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Faszinierend vielfältig

Farbe & Inspiration
Faszinierend vielfältig

Gerne spricht man von „dem Putz“, eine fast schon fahrlässige Verallgemeinerung, denn die Welt dieser Baustoff-Familie ist so variantenreich wie faszinierend. Mit dem Projekt „Über Putz“ tauchte man an der Zürcher ETH in dieses Universum ein.

Armin Scharf

Durchaus als ambivalent kann man das Verhältnis von Architekten und Planern zu Putzen bezeichnen. Obwohl im Prinzip so alt wie das Bauen selbst, zählen Putze eher zu den ungeliebten und zugleich wenig bekannten Materialien am Bau. In der Regel gelten sie als Ersatz für „echte“ Fassadenmaterialien, die aber aus Kostengründen nicht genutzt werden können. Vermutlich deshalb spricht man in der Planerwelt äußerst selten über Putz, obgleich er die Präsenz eines Gebäudes über Struktur, Farbe und Haptik wesentlich beeinflusst.
Galt bis vor wenigen Jahren noch das Dogma, für die Gebäudehülle möglichst feinkörnige, fast glatte Putze zu wählen, so geht der Trend nun wieder zu mehr Struktur, zu experimentellen Interpretationen des Themas Putz. „Vor allem jüngere Architekturbüros gehen hier innovativ vor“, sagt Hartmut Göhler. „Aus Kostendruck greifen sie auf Putze zurück, wollen dann aber mit dem Material eine besondere Lösung erreichen.“ Und hierfür bieten Putze reichlich Potenzial – was schnell klar wird, wenn man sich mit den Materialien näher auseinandersetzt. Oder das Buch „Über Putz“ studiert.
Hartmut Göhler ist Oberassistent im Departement Architektur an der ETH Zürich und hat sich zusammen mit seiner Kollegin Pinar Gönül, der Professorin Annette Spiro sowie mit Studenten in den vergangenen Jahren intensiv mit der Putz-Thematik beschäftigt. Herausgekommen ist neben dem Buch eine gleichnamige Wanderausstellung, die in Zürich startete und nun an verschiedenen Orten Station macht (siehe Kasten). Auf den ersten Blick überschaubar, zeigt die Schau mit ihren Musterflächen, Rohstoffen und Werkzeugen einen Einblick in das aktuelle und traditionelle Universum des Putzes. Die Basis bilden realisierte Bauten, deren Putzaufbau analysiert und dann in der Werkstatt nachgestellt wurde. Darunter sind mit Hanffasern verstärkte Kalkputze, Sumpfkalk-Glattputze oder grobe, dickschichtige Kellenwurfputze. Über das Verfahren des „Re-Engineerings“ reproduzierte man einen 400 Jahre alten Kalkputz, der ohne Sande auskommt. Auch die Kombination aus Wärmedämm-Verbundsystemen und Putzen wird beleuchtet, allerdings konzentrierte man sich auf mineralische Dickschichtsysteme, weil man hier ein größeres Modellierungspotenzial sah.
Dass aber gerade WDVS und Putz weiterer Betrachtung bedarf, unterstreicht Andreas Hild in einem Buch-Interview. Sein Münchner Büro Hild und K versucht seit Jahren, WDVS anders zu interpretieren, nicht als glatte Hülle mit Uniformitäts-Nimbus. „Das WDVS ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die am meisten verwendete Dämm- und Oberflächentechnik weltweit, und es ist die Oberfläche, über die am wenigsten geredet wird.“ Will heißen: Die Planergemeinde solle sich konstruktiver mit WDVS auseinandersetzen und die Systeme samt Hersteller herausfordern.
Neben Hild kommen im Buch noch weitere Planer zu Wort, wird das Sgraffito im Engadin beleuchtet, wird der Kalkputz präsentiert, Oberflächentechniken, Werkzeuge und auch das Zusammenspiel von Putz und Farbe.
Das Gros der Projekte stammt freilich aus der Schweiz, doch genau das macht seinen Charme aus – schließlich folgt auch der Putz bei den Eidgenossen einem hohen ästhetischen und handwerklichen Anspruch. Handwerker begeisterten sich nach anfänglicher Skepsis immer wieder für neue Ideen, besonders ältere Mitarbeiter entdeckten vergessene Fertigkeiten wieder. Tatsächlich sind Buch und Ausstellung uneingeschränkt zu empfehlen – als Einstieg und Basis in ein faszinierendes Universum voller Überraschungen.

praxisplus

Die Ausstellung „Über Putz“ wandert derzeit von Hochschule zu Hochschule. Vom 4. bis 19. Oktober wird sie am Institut für Architektur und Raumentwicklung der Universität Liechtenstein in Vaduz zu sehen sein. Anschließend geht es nach Luzern an die Hochschule Horw (15. November bis 15. Dezember). Weitere Stationen sollen folgen, auch in Deutschland.
Das gleichnamige Buch „Über Putz“ ist erschienen im GTA-Verlag der Hochschule, umfasst 304 Seiten mit über 335 Abbildungen und einem Poster mit Putzdetails. Das uneingeschränkt empfehlenswerte Buch kostet 60 Euro.
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