Dass unsere Gesellschaft altert, ist unbestritten. Allerdings tun wir uns noch schwer, die Auswirkungen zu akzeptieren und uns schon jetzt positiv darauf einzustellen. Etwa mit neuen Dienstleistungen, Produkten oder Farbgestaltungen.
Uwe Koos, Sto AG
Nicht nur das Klima wandelt sich, auch die Altersstruktur unserer Gesellschaft. In wenigen Jahren schon wird der Anteil älterer Menschen erkennbar zunehmen. Sicherlich, das ist keine neue Erkenntnis, denn die Veränderungen sind schon seit geraumer Zeit voraussehbar. Dennoch stellen wir uns sehr zögerlich auf diese neue Situation ein, die meist mit negativem Unterton beschrieben wird. Doch wie jede Veränderung sollten wir auch diese als Chance begreifen und positiv angehen, um neue Produkte und Dienstleistungen anzudenken.
Allerdings müssen wir uns zunächst von einem Klischee verabschieden und das Wort „altengerecht“ aus unserem Vokabular streichen. Denn erstens will die Generation 60+ von heute nichts mehr mit Senioren im klassischen Sinn zu tun haben und zweitens geht es um mehr als nur um Telefone mit großen Tasten oder um große Hinweisschilder. Es geht schlichtweg darum, unsere Lebenswelt so zu gestalten, dass sie für alle Gesellschaftsteile möglichst uneingeschränkt nutzbar ist. Universal Design nennt sich dieser Ansatz, der nicht erst in jüngster Zeit aktuell wird und eine neue Sichtweise ins Spiel bringt.
Denn Universal Design will keine Spezialprodukte hervorbringen für Zielgruppen mit spezifischen Einschränkungen. Sprich: Ein Telefon ist so zu konzipieren, dass sich Jung und Alt gleichermaßen wiederfinden und sich dafür begeistern.
Was das alles mit Farbgestaltung zu tun hat? Mehr als man denkt. Denn auch hier gilt es, mögliche Einschränkungen oder Fehlsichtigkeiten im Blick zu haben. Spätestens, wenn es um die Orientierung geht, ist die Wahl der Kontraste, sind die Größenverhältnisse und die Eindeutigkeit von Farben von elementarer Wichtigkeit. Und das natürlich nicht nur im Hinblick auf eine betagter werdende Zielgruppe: Klare Aussagen helfen auch Jüngeren auf den richtigen Weg.
Um die Akzeptanz bei allen Zielgruppen zu erreichen, ist ein sensibles und offenes Vorgehen notwendig. Wer mit der Gestaltung die Einschränkungen betont – siehe die extra großen Tasten – der wird keine Akzeptanz erfahren. Stigmatisierende Konzepte haben künftig keine Chance mehr, was übrigens auch für die Beratung und die Argumentation gilt: Potenzielle Einschränkungen taugen als Verkaufsargument nichts, sind sogar kontraproduktiv. Stattdessen gilt es, die Vorteile für die Gegenwart in den Vordergrund zu stellen. In einigen Handwerkskammern werden Handwerker bereits intensiv in diese Richtung geschult. Universelle Farbe ist nicht mehr das oft geschmähte „Rentnerbeige“, sondern ist durchaus bunt, lebendig, polychrom, aber optisch barrierefrei, um diesen sperrigen Begriff zu nutzen. Barrierefreiheit bedeutet heute mehr als rollstuhltaugliche Eingänge – barrierefrei fängt beim leserlichen Beipackzettel an und endet im digitalen Raum des Internets. Irgendwo dazwischen befinden sich Farbkonzepte für Innen- oder Außenräume, die nicht nur im Sinne der Information für alle wahrnehmbar sein müssen, sondern auch noch Fehlsichtigen ein ästhetisches Erlebnis bieten sollten.
Ein letzter Aspekt: Universal Design wird angesichts des steigenden Renteneintrittsalters zum direkten Wirtschaftsfaktor. Denn ältere Arbeitnehmer mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung können durchaus leistungsfähig sein – die entsprechende Arbeitsumgebung vorausgesetzt. Dazu zählen akustische Optimierung, angepasste Beleuchtung und eine Farbigkeit, die stimulierend, ausgleichend und wahrnehmungsfördernd wirkt.
Universal Design ist ein komplexes Thema, das neues Wissen, neue Ideen und eine neue Sensibilität verlangt. Lösungsrezepte gibt es nicht, wohl aber die Chance, sich auf die Herausforderung vorzubereiten. Etwa mit gezielten Weiterbildungsangeboten von Kammern, Innungen, Unternehmen oder Initiativen.
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