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Frischer Veteran

Farbe & Inspiration
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Kürzlich wurde das Bauhaus in Dessau 80 Jahre alt. Pünktlich zum Jubiläum konnte eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Sanierung abgeschlossen werden – die auch Farben, Strukturen und Materialitäten der Oberflächen neu bewertet.

Armin Scharf

Als am 4. Dezember 1926 die Feiern zur offiziellen Eröffnung des Bauhauses in Dessau starten, blickt man optimistisch in die Zukunft. Das Bauhaus symbolisiert die Idee, Kunst und Technik zu einer neuen Einheit zu verschmelzen, die „dem lebendigen Leben dient“. So formuliert Walter Gropius 1923 die Grundsätze des Bauhauses, das für ein neues Bauen steht. So ist denn auch das Ensemble heller Kuben ein gebautes Manifest, das die Intentionen der Bauhaus-Lehre repräsentiert.
Während Gropius’ Architekturbüro die Planung übernimmt, fertigt die eigene Metallwerkstatt alle Leuchten, kommen die Möbel von der Tischlerei und die Farbgestaltung von Hinnerk Scheper, der die Werkstatt für Wandmalerei leitet.
Scheper, 1925 von Gropius an das damals noch in Weimar befindliche Bauhaus gerufen, legt einen Entwurf vor, der die Gliederung der Architektur unterstützt, Orientierungshilfe bietet und wichtige Bereiche wie die Festebene oder den Direktorenbereich betont. „Bei der Gestaltung werden tragende und füllende Flächen unterschieden“, erläutert Scheper seinen Plan. Dies verdeutliche die architektonische Spannung. Scheper weiter: „Die räumliche Wirkung der Farbe wird gesteigert durch die Anwendung verschiedener Materialien: glatte, polierte, körnige und raue Putzflächen, matte stumpfe und glänzende Anstriche, Glas, Metall usw.“ Gerade diese Aspekte sind im Kontext des Neuen Bauens besonders wichtig, da Flächigkeit, Licht und Transparenz wesentliche Merkmale der Moderne darstellen. Das Bauhaus ist also alles andere als weiß, sondern zeigt sich in einer differenzierten und funktionalen Farbigkeit. Schepers Entwurfsskizzen sind bis heute im Original erhalten, auch seine Ideen für die Außenbereiche, die kräftige Farbakzente zeigen sowie schwarze und graue Fassadenbereiche vorsehen. Tatsächlich setzt man aber nur die roten Eingangstüren und die gelbe Untersicht der Verbindungsbrücke um. Das Gros der Fassaden trägt – so die Analysen – weiße Kalkfarbe, während Sockel und das südliche Treppenhaus von einem grau durchgefärbten, geglimmerten Putz geschmückt werden.
Auch im Inneren ist Schepers Entwurf offenbar nicht vollständig umgesetzt und wird in manchen Bereichen kurz nach der Fertigstellung verändert. Das jedenfalls ergeben jene Analysen, die der jüngsten Rundumsanierung vorausgehen.
Die Zeitläufe machen – wie den meisten anderen Bauten der Moderne auch – schwer zu schaffen. Nach nicht einmal sechs Jahren wird das Bauhaus in Dessau auf massiven politischen Druck der NSDAP hin geschlossen, Gropius steigt schon 1928 aus. Weil der Abbruch nicht durchsetzbar ist, nutzen interessanterweise zunächst NSDAP-Organisationen die Gebäude für Unterrichtszwecke, ab 1938 dienen sie der Verwaltung der nahen Junkers-Flugzeugwerke. Im Frühjahr 1945 treffen mehrere Bomben das Ensemble, dabei geht die charakteristische gläserne Vorhangfassade des Werkstattflügels fast komplett verloren. Gleich nach dem Krieg wird die offene Flanke mit Ziegeln provisorisch vermauert. Erst 1960 weicht diese Behelfslösung horizontalen Fenster- und Brüstungsbändern, was die ursprüngliche Transparenz aber nicht annähernd wiederherstellt. 1964 erfolgt die Aufnahme in die Liste der denkmalwerten Bauten der DDR, gleichzeitig wird die Rekonstruktion beschlossen, Bauuntersuchungen beginnen. Doch erst 1976, zum 50. Jubiläum des Gebäudes, kommen die Arbeiten in Gang. Dabei wird auch die Festebene und die Vorhangfassade rekonstruiert – allerdings in Alu statt im bauzeitlichen Stahl. Bis 1978 dauern die Arbeiten an, die vornehmlich darauf abzielen, das ursprüngliche Bild des Ensembles wieder herzustellen. Die Authentizität der Materialien, Oberflächen und Farben ist dabei eher zweitrangig. Dennoch handelt es sich um eine der ersten Sanierungen an Bauten der Moderne überhaupt – mit „wegweisendem Charakter“, so Monika Markgraf von der Stiftung Bauhaus Dessau: Die Stiftung, 1994 gegründet, ist heute Eigentümerin des Ensembles und für die jüngste, 1996 bis 2006 laufende Sanierung verantwortlich.
Weil seit 1976 die notwendige Baupflege mangels Mittel nur in Form von punktuellen Maßnahmen ohne übergeordnetes Konzept stattfindet, lassen sich teils massive Schäden erkennen – beim Stahlbetontragwerk, bei den Putzfassaden, den Fenstern und Glasfassaden sowie der Haustechnik.
Im Jahr des Sanierungsbeginns nimmt die Unesco alle Dessauer und Weimarer Bauhaus-Bauten in die Liste des Weltkulturerbes auf.
Am Ende langer Grundsatz-Diskussionen über die richtige Sanierungsstrategie steht die Einsicht, dass es nicht allein darum gehen könne, die künstlerische Wirkung zu betrachten, sondern das Denkmal als Gesamtdokument anzugehen. Das schließt nun auch den Erhalt der originalen Materialitäten, der Strukturen und Farbigkeiten ein, aber auch Spuren des Alterns. Authentizität statt originalähnlicher Rekonstruktion – so lautet das neue Credo in Dessau. Dass dies wiederum eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung aller historischen, konstruktiven und materialtechnischen Aspekte bedeutet, versteht sich von selbst. Mehrere Forschungsprojekte widmeten sich schließlich der bauzeitlichen Situation, einschließlich der damaligen bautechnischen Möglichkeiten.
So sehen die Leitlinien der Sanierung unter anderem vor, dass zwar zentrale Bereiche auf den bauzeitlichen Zustand von 1926 zurückgeführt werden, ansonsten jedoch Rekonstruktionen nur dort erfolgen sollen, wo wissenschaftlich fundierte Analysen vorliegen. „Die Geschichte das Gebäudes sollte nicht völlig gelöscht werden“, erläutert Monika Markgraf. Also bleiben moderne Zutaten als solche erkennbar, teils der Zustand von 1976 erhalten. Generell gilt, dass jeder Eingriff originale Bausubstanz zerstört und daher nur so zurückhaltend wie möglich erfolgen darf.
Dies gilt auch für die Wiederherstellung der Farbigkeit, der die Konservierung der bauzeitlichen Fassungen vorangeht (siehe Kasten PRAXISPLUS). Überraschend farbig zeigen sich so heute die Eingangsbereiche, das Vestibül vor der Aula, die Kantine und auch das Treppenhaus des Atelierbaus. Hier sind die Deckenunterzüge und die Deckenspiegel etagenweise unterschiedlich gefasst.
Weitgehend in nüchternem Weiß, ausgenommen das innen rot leuchtende Südtreppenhaus, blieb der Werkstattflügel. Und das zentrale Foyer schließlich folgt einem Entwurf von László Moholy-Nagy, weicht mit seinen pastelligen Tönen sowie intensivem Blau und Schwarz von der übrigen Farbstimmung ab. Diese Betonung folgt der Idee, Bereiche von besonderer Bedeutung von der Anmutung hervorzuheben – während in allen anderen Zonen das Deckentragwerk sichtbar ist, wurde es hier verkleidet.

kompakt
Das Bauhaus in Dessau zeigt sich nach der Sanierung in seiner ursprünglichen Materialität und Farbigkeit, die Hinnerk Scheper vor 80 Jahren entworfen hat. Das Gebäudeensemble steht Besuchern offen, die Stiftung Bauhaus Dessau bietet Führungen an. Die Dauerausstellung „Bauhaus Dessau – Werkstatt der Moderne“ ist täglich geöffnet.
Ausführliche Informationen zur Sanierung bietet die Dokumentation „Archäologie der Moderne“ (Edition Bauhaus Band 23), kompakt zur Farbigkeit ist die „Farbtonkarte Bauhaus 1“ empfohlen. Beide Werke sind im Buchladen des Bauhauses zu haben.
Projektleitung Sanierung:
Monika Markgraf
Restauratorische Untersuchungen:
Restaurierungsatelier Schöne, Halle
Bauherrin: Stiftung Bauhaus Dessau
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