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Farbiges Erbe

Farbe & Inspiration
Farbiges Erbe

Gleich sechs denkmalgeschützte Berliner Siedlungen aus der Zwischenkriegszeit hat die UNESCO vor Kurzem in den Stand des Welt- kulturerbes erhoben. Darunter gleich drei farbige Siedlungen von Bruno Taut.

Armin Scharf

Es ist nicht der erste Eintrag in die UNESCO-Liste, mit der sich Berlin schmücken kann: 1990 bereits wurden die preußischen Schlösser und Gärten in Berlin und Potsdam, 1999 die Museumsinsel ausgezeichnet. Nun aber handelt es sich um vergleichsweise profane Bauten, einst entstanden, den Menschen ein würdigeres, gesunderes und positiveres Großstadtleben zu ermöglichen, als dies in den berüchtigten Mietskasernen möglich war. Dies und ihr internationaler Vorbildcharakter machen die Siedlungen so herausragend – es sind dies die Gartenstadt Falkenberg im heutigen Stadtteil Treptow, die Schillerpark-Siedlung in Wedding, die so genannte Hufeisensiedlung Britz in Neukölln, die Wohnstadt Carl Legien im Stadtteil Prenzlauer Berg, die Siemensstadt und die Weiße Stadt in Reinickendorf. Britz, Falkenberg, Carl Legien sowie Schillerpark sind von Bruno Taut alleine oder in Kooperation mit Kollegen geplant.
Entstanden sind mit den zwischen 1913 und 1934 erbauten Siedlungen nicht nur moderne wie bezahlbare Wohnungen, die ordentliche Küchen, Bäder, funktionale Grundrisse, Zentralheizungen und Licht boten. Es handelt sich vielmehr auch um einen neuen Typus des Sozialwohnbaus, getragen von progressiv orientierten gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen oder kommunalen Baugesellschaften. In der Aufbruchzeit zwischen dem Ende des Ersten Weltkrieges und der brachialen Machtübernahme durch die Nazis blühte für kurze Zeit die Utopie einer neuen Gesellschaft auf, deren gleichberechtigte Bürger in neuen Städten leben und von einer neuen Architektur gestärkt werden sollten. Kurz: Die nun ausgezeichneten Siedlungen waren zur Zeit ihrer Entstehung geradezu revolutionär.
Was aber nicht verhinderte, dass man sich in der jungen Bundesrepublik erst sehr zeitverzögert an diese Baugeschichte erinnerte. „Es war im Jahre 1977 an einem lauschigen Sommerabend im Garten von Helge Pitz, der in der Onkel-Tom-Siedlung wohnte. Da fassten wir den Entschluss, uns als Architekten um den Erhalt dieser besonderen Wohnhäuser zu kümmern“, blickte jüngst erst Winfried Brenne in der Stuttgarter Zeitung zurück. Es sollte der Anfang einer bis heute reichenden Sanierungsserie sein. Brenne, damals noch in Bürogemeinschaft mit Helge Pitz, entwickelte im Laufe der Jahre eine geballte Kompetenz für die Sanierung von Taut-Bauten in und um Berlin. Seinem Schaffen ist es unter anderem zu verdanken, dass Berlin die aktuellen UNESCO-Weihen erhielt.
Der Tuschkasten leuchtet
Wer die Siedlungen Tauts besichtigt, der wird auch heute noch fasziniert sein – von ihrer Präsenz, ihrer Formensprache, die trotz sparsamer Anwendung der Mittel jeder Siedlung ein individuelles Gesicht gab. Allem voran aber wird es die Farbe sein, die begeistert. Zum Beispiel in Falkenberg, jener 1913 bis 1915 im Südosten Berlins erstellten Gartensiedlung. „Die Reihenhäuser am Akazienhof haben mit Profilen an Dach, Fenstern und Türen Anklänge an einfache Barockarchitektur. Unterschiedliche Farben, Gelb, Blau und Rotbraun, trennen die Hauseinheiten optisch voneinander und abstrahieren gewissermaßen die traditionellen Formen, ohne sie zu zerstören“, beschreibt Winfried Brenne die völlig eigenständige Farbgebung. Kein Wunder, dass man in Berlin alsbald nur noch von der „Tuschkastensiedlung“ oder der „Kolonie Tuschkasten“ sprach. Zwischen 1992 und 2002, also über eine extrem lange Zeit, wurde der Tuschkasten behutsam und abschnittsweise wieder zum Leuchten gebracht.
Da Bruno Taut keinen Farbplan hinterlassen hat, basiert die heutige Farbigkeit, das erdige Ocker genauso wie das leuchtende Rot oder das irritierende Schwarz, allein auf den Farbbefunden des Büros Brenne und der Berliner Denkmalpflege GmbH. Die vielen Farbtöne, von Taut damals offenbar selbst angemischt, sind heute in einer Farbbibliothek gesammelt und lassen sich so auch für andere Taut-Objekte zu Rate ziehen.
Beispielsweise für den eigenwillig horizontalgestreiften Wohnblock in Weissensee oder die große Wohnbebauung in der Paul-Heyse-Straße am Rande des Prenzlauer Bergs.
Zwei Farbphasen
Falkenberg bezeichnete Brenne als sein aufwändigstes Sanierungsprojekt, auch weil sich hier eine Vielzahl von Farbnuancen auf engstem Raum versammeln, teils nur als Akzente gesetzt, teils in großflächigen Ornamenten auf die Fassaden gebracht. Interessant ist, dass sich in Falkenberg eine Entwicklung Tauts beobachten lässt: In der ersten Bauphase rund um den Akazienhof bleibt die Farbigkeit noch zurückhaltend. Umso expressiver fällt der zweite Bauabschnitt mit 93 unterschiedlichen Wohnungen aus. Hier tauchen grafische Ornamente auf, die so nur in Falkenberg existieren. So zeichnet sich ein Mehrfamilienhaus durch einen durchgehenden Rotockerton aus, ergänzt durch eine auffällige Farbigkeit am zentralen Bauteil. So werden auf einer Seite die kleinen Toiletten- und Treppenhausfenster mittels eines türkisfarbenen Rahmens zusammengenommen. Innerhalb dieser Portalform breitet sich ein Ornament aus großen, farbigen Rauten aus. Dieses Muster überlagert die Massivität des Mauerwerks. Ausgeführt wurde die bauzeitliche Farbigkeit mit Silikatfarben der Keimschen Palette, dem damals einzig verfügbaren, licht- und witterungsbeständigen Anstrichtyp, der sich so hoch pigmentieren ließ. Auch für die Sanierung bediente man sich dieses Materials – nicht nur in Falkenberg.

kompakt
Die Gartenstadt Falkenberg befindet sich im Südosten von Berlin-Treptow (Akazienhof, Gartenstadtweg, Am Falkenberg). Das Wohngebäude mit den massiven Streifen steht in Berlin-Weissensee (Trierer Straße 8–18). Derzeit wird in Berlin an einem offiziellen Besichtigungskonzept der Siedlungsbauten gearbeitet. Mehr dazu im Internet:
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