätigen, dass die Stadt zu grau ist, fühlen sich aber dennoch – und sei es nur als Passanten – gestört von der neuen Farbe des Hauses. Juristisch lässt sich dieses Gestörtsein schwerlich erfassen, um so mehr führt die Empörung zu aufreibenden Geplänkeln zwischen Bauherrschaft, Architekt, Farbgestalter und den Betroffenen. Bemerkenswert immerhin, dass in diesem rhetorischen Zusammenhang der Streitgrund Farbe nicht den eigentlichen Farbton betrifft, sondern dessen Sättigungsgrad. So sind alle mit viel Weiß entschärften Buntwerte vollkommen unbedenklich, gesättigte Töne mit Sicherheit anstößig. Auch darf eine Fassade nicht zu dunkel sein, geschweige denn schwarz – Konsens ist eine helle Unsattheit. Hinter anderen Farbigkeiten darf man ein spezielles Konzept vermuten, das von einem Farbgestalter mit viel kommunikativem Aufwand durchgesetzt wurde.
Gestern und heute
Die andere und größere Geschichte erzählt vom Umgang mit Farbe im städtischen Außenraum der Vergangenheit. Nächster und mittlerweile gut dokumentierter Bezugspunkt ist die Bewegung der farbigen Stadt, die um 1920 nicht nur Magdeburg, sondern auch Zürich erfasste. Damals ging es sowohl um Stadtmarketing als auch um soziale und politische Anliegen. Farbe wurde als billiger Baustoff zur Verschönerung des Lebensraumes für einfache Menschen propagiert. Und wenn es je eine Epoche gab, in der Farbgestaltung mit Buntheit gleichgesetzt wurde, dann war es diese.
Die heutige Entwicklung dürfte, zumindest punktuell, an die Experimente der 1920er Jahre anschließen. Nicht ideologische Anliegen sind dabei ausschlaggebend, sondern eine ästhetische Aufwertung, die sich auf die Befindlichkeit der Bewohner wie auf die realisierbaren Mietpreise auswirken soll. Der prägnante Einsatz von Farbe an der Fassade signalisiert nicht zuletzt deren sorgfältige Anwendung auch im Innenraum. Denn auch da versucht man mit großen Überzeugungsleistungen den Weiß-Konsens zu sprengen, die Farbwirkungen aus dem individuellen und kaum verhandelbaren Geschmacksbereich herauszulösen und in eine etwas allgemein gültigere, „psychophysische Anregung“ zu überführen.
Vom Einbezug einer Gesamtwirkung – eines Quartiers oder Stadtteiles – sind allerdings diese praktischen Ansätze noch weit entfernt. Abgesehen von den sehr kleinteiligen Besitzverhältnissen fehlen selbst da, wo sich unter den Schlagworten Urban Identity oder Stadtmarketing ein übergreifender Gestaltungswille formiert, sowohl empirische wie auch theoretische Grundlagen. Etwas pointierter formuliert: Man weiß nicht, wie die Stadt aussieht und man weiß nicht, wie sie aussehen sollte. Gewiss ist nur, dass sie für ihre Bewohner sehr komplexe visuelle Vorgänge bereithält, die letztlich den Wunsch, an einem Ort zu leben, mit beeinflussen.
Mit zwei Angeboten reagiert nun die Höhere Fachschule für Farbgestaltung, kurz Haus der Farbe, auf dieses Defizit: Mit dem Forschungsprojekt Farbatlas Zürich und mit dem Nachdiplomlehrgang Oberfläche der Stadt. Der Farbatlas Zürich dokumentiert u.a. alle Fassadenfarben, die von öffentlichem Grund aus gesehen werden können und so quasi zum öffentlichen Gewand gehören. Die Farben einiger ausgewählter Bauten werden zudem von Hand nachgemischt auf Tafeln im Format DIN A4 festgehalten. Dabei sollen in etwa die Quantitäten so wiedergegeben werden, wie sie am Objekt anzutreffen sind – allerdings ohne deren Formen anzunehmen.
Dieser Katalog der Farben von Zürich soll eine annähernde Vollständigkeit erlangen – und möglichst öffentlich zugänglich sein. So könnten sich Farbgestalter und Architekten in kurzer Zeit und unabhängig von Witterung und Wartung ein Bild von der weiteren Umgebung eines zu bearbeitenden Objektes machen.
Wie allerdings dann auf den jeweiligen Kontext reagiert wird, bleibt weiterhin Gegenstand ausführlicher Auseinandersetzungen wie sie am Haus der Farbe gepflegt und gefördert werden – speziell auch im Nachdiplomlehrgang Oberfläche der Stadt. In diesem Kurs wird das Bild der Stadt nochmals neu aufgenommen, werden die Dramaturgien verfolgt, entlang derer die Stadtlandschaft erlebt wird und daraus theoretische und gestalterische Ansätze abgeleitet.
Es geht also nicht nur um Fassaden, sondern auch um den diffusen wie komplexen Gesamteindruck, der auch auf viel flüchtigeren Phänomenen beruht, etwa der dröhnende Verkehr, kommunikative Texturen, Menschenströme und nicht zuletzt Licht, Dunkelheit und Witterung. Diese Einflüsse sind zwar nicht alle gestaltbar, aber keineswegs zufällig und prägen die Empfindung eines Ortes.
Der Züricher Farbfächer
Als erstes Arbeitsinstrument für die flächendeckende Erfassung der Fassadenfarbigkeit wurde der Züricher Farbfächer entwickelt. Er ist im Rahmen des Unterrichts im Diplomlehrgang Farbgestalter/in HF der Höheren Fachschule für Farbgestaltung unter der Leitung der Dozierenden Marcella Wenger-Di Gabriele und Carlos Matter erarbeitet worden. Rund 20 Studierende sind ausgeschwärmt mit dem Ziel, das Farbspektrum der Architektur Zürichs zu erfassen. Dabei haben sie mehr als 800 Farbtöne von Gebäudefassaden aus der ganzen Stadt gesammelt und in einem zweiten Schritt auf 111 Farbtöne reduziert. Diese wiederum sind in acht Familien gruppiert: Gelb, Rot, Blau, Grün, Erde, Sand, Grau, Weiß.
Der Farbfächer deckt zwar ein weites Farbspektrum ab, macht aber keine systematische und wissenschaftliche Aussage über die Farbigkeit der Stadt Zürich, sondern bildet die Grundlage für die flächendeckende Erfassung.
Pilotprojekt Schwamendingen
Die Fassadenfarbe jedes einzelnen Gebäudes in Schwamendingen (eine Hauptfarbe und eine Nebenfarbe) wurde je einem Farbton aus dem Züricher Farbfächer zugeordnet. Zusätzlich erhoben die Studierenden Daten zum urbanen Kontext, der Materialität, Gebäudepräsenz, Farbwirkung. Die Informationen wurden anschließend in einer Datenbank gesammelt, um verschiedene Visualisierungen und statistische Auswertungen zu ermöglichen.
Auf der Basis dieses Teilprojektes wurden 30 Bauten oder Gebäudekomplexe in Schwamendingen bestimmt, die entweder eine quartiertypische oder eine besonders qualitätsvolle Farbigkeit im Kontext aufzeigen.
An diesen Bauten wurden die Farben von Fassaden, Fenstern und Fensterläden sowie von Architekturdetails sorgfältig abgenommen, nachgemischt und per Musterkarten festgehalten. Gleichzeitig wurden zur Dokumentation fotografische Aufnahmen der Bauten, und des urbanen Kontexts gemacht.
Erstmals einer größeren Öffentlichkeit zugänglich wurde das Projekt Anfang des Jahres während einer Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur; sukzessive sollen nun die anderen Stadtviertel Zürichs analysiert und dokumentiert werden.
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