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Farbiger Gast im Park

Farbe & Inspiration
Farbiger Gast im Park

Knappes Baubudget, große Wirkung: Das Quartierzentrum Aussersihl in Zürich begeistert durch eine ungewohnte Form und ein polychromes Innenleben.

Andrea Eschbach

Man sieht ihn erst auf den zweiten Blick. Zumindest im Sommer. Der dreigeschossige Bau ist von Platanen umgeben, er verschwindet fast im Park. Dabei muss sich das im Oktober 2004 eröffnete Quartierzentrum Aussersihl ganz und gar nicht verstecken. Dem jungen Züricher Architekturbüro EM2N ist mit dem geschwungenen Gebäude ein Bravourstück gelungen. Bis das Quartierzentrum der Bevölkerung übergeben werden konnte, vergingen jedoch einige Jahre. 1999 bereits hatte EM2N in einem Architekturwettbewerb der Stadt Zürich mit einem vielversprechenden Projekt überzeugt. Die Stadt wollte mit einem für alle zugänglichen Gemeinschaftszentrum ein Quartier aufwerten, das von Verkehr, Drogen und Prostitution stark belastet ist. Innerhalb des Quartiers mit seiner dichten Blockrandbebauung ist die Bäckeranlage einer der wenigen öffentlichen Grünräume. Doch der Park war in der Vergangenheit immer wieder Treffpunkt für die Drogen- und Alkoholikerszene.
Ein von der Stadt zunächst geschaffener Notbehelf hatte sich vom Provisorium rasch zur festen Institution entwickelt, die viel zur Beruhigung der Grünanlage beigetragen hatte. Die eigentliche Neugestaltung ging dafür umso schleppender voran: Der Vorschlag von den EM2N-Architekten Daniel Niggli und Mathias Müller musste erst die politischen Hürden nehmen. Die Erstellungskosten für das Glasbauprojekt waren zu hoch, der Etat wurde während der Planungsphase kurzerhand zusammengestrichen. Statt fünfeinhalb Millionen Schweizer Franken standen schließlich nur noch drei Millionen zur Verfügung. Doch die jungen Architekten werden nicht ohne Grund als Problemlösungsbüro etikettiert: Sie gelten als ein Büro, das auch aus der verfahrensten Situation noch etwas machen kann. Und so schafften sie das Kunststück, trotz des Kostendrucks die Nutzfläche nur um 25 Prozent reduzieren zu müssen. So strich man technische Spielereien und kostspielige Details radikal, statt fünf sind es nur noch drei Geschosse, statt vollverglaster Fassade nutzte man Mauerwerk und Holz – und realisierte dennoch einen prägnanten Bau.
Für das neue Zentrum musste kein Baum gefällt werden, da das Architekturbüro das Haus an den Park anpasste und nicht umgekehrt. Mit seinem nierenförmigen Grundriss schlängelt sich der Bau um die mächtigen Bäume herum wie ein beweglicher Körper und verbraucht dank seiner drei Geschosse so wenig Grünfläche wie möglich. „Wir wollten, dass das Gebäude ein Gast im Park ist“, erklären die beiden Architekten. Der Massivbau aus Betondecken und Kalksandsteinwänden ist mit einer senkrechten Fichtenholz-Verschalung verkleidet – allseitig grundiert und zweifach behandelt sowie auf der Sichtseite mit einer UV-beständigen Lasur versehen. Die dunkelgrün, genauer gesagt in „British Racing Green“ gestrichene Fassade harmoniert mit den benachbarten immergrünen Nadelbäumen. Inspiriert habe sie, so Mathias Müller, das Bild der Baumrinde. Die Außenhaut des Gebäudes wurde deshalb stellenweise mit Farbpunkten tätowiert und im Bereich der Fenster und Brüstungen mit Löchern perforiert. Eine große 4 auf der Rückseite steht für den Stadtkreis 4. Das durch die Lochungen einfallende Licht erinnert an das Licht- und Schattenspiel der Blätter eines Baums.
Unten öffnet sich das Gebäude mit der geschwungenen Glasfront zum Park hin, während es oben an ein Baumhaus erinnert. Der Innenraum des im Erdgeschoss untergebrachten Restaurants strahlt in Grasgrün – innen und außen verschmelzen zu einer Einheit. Auch die industriesichtigen Kalksandsteinwände und Türen der beiden anderen Stockwerke wurden in frische Farben getaucht: „Wir nutzten die Farbe als Mittel, um das eher hässliche Baumaterial zu neutralisieren“, erklärt Mathias Müller. Die Räume im 1. und 2. Obergeschoss sind in Tönen der Gelb-Grün-Skala gestrichen, für das Treppenhaus mit seiner rohen Betontreppe wählten EM2N als Kontrast die Farbe Orange. „Die Toiletten mit ihrem himmelblauen Anstrich sind eine Anspielung auf die vielen öffentlichen WCs des Züricher Kreis 5 mit ihren blauen Antifixer-Lichtern“, sagt Müller. Licht und Farbe als kostengünstiges, aber effektives Gestaltungsmittel: Mit dem neuen Zentrum haben EM2N virtuos gezeigt, wie man auch trotz gekürztem Budget viel erreichen kann.

Standort: Bäckerplatz, Hohlstraße 67, Zürich
Bauherr: Stadt Zürich
Architekten: EM2N Architekten, Zürich
Ausführung: Maler Buck, Zürich
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