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Fünf-Sterne-Charme

Farbe & Inspiration
Fünf-Sterne-Charme

Das Züricher Architekturbüro Burkhalter Sumi baute in Muri bei Bern eine Seniorenresidenz, die Schule macht. Farbigkeit ist Teil des Konzepts im Multengut.

Andrea Eschbach

Von weitem schon leuchten die zwei rot-silbernen Gebäude: Die Seniorenresidenz Multengut im Berner Vorort Muri ist ein Meisterwerk. Die beiden, jeweils über 70 Meter langen, vierstöckigen Riegel ergänzen das Schlösschen Multengut aus dem 18. Jahrhundert. Doch das Alterswohnheim ist weit davon entfernt, ein üblicher Alterswohnbau zu sein. Es bietet vielmehr einen Wohnkomfort und eine Grandezza, die eher an ein edles Fünf-Sterne-Hotel denken lassen: Die einladende Anlage bietet einen prächtigen Gutspark mit Kirschbäumen, Vogelvoliere und Hecken, eine große Bibliothek, ein Vital-Center, Weinkeller und andere Annehmlichkeiten. Hier lässt es sich im wahrsten Sinne des Wortes „residieren“. „Wir wollten eine Wohnarchitektur, die auch für ein modernes Apartmenthotel funktionieren würde“, sagt Architekt Christian Sumi. Die Züricher Architekten sind bekannt für klare, formvollendete Bauten, ihren sinnlichen Zugang zur Architektur und den feinfühligen Einbezug der Landschaft und Umgebung. Die Projekte von Burkhalter Sumi Architekten umfassen Einfamilienhaus-Umbauten ebenso wie große Wohnüberbauungen.
Schlicht und doch opulent
Multengut ist von einer frischen Schlichtheit; prägendes architektonisches Element ist die fast 90 Meter lange Holzplattform: eine Ruhe- und Sonnenterrasse in der Tradition klassischer Alpenhotelbauten des 19. Jahrhunderts. Hier wird flaniert und Kaffee getrunken. Direkt hinter der Veranda sind Foyer, Ess-Saal, Lounge, Bibliothek, Kamin- und Vortragsraum angeordnet. Die typologische Ausprägung und Abfolge dieser Räume sowie die schier endlose Front der Kastenfenster nehmen wiederum explizit Bezug auf die Gesellschaftsräume des legendären Alpenhotels. Man denkt unwillkürlich an das Hotel Schatzalp in Davos, das durch Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ zu Weltruhm gekommen ist.
Die roten Holzverkleidungen der senkrecht übereinanderliegenden Außenloggien und die umlaufenden, silberweißen Geländer prägen die Fassade. Zwei für die Bauten von Burkhalter Sumi charakteristische Dinge finden sich auch hier wieder: Das Material Holz, das meist als filigrane Latten in der Fassadenverkleidung verwendet wird – und die Farbgebung, die sich an die Lehre Le Corbusiers anlehnt. Die Farbe Rot spielt schon lange eine besondere Rolle im Werk von Burkhalter Sumi. Das war schon bei frühen Projekten wie der Kaufmännischen Schule in Laufenberg so, aber auch zehn Jahre später bei den Mehrfamilienvillen in Zürich-Witikon. Selbst der Citroën DS 23, den Christian Sumi fährt, ist rot.
Rot als konstante Größe
Farbigkeit ist für die Züricher Architekten mehr als ein Anstrich. Schon früh inspirierte sie Le Corbusiers Pigmentfarben-Fächer zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit Farbe. „Diese neu aufgelegten Farbkarten haben uns sehr beeinflusst und sind nach wie vor unser wichtigstes Werkzeug bei der Auswahl“, sagt Marianne Burkhalter. So auch beim Projekt Multengut. Mit Farben konkretisieren und betonen sie die Räumlichkeit und Körperhaftigkeit ihrer Bauten: „Farbe ist nicht nur Oberfläche, sondern auch eine Art Material, mit dem wir arbeiten.“ Dieses Credo lässt sich am Projekt Multengut belegen.
Im Innern ist der Bau ebenso modern wie es sein äußeres Gesicht verspricht. Im oberen Gebäude, dem so genannten Hotel, liegen die öffentlichen Infrastrukturbereiche wie Speisesaal, Küche, Gemeinschaftsräume, aber auch der Verwaltungstrakt. Darüber befindet sich die Pflegeabteilung und zwei Etagen mit 34 Ein-, Zwei- und Dreizimmerwohnungen. Das untere Haus, die Dependance, ist ausschließlich für Wohnungen reserviert, insgesamt 64 auf vier Geschossen. Ein unterirdischer Verbindungsgang verbindet die beiden Trakte. Daran angeordnet sind weitere Einrichtungen wie der Wellness-Bereich, der Waschsalon, der Massageraum und das Musizierzimmer. Die Passage ist in warmes Rot getaucht und erhält durch Lichtschächte Tageslicht.
Lichtkanonen fluten Treppenhäuser
Weiße Wände gibt es im Multengut kaum, dagegen findet sich auch hier viel Rot. „Farben tragen dazu bei, die Räume unterschiedlich zu gewichten oder nach Bedarf zusammenzuhalten“, erklärt Marianne Burkhalter. Am Farbkonzept hatten die Architekten lange getüftelt. „Es geht schließlich nicht um einen einfachen Anstrich, sondern um ein Gesamtkonzept, um die Auseinandersetzung mit Inhalten, Räumen und Körpern“, erklärt die Architektin. Die Farben in den Zimmern der Residenz sind harmonisch aufeinander abgestimmt, erzeugen eine wohnliche Atmosphäre und passen zu allem – ob die Senioren nun Stilmöbel oder moderne Möbel bevorzugen. Zusätzliches Plus: Die Wände werden dadurch nicht mehr als Sichtbeton empfunden. Auch in den Treppenhäusern setzten die Architekten auf Farbe: Sie sind blau gestrichen und mutieren zur „Lichtkanone“. „Wir haben den Raum mit Licht geflutet“, erklärt Architekt Yves Schihin von Burkhalter Sumi, „ähnlich wie es Le Corbusier im Treppenhaus des Genfer Mietshauses Clarté getan hat“.
„Die Reaktionen auf die Farbgebung sind mehrheitlich positiv“, erklärt Philipp M. Zemp, Inhaber der Betreiberfirma Senevita AG. „Wir haben sehr viel Lob bekommen“. Nur wenige Senioren würden lieber in weißen Wänden wohnen – die Macht der Gewohnheit. „Endlich Farbe im Heim“, hätten dagegen viele Interessenten gesagt. „Angespornt durch so viel Bestätigung haben wir auch in den folgenden Bauprojekten vermehrt Farbe eingesetzt“, sagt Zemp. Und so wohnen nun auch die Bewohner der Seniorenresidenzen Nordlicht in Zürich-Oerlikon sowie Burdlef in Burgdorf umgeben von farbig gestrichenen Wänden. Keine Frage: Die farbige Seniorenresidenz macht Schule.

Standort:
Mettlengässli 8/10, Muri (CH)
Architekten:
Burkhalter Sumi Architekten, Zürich (www.burkhalter-sumi.ch)
Bauherr:
GVB Gebäudeversicherung des Kantons Bern
Ausführung:
Wahli und Spielmann AG, Ostermundigen
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